4 | Matinéekonzert mit Picknick

Haiou Zhang, Klavier - Rittergut Eckerde

Ein Sommertraum

Man stelle sich vor: einen sonnigen Sommertag, ein idyllisch gelegenes Rittergut, ein nicht enden wollendes Büfett mit herrlichen Delikatessen und einen talentierten Pianisten mit einem ansprechenden Konzertprogramm… und schon hat man den perfekten Sommertraum. Die Chopin-Gesellschaft Hannover erfüllt solche Träume alljährlich mit ihren sommerlichen Konzerten und anschließendem Picknick vor den Toren der Stadt. In diesem Jahr führte die Landpartie in das kleine Dorf Eckerde, einem scheinbar unberührten Fleckchen Erde. Umgeben von altem Baumbestand liegt das Rittergut Eckerde mit seinem imposanten Haupthaus, zahlreichen Nebengebäuden und einem alten Landschaftsgarten am Fuße des Deisters. 

Der chinesische Pianist Haiou Zhang war eingeladen, in der schlicht und zweckmäßig restaurierten Scheune des Anwesens eine Konzertmatinée zu geben. Zahlreich erschienene Gäste nahmen auf mitgebrachten Klappstühlen Platz und umrahmten den mitten im Raum platzierten Flügel. 
Stilvoll im Frack, elegant und äußerst konzentriert betrat Zhang das Podium und fesselte das Publikum vom ersten bis zum letzten Ton. 

Die einleitende Sonate F-Dur KV 332 von Wolfgang Amadeus Mozart ließ keine Fragen offen. Es stimmte einfach alles. Tempo, Phrasierung, Dynamik und Ausdruck waren perfekt in Balance. So einen Mozart, schnörkellos und transparent, hört man gern. Ebenso großartig gestaltete der Künstler Beethovens Waldsteinsonate. Glücklicherweise spielte er das Anfangstempo nicht so rasend schnell, wie es leider oft zu hören ist. Das traumhafte, immer wieder anrührende Seitenthema des Rondos war fabelhaft ausgespielt und das Prestissimo des Finales nahm er als „attacca subito“, wie Beethoven es vorschreibt, virtuos und brillant in Angriff. Mit äußerster Präzision und technischer Perfektion überzeugte Zhang ebenso wie mit seiner musikalischen und sehr schlüssigen Interpretation des Werkes. 

Das Prélude und Nocturne op. 9 für die linke Hand von Alexander Skrjabin erfreut sich seit seiner Entstehung im Jahr 1894 großer Beliebtheit. Beide Stücke wurden aufgrund einer Verletzung der rechten Hand des Komponisten geschrieben und sind oft in Konzerten zu hören. Zhang fächerte sehr spannungsreich die polyphone Struktur dieser eindrucksvollen Werke auf. Sehr zart und oft geheimnisvoll wirkt Skrjabins ganz eigene, oft mystische, Klangmalerei. Zhang gelang ein eleganter Übergang zu Liszt, dessen Tonsprache von virtuosem Feuerwerk bis romantischer Poesie reicht. Der Künstler spielte aus den Legenden Nr. 1 „St. Francois d’Assise“ und aus dem dritten Buch der Pilgerjahre „Le jeux déaux á la Ville d’Este. Fast impressionistisch anmutend wirkten beide Werke und die Wasserspiele vor der Villa d’Éste wurden vor dem geistigen Auge sichtbar.

Mit Debussys zarter impressionistischer Etüde Nr. 11 und dem imposanten La Valse von Ravel fand das Konzert einen gelungenen Abschluss. Ravels sinfonische Dichtung La Valse wird oft als sein Meisterwerk bezeichnet, sicher gehört es zu den eindrucksvollsten Werken der expressionistischen Musik. In der Klavierfassung ebenso wie in der Orchesterfassung. Zhang ließ den Wiener Walzer aufleben, obwohl es hier nicht um beschwingte Walzerlaunen geht, sondern wehmütiges Klagen – Ravel schrieb dieses Werk unter dem Eindruck des ersten Weltkrieges – zieht sich wie eine tiefe Traurigkeit über den konsequenten Walzertakt. 

Jubelnder Applaus für diesen großartigen Pianisten wurde mit zwei Zugaben belohnt. Der berühmte „Schwan“ aus dem Karneval der Tiere in einer zauberhaften Transkription von Leopold Godowsky und „Soirée de Vienne“, eine höchst virtuos und hervorragend vorgetragene Transkription von Alfred Grünfeld. 

Ein perfekter Sommertag.

Okka Mallek
Hannover, 05.06.2016 

Haiou Zhang 

wird trotz seines jungen Alters von der internationalen Fachkritik sowie vom Publikum in aller Welt enthusiastisch gefeiert. Seine Karriere beginnt im Jahr 2005 und 2006 mit zwei stürmisch gefeierten Auftritten beim Braunschweig Classix Festival, die das breite Interesse der Öffentlichkeit auf sich zogen. Es folgten regelmäßige Einladungen zu renommierten Festivals wie z.B. dem Schleswig-Holstein Musik Festival, dem Kissinger Sommer und den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern. Soloabende führten ihn u.a. in das Konzerthaus Berlin, Hamburger Laeiszhalle, München am Gasteig, Tonhalle Düsseldorf, Beethoven Haus Bonn, den Würzburger Bachtagen, der Mozartiade Augsburg, Konzertzyklus Best of NRW und zum Festival International de Musique de Besançon. 

Dabei erkennen seine Eltern erst spät seine musikalische Begabung. Mit knapp neun Jahren bekommt er sein erstes Klavier. Zwei Jahre später wird er am Central Conservatory of Music in Peking angenommen. 2002 schließt er dort seine Studien mit besonderer Auszeichnung ab. Im gleichen Jahr wechselt er zur Hochschule für Musik und Theater Hannover bei Prof. Bernd Goetzke. 2011 schloß er sein Konzertexamen mit Höchstnote ab.

Seinem großen Erfolg beim V. Internationalen Vladimir Horowitz Klavierwettbewerb in Kiew folgte eine CD-Produktion beim Norddeutschen Rundfunk. Im Jahr 2005 gewann er den Gundlach Musikpreis Hannover. 2007 wurde er mit dem Publikumspreis der Kissinger Klavierolympiade ausgezeichnet. Als Kammermusiker gewann er außerdem den 1. Preis beim I. Chinesischen Nationalen Klavierduo Wettbewerb.

Neben seinen Konzerttätigkeiten gründete er das Internationale Musikfestival Buxtehude & Altes Land. Damit lädt er renommierte Orchester und Kammermusikensembles ein und fördert junge begabte Künstler. 

Programm

W.A. MozartKlaviersonate F-Dur KV332
L. v. BeethovenKlaviersonate op. 53‚’Waldstein“
Claude DebussyEtüde Nr. 11 „Pour les arpèges composés“ 
6 Präludien 
Maurice RavelLa Valse