2 | Klavier und Orchester

Varvara Nepomnyashchaya, Klavier; Junges Sinfonie Orchester Hannover, Tobias Rokahr | Tellkampfschule

Jubiläumskonzert der Chopin-Gesellschaft

Okka Mallek
Hannover, 10.02.2013

Eine Idee hat sich bewährt und das ist ein Grund zum Feiern! Seit 25 Jahren präsentiert die hannoversche Chopin-Gesellschaft der öffentlichkeit als sommerliches Open-Air-Konzert anspruchsvolle klassische Musik im hannoverschen Georgengarten. Längst ist diese Einrichtung zu einer beliebten Tradition geworden und seit der Gründung ist das junge Sinfonieorchester Hannover (JSO) dabei. Die Chopin-Gesellschaft hat zahlreiche Solisten verpflichtet, mit dem JSO zu konzertieren und nun gab es, zusätzlich zum sommerlichen Traditionskonzert, ein Jubiläumskonzert in der hannoverschen Tellkampfschule. Ein geeigneter Rahmen für eine sinfonische Aufführung und ein sehr ansprechendes Programm im ausverkauften Haus. 

Schuberts „Unvollendete“, mit der der Abend eingeleitet wurde, ist zweifellos eine der meistgespielten Sinfonien. Ob es an dem Mysterium des Fragmentarischen, dem geheimnisvollen Nimbus oder einfach an der Schönheit der zahlreichen liedhaften Themen dieser zweisätzigen Sinfonie liegt, bleibt dahingestellt. über die Entstehung des Werkes gibt es keine aufschlussreichen historischen Belege. Diese Musik kann man auf sich wirken lassen und genießen. 

Das düster und bedrohlich wirkende Eingangsmotiv der Celli und Kontrabässe ließ das lästige knarren der Aulastühle schnell vergessen und spätestens als das Hauptthema in den Oboen und Klarinetten erklang, war der Hörer im Geschehen dieser ergreifenden Klangwelt. Tobias Rokahr als erfahrener Dirigent hatte sein Orchester gut im Griff und präsentierte sich als souveräner Klanggestalter. Besonders die Blechbläser verdienten sich großes Lob mit guter Intonation und präzisen Einsätzen und auch die Cellisten konnten sich hervorragend profilieren. 

Die Pianistin mit dem schwer auszusprechenden Namen Varvara Nepomnyashchaya bekam ihre musikalische Ausbildung am Moskauer Hochbegabteninstitut der Gnessin-Musikschule und am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium, bevor sie bei ihrem Landsmann Evgeni Koroliov an der Hamburger Musikhochschule, wo sie auch lehrt, studierte. 

Das 1. Klavierkonzert von Frédérik Chopin, mit dem die Pianistin nach der Pause den Höhepunkt des Konzertabends bestritt, gelang dieser jungen und überzeugenden Künstlerin grandios. Mit technischer Versiertheit gestaltete sie die anspruchsvollen Läufe und Figuren des ersten Satzes, voller Elan und Vitalität präsentierte sie die ornamentreichen Melodien der Romanze und zupackend nahm sie den synkopierten Rhythmus des Rondos in Angriff. Eine beeindruckende Pianistin auf höchstem Niveau.

Für den nicht enden wollenden Beifall bedankte sich Nepomnyashchaya mit der Etüde Op.10, Nr.5 in Ges-Dur, der so genannten „schwarzen Tasten Etüde“ von Chopin. 

Varvara Nepomnyashchaya

1983 in Moskau geboren, wurde zunächst elf Jahre lang an der Gnessin-Spezialschule für Musik bei Lidija Grigorieva ausgebildet, ehe sie die Klavierklasse von Mikhail Voskresensky am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium absolvierte. 2011 holte sie sich den letzten Schliff bei Evgeni Koroliov an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater, wo sie seit einigen Monaten selbst als Lehrbeauftragte unterrichtet.

