6 | Klavierabend


Klavierabend mit Sung Chang

Text: Okka Mallek 
Hannover, 30.09. 2012

Der Kontrast war beeindruckend: zwischen Naturstein und einer großzügigen Stahl-Glas-Konstruktion im Eingangsbereich der DZ-Bank Hannover glänzte der frisch restaurierte Steinway-Flügel der hannoverschen Chopin-Gesellschaft. Für eine angenehme Atmosphäre sorgte ein Begrüßungsgetränk und die angeregte Unterhaltung der zahlreich erschienenen Mitglieder und Freunde der Chopin-Gesellschaft sowie Mitarbeitern und Gästen der DZ-Bank Hannover. Während des eigentlichen Anlasses des Abends jedoch wich jedes Gespräch einer aufmerksamen Ruhe. 

Der Pianist Sung Chang, bereits mit internationalen Wettbewerbspreisen ausgezeichnet, war eingeladen, diesen in neuem Glanz erstrahlenden Flügel einzuweihen. Dass ihm dies vortrefflich gelang, bezeugte ein begeistertes Publikum. Allein die Programmauswahl weckte Neugierde, da es in jeder Hinsicht anspruchsvolle und ansprechende Werke waren, die Sung Chang präsentierte. 

Mit Beethovens später Sonate As-Dur op. 110 hat der junge Koreaner viel musikalische Reife bewiesen. Seine ausgezeichnete Pianistik ermöglichte ihm, die Vielschichtigkeit dieses von Gegensätzen geprägte musikalische Monument zu verdeutlichen. Die ruhige Feierlichkeit des Einleitungssatzes gelang spannungsreich und mit der Vorgabe „con amabilitá“, also sanft und liebenswürdig, hat Chang die große Kunst des kantablen Spiels mühelos bewältigt. Ebenso gelang der in großem Kontrast zum ersten Satz stehende Mittelsatz mit seinen bizarren, synkopierten Rhythmen und den starken dynamischen Akzenten.

Die Konzentration auf den letzten Satz, in diesem Werk besonders auf den fugierten Teil, ist charakteristisch für Beethovens späte Sonaten. Das klagende Anfangsmotiv, die aufwühlende, ergreifende Fuge sowie der triumphale Abschluss dieses von großer Erhabenheit geprägten Satzes verlangt ein hohes Maß an pianistischem Können. Sung Chang ließ sich auf diese Herausforderung ein und besang danach in Schumanns Fantasiestücken den Abend, beschwor Launenhaftes, fabulierte, deutete Traumes Wirren. Alle acht Stücke dieses genialen Klavierzyklus haben einen besonderen Reiz und Sung Chang verstand es großartig, diese Pretiosen dem Hörer nahe zu bringen. 

Die Scherzi gehören zu Chopins bedeutendsten Klavierwerken. Hier gehen leidenschaftliche Virtuosität und Tiefgründigkeit eine Symbiose ein. Chang spielte das dritte und vierte Scherzo und brillierte mit gekonnter Oktavtechnik, sonorer Klanggestaltung sowie klangpoetischer Farbigkeit. Eine gigantische Interpretation von Ravels La Valse bildete den Abschluss des Abends. In diesem orchestral angelegten Werk wird die gesamte musikalische Palette des Walzers von schillernder Virtuosität bis zum finsteren dramatischen Ausbruch hörbar und in ihrer Intensität fast greifbar gemacht. Sung Chang scheute kein Risiko, spielte leidenschaftlich, voller Hingabe an die Musik und dennoch höchst kontrolliert. 

Die Zugabe war ihm schwer abgerungen. Sein Hinweis auf den stark in Anspruch genommenen Arm nützte nichts – der Applaus nahm kein Ende und so kam der Hörer in den Genuss eines Satzes der vielen schönen Sonaten aus dem Schaffen Joseph Haydns, dem Allegro aus Nr. 13 in E-Dur.

Sung Chang

geboren 1986 in Süd-Korea, studierte Klavier ab 2002 an der Korea National University of Arts und schloss dort 2006 sein Studium mit dem Bachelor of Music-Grad ab. Anschließend ab 2007 setzte er sein Studium an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover bei Professor Vladimir Krainev fort. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiengangs „Künstlerische Ausbildung, Klavier“ wurde er 2009 in dessen Solisten-Klasse aufgenommen. Seit 2010 ist er gleichzeitig Master-Student (zusammen mit Esther Lee) in der Klavier-Duo Klasse von Angelika Genova und Liuben Dimitrov. Gefördert wurde die Ausbildung von Sung Chang durch Stipendien der Korea National University 2004 sowie der Yamaha Music Foundation of Europe 2010.

Zwischen 2004 und 2011 hat Sung Chang in Japan, den USA, Italien, Deutschland und Tschechien an mehreren herausragenden internationalen Klavierwettbewerben teilgenommen und erste Preise gewonnen; besonders erwähnenswert sind der 1. Preis und der Preis des Publikums beim 13. Wettbewerb 2011 der Chopin-Gesellschaft Hannover e.V. Es folgten mehrere Konzertauftritte solo oder mit Orchester in Deutschland, USA, Korea, Taiwan und Japan.

Das Hamburger Abendblatt schrieb am 10.11.2011: „Sung Chang ziseliert, meißelt, seine Finger tanzen auf den Tasten, trällern, hüpfen, eilen. Der Stipendiat der Yamaha Music Foundation 2011 kann es furios und laut aufbrausend. Aber auch pianissimo, fein austariert, mit viel Gefühl, zurückgenommen, um dem feinen Ausdruck den Vortritt zu lassen. Sein Finale der Lisztschen Komposition macht Gänsehaut.“

Programm

Ludwig van BeethovenSonate Nr. 31 As-Dur op. 110
Robert SchumannFantasiestücke op. 12
Frédéric ChopinScherzo Nr. 3 cis-Moll op. 39
Scherzo Nr. 4 E-Dur op. 54 
Maurice RavelLa Valse