Koreanische Talente im Beethovensaal
Okka Mallek
Hannover, 04.11.2012
Es ist immer wieder erstaunlich, mit wie viel Bravour, technischer Perfektion und klanglicher Brillanz sehr junge Musiker/innen ihre Karriere beginnen. Man ist geneigt zu fragen, wohin sich dieses enorme Können noch steigern kann. Wahrscheinlich zu immer tiefer werdendem Verständnis für den Gehalt der großen Kompositionen und zu geistiger Reife.
Zwei junge koreanische Musiktalente, Ye-Eun Choi und Yeol Eum Son, waren im Beethovensaal zu erleben, wo die Chopin-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der KPMG einen Konzertabend veranstaltete.
Die Geigerin Ye-Eun Choi und die Pianistin Yeol Eum Son stehen längst im Fokus der Öffentlichkeit und haben sich durch Preise der höchst dotierten internationalen Wettbewerbe in die oberste Liga katapultiert. Eine umfangreiche Konzerttätigkeit führten beide Künstlerinnen bereits auf große Podien. Die Chopin-Gesellschaft mit ihrer glücklichen Hand für die Auswahl hervorragender Nachwuchstalente hatte schon im vorigen Jahr einen Konzertabend mit Yeol Em Son veranstaltet, wo die Künstlerin mit einem spektakulären Lisztabend auf sich aufmerksam machte. Nun waren Son und Choi in einer kongenialen Partnerschaft mit drei großen Werken der Violinliteratur zu hören.
In Schuberts Grand Duo Sonate für Violine und Klavier op. 162 überzeugten beide Künstlerinnen durch eine elegante und fast schwebende Spielweise. Mit makelloser Technik und feinfühligem Aufeinanderhören wurde diese Sonate zu einem einzigartigen Klangerlebnis. Besonders der lyrische Dialog des dritten Satzes war von Klangweite und innerer Ruhe geprägt. Selbst virtuose Passagen etwa des Allegro vivace oder des Scherzo wirkten nie überfrachtet oder grob, sondern immer wie mit einem Weichzeichner geglättet und dennoch voller Energie. Mit der 1820 komponierten Violinsonate F-Dur von Felix Mendelssohn-Bartholdy blieben die Künstlerinnen in der frühromantischen Stimmung. Die Verspieltheit und Originalität dieses Werkes mit seiner beschwingten Heiterkeit gelang präzise und klanglich sehr gut ausbalanciert. Auch hier glitten die Finger scheinbar mühelos über die Tasten und mit Leichtigkeit hüpfte der Bogen über die Saiten.
Nach der Pause, in Prokofjews Violinsonate in f-Moll, beherrschte eine dramatische,
ernste Stimmung das musikalische Geschehen. Sieben Jahre vor seinem Tod komponierte Prokofjew dieses viersätzige Werk und im gleichen Jahr, im Oktober 1946, wurde es von David Oistrach und Lev Oborin uraufgeführt. Die düstere Einleitung des ersten Satzes sowie der rhythmisch komplizierte zweite Satz mit seiner vorwiegend perkussiven Klavierbegleitung waren spannungsvoll und mit großer Intensität vorgetragen. Energievolle Ausbrüche wechselten mit klagenden lyrischen Gesängen in beeindruckender Weise.
Yeol Eum Son
Die in Hannover beheimatete südkoreanische Pianistin Yeol Eum Son studiert bei Prof. Arie Vardi an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Sie hat einen Bachelor Abschluss von der Korean National University of the Arts, wo sie bei Prof. Dae Jin Kim studierte.
Internationale Aufmerksamkeit errang sie 2008 in Seoul durch ihren Soloauftritt mit dem New York Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Lorin Maazel, mit dem sie bereits 2004 konzertiert hatte.
Als eine der namhaftesten koreanischen Pianistinnen hatte sie in 2007 die Ehre, vor der UNO-Vollversammlung in New York das Begrüßungskonzert für den UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon spielen zu dürfen.
