Junges Sinfonie Orchester Hannover; Tobias Rokahr; Matthias Winckhler, Bariton; Alexei Volodin, Klavier | Georgengarten
Das 25. Open-Air-Konzert der Chopin Gesellschaft – eine Erfolgsgeschichte!
Okka Mallek
Hannover, 25.08.2013
Der spätsommerliche Augustsonntag stand ganz im Zeichen eines Jubiläums, als die hannoversche Chopin Gesellschaft zum 25. Mal ihr traditionelles Open-Air-Konzert im Georgengarten ausrichtete. Geschätzt 8.000 treue Fans ließen sich dieses Ereignis nicht entgehen, zumal das Wetter es zuließ, sich auf einer Wiese zum Picknick niederzulassen und, das ist wohl das Wesentliche, weil das Programm und die eingeladenen Künstler viel versprechend waren.
Wie in all den Jahren zuvor, spielte das Junge Sinfonieorchester Hannover unter der Leitung von Tobias Rokahr, der mit seinem zupackenden, schwungvollen Dirigierