Auf dem Parnass. Der Pianist Pietro de Maria entfacht stürmischen Beifall
Okka Mallek
Hannover, 21.04.2012
Den Gradus ad Parnassum hat der venezianische Pianist Pietro de Maria längst überschritten und thront nun, musikalisch betrachtet, auf dem Gipfel des Parnass, um regelrechte Beifallstürme bei seinem Publikum auszulösen.
Im sehr gut besuchten Saal der VGH, wo die hannoversche Chopin-Gesellschaft zu Gast war, um einen außergewöhnlichen Musiker vorzustellen, gestaltete Pietro de Maria sechs Sonaten von Domenico Scarlatti als wahres Feuerwerk an Repetitionen, Sprüngen und Läufen.
Diese spritzigen, einfallsreichen Kompositionen sind in spieltechnischer und musikalischer Hinsicht gleichermaßen anspruchsvoll. Pietro De Maria spielte sie brillant, reich nuanciert und mit enormer dynamischer Vielfalt. Sparsamer Pedalgebrauch und deutliche Artikulation ließen erkennen, dass diese Sonaten ursprünglich als „Essercizi de Cembalo“ geschrieben wurden.
Muzio Clementi hat nicht ausschließlich pädagogisch wertvolle Sonatinen und die bekannte, sehr nützliche Etüdensammlung „Gradus ad Parnassum“, sondern auch bezaubernde Klaviersonaten geschrieben, die leider viel zu wenig aufgeführt werden. Pietro de Maria wählte die dreisätzige Sonate fis-Moll op. 25, Nr. 5. Auch in diesem Werk glänzte er mit klangschönem Spiel, klarer Strukturierung und ausgewogener Dynamik. Besonders der zweite Satz, Lento e patetico mit seinem schlichten Anfangsthema wirkte wie eine hingebungsvolle Meditation. Zupackend, aber niemals ruppig perlte das Presto des dritten Satzes durch die flinken Finger des Künstlers, der stilsicher alle Effekte dieser glanzvollen, schon in die Frühromantik weisenden Musik voll auskostete.
Die zwischen 1836 und 1843 publizierten Balladen von Frédéric Chopin sind Werke von großer Konzentriertheit und formaler und klanglicher Originalität, sie gehören gewissermaßen zum Standardrepertoire eines Pianisten. Pietro de Maria spielte bereits das Gesamtwerk von Chopin ein und es ist unverkennbar, dass er sich mit viel Einfühlungsvermögen und Kenntnis in die Musik Chopins vertieft hat. Seine Interpretationen der vier Balladen bezeugten dies. Vom schlichten Unisonoaufgang der ersten bis hin zum aufgewühlten dramatischen Geschehen der vierten Ballade in f-Moll präsentierte Pietro de Maria mit großer Leidenschaft, aber niemals sentimental diese unvergleichbaren musikalischen Erzählungen.
Mit der ersten Zugabe, einer subtil gestalteten Mazurka, blieb die chopinsche Stimmung noch erhalten, und mit Liszts La Campanella rüttelte der Pianist wieder auf und beschwor abermals Staunen herauf ob solch frappierender Technik und müheloser Repetitionskunst.
Ein fabelhafter und sympathischer Künstler, den man gern wieder hören möchte.
Pietro De Maria
wurde 1967 in Venedig geboren, wo er auch seine pianistische Ausbildung erhielt. Sein Talent zeigte sich früh, bereits mit dreizehn Jahren gewann er den ersten Preis am internationalen Klavierwettbewerb „Alfred Cortot“ in Mailand. Später setzte er seine Studien bei Maria Tipo am Genfer Konservatorium fort, wo er 1988 mit einem „Premier Prix de Virtuosité“ abschloss.
Pietro De Maria ist von den wichtigsten italienischen Konzertveranstaltern eingeladen worden, zwischen März 2007 und Ende 2009 das gesamte Klavierwerk von Frédéric Chopin aufzuführen. Dieses bei DECCA/Universal produzierte Großprojekt wird von der angesehenen Fachpresse mit großem Beifall bedacht.
Die Aufführung von zeitgenössischer Musik ist eine wichtige Komponente von Pietro De Marias Konzerttätigkeit. Vor kurzem ist er mit der italienischen Erstaufführung von Ivan Fedeles Concerto für zwei Klaviere und Orchester in Mailand aufgetreten.
Pietro De Marias rege Konzerttätigkeit führte ihn in die bedeutendsten Säle und Festivals Europa, als Solist ist er unter Dirigenten wie Gary Bertini, Myung-Whun Chung, Vladimir Fedoseyev, Daniele Gatti, Alan Gilbert, Eliahu Inbal, Marek Janowski, Ton Koopman, Ingo Metzmacher und Sándor Végh aufgetreten.
„Für Pietro De Maria ist Chopin unter seiner zerbrechlichen und graziösen Oberfläche, auf der ganzen Linie ein Mann von Feuer und Eis“, schreibt ein Kritiker über die gegenwärtig bei DECCA erscheinende Gesamteinspielung von Chopins Klavierwerk. Als Aristokrat des Klaviers, als Klangpoet und lyrischer Virtuose wird der italienische Pianist bezeichnet, dessen Karriere mit Preisen am Tschaikowsky- und Géza Anda-Wettbewerb ihren Anfang nahm.
Programm
Domenico Scarlatti | Sonate K 394 in d-Moll Sonate K 45 in D-Dur Sonate K 44 in F-Dur Sonate K 98 in e-Moll Sonate K 13 in G-Dur Sonate K 1 in d-Moll |
Muzio Clementi | Klaviersonate in fis-Moll op. 25 Nr. 5 |
Frédéric Chopin | Ballade Nr. 1 in g-Moll op. 23 Ballade Nr. 2 in F-Dur op. 38 Ballade Nr. 3 in As-Dur op. 47 Ballade Nr. 4 in f-Moll op. 52 |