Yoel Eum Son ist häufiger Gast bei internationalen Festspielen, unter anderen in Bad-Kissingen, beim Rheingau MusikFestival, Polens Beethoven-Osterfestival in Krakau und beim Chopin Piano Festival in Duszniki-Zdrój.
Ye-Eun Choi
gilt nun schon seit längerem als eines der vielversprechendsten Geigentalente, das Europa, Asien und die USA in den letzten Jahren hervorgebracht haben. Seit ihrem Konzertdebüt in Seoul im Alter von zehn Jahren ist sie auf der ganzen Welt mit zahlreichen namhaften Orchestern aufgetreten.
Zu den Höhepunkten der Saison 2007-2008 zählten ihre Auftritte mit dem Englischen Kammerorchester unter der Leitung von Ralf Gothony, erneut ein Konzert mit dem Montreal Symphony Orchestra unter Kent Nagano und Konzerte in der Alten Oper in Frankfurt und der Frauenkirche in Dresden mit Anne-Sophie Mutter und den Trondheimer Solisten (Doppelkonzert von J. S. Bach).
Seit ihrem ihrem Debüt mit dem New York Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Alan Gilbert im Oktober 2009 trat sie im Juli 2010 mit Christoph Eschenbach und dem Orchester des Schleswig-Holstein Musikfestivals auf. Es folgten Konzerte mit dem staatlichen Symphonieorchester „Neues Russland“ unter der Leitung von Yuri Bashmet im Februar 2011 sowie Auftritte mit dem NHK-Sinfonieorchester unter Sir André Previn im Oktober 2011 und den Stuttgarter Symphonikern unter Manfred Honeck im Juni 2012.
Ihre Hingabe zur Kammermusik hat Ye-Eun zu Festspielen auf der ganzen Welt geführt: Neben den Auftritten auf dem spanischen Bulgos Festival und dem Verbier Festival in der Schweiz standen zahlreiche deutsche Veranstaltungen in ihrem Terminkalender, darunter die Dresdener Musikfestspiele und die Musik Festivals von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und dem Rheingau. Sie ist regelmäßiger Gast von „La Folle journée“ in Japan und Frankreich, wo sie mit dem Ural Philharmonic Orchestra und Dmitri Liss, dem Prazák Quartett und Plamena Mangova zu hören war. Auf Einladung von Gidon Kremer reiste sie zu den Kammermusikfesten von Lockenhaus und Kronberg und musizierte dort zusammen mit Gidon Kremer, Yuri Bashmet, Lynn Harell und Khatia Buniatishvili. Sehr erfolgreich verliefen auch die Kammermusik-Konzerte mit Anne-Sophie Mutter.
Ye-Eun Choi
1988 im südkoreanischen Seoul geboren, hat bei Ana Chumachenco an der Musikhochschule in München studiert. Ihr außergewöhnliches Talent und ihre musikalische Reife wurden früh erkannt. 2005 wurde Anne-Sophie Mutter auf sie aufmerksam, und bald darauf erhielt sie ein Stipendium des Freundeskreises der Anne-Sophie Mutter Stiftung. Bis heute wird sie von Anne-Sophie Mutter persönlich gefördert und intensiv unterstützt. Seit ihrem Zusammentreffen mit Christoph Eschenbach im Jahr 2007 hat sie in hohem Maße von den regelmäßigen Proben mit dem Dirigenten profitiert. Im selben Jahr wurde sie von der American Symphony Orchestra League, dem Verband Amerikanischer Symphonieorchester, zu einer der aufstrebenden Künstlerinnen des Jahres 2007 gewählt. Ye-Eun spielt auf einer Violine von Pietro Giacomo Rogeri (1710), die die Anne-Sophie Mutter Stiftung ihr großzügig zur Verfügung gestellt hat.
Programm
Franz Schubert | Sonate für Violine und Klavier A-Dur op. 162 D 574 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | Violinsonate F-Dur op. S 9 |
Sergei Sergejewitsch Prokofjew | Violinsonate Nr. 1 f-moll op. 80 |