Als Preisträgerin ging Varvara seit 2006 aus dem Bach- Wettbewerb in Leipzig, aus dem Nagoya International Music Competition, aus dem Bremer Klavierwettbewerb und der Konkurrenz des Prager Frühlings hervor. Im Juni 2012 gewann sie dann den Ersten Preis und den Mozart-Preis beim renommierten Zürcher Concours Géza Anda; ausserdem erhielt sie für ihre Interpretation von Beethovens Drittem Klavierkonzert, das sie im Zusammenspiel mit dem Tonhalle-Orchester Zürich unter David Zinman deutete, auch den Géza Anda-Publikumspreis. Die Jury, der u.a. Jonathan Nott, Michel Béroff, Markus Hinterhäuser, Oleg Maisenberg, Alexei Volodin und Gérard Wyss angehörten, begründete die Entscheidung folgendermassen: „Die Pianistin ist zweifellos eine Ausnahmeerscheinung durch ihren unbedingten Willen zur Gestaltung und der Erkundung von Grenzen; dafür ist sie bereit, mit ihrer brillanten, wenngleich unkonventionellen pianistischen Technik alles zu wagen. Ihr Rezital mit Werken Chopins, Mozarts und Schumanns steigerte sich zu einem Rausch extremer emotionaler Zustände, der gleichwohl durch eine wache und überlegene musikalische Intelligenz gebändigt schien.“

Varvara konzertierte bereits in mehreren Ländern Europas; nach ihrem Erfolg beim Concours Géza Anda wurde sie– neben zahlreichen Soloauftritten – u.a. für Konzerte mit dem Orchestra della Svizzera Italiana, dem Musikkollegium Winterthur, dem Radio- Sinfonieorchester Stuttgart, dem Georgischen Kammerorchester Ingoldstadt, der Mährischen Philharmonie, dem Jungen Sinfonieorchester Hannover, der Neuen Philharmonie Westfalen und dem Wiener Kammerorchester eingeladen. 

Das Junge Sinfonie Orchester Hannover

gilt seit seiner Gründung 1961 durch Prof. Barbara Koerppen und Prof. Heinz Hennig als fester Bestandteil des Hannoverschen Kulturlebens. Es hat über 80 Mitglieder im Alter zwischen 14 und 40 Jahren und besteht aus Schülern, aus Studenten aller Fachrichtungen, sowie aus jungen Berufstätigen. Damit nimmt das JSO eine besondere Stellung innerhalb der Musikszene für Jugendliche in Hannover ein: Durch das Zusammenspiel der erfahrenen älteren Mitglieder mit instrumental bereits gut ausgebildeten, aber im Orchesterspiel noch ungeübten jüngeren Mitgliedern hat sich ein Klangkörper entwickelt, dessen Niveau inzwischen weit über Hannovers Stadtgrenzen bekannt ist. Der Chopin-Gesellschaft Hannover ist das Junge Sinfonie Orchester durch eine nun 25-jährige Zusammenarbeit bei dem sommerlichen Open-Air-Konzert in Herrenhausen eng verbunden.

Tobias Rokahr

geboren 1972, seit 1997 Dirigent des JSO. Nach dem Abitur studierte er an der Hochschule für Musik und Theater Hannover Schulmusik, Germanistik, Musiktheorie und Gehörbildung sowie an der Hochschule für Musik Detmold Dirigieren bei Prof. K.-H. Bloemeke. Er war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes, besuchte Meisterkurse für Dirigenten, u.a. bei Sir Colin Davis, und war von 2003 bis 2009 Juniorprofessor für Musiktheorie und Gehörbildung an der Hochschule für Musik Mainz. 2004 verlieh ihm die Johannes Gutenberg-Universität Mainz den “Preis für exzellente Lehre”. Seit dem Sommersemester 2009 ist er Professor für Gehörbildung und Tonsatz an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig. Daneben stehen Publikationen zu musikwissenschaftlichen und musikpädagogischen Themen.

Programm 

Franz SchubertSymphonie Nr. 7 h-Moll op. D 759 „Die Unvollendete“
Frédéric Chopin Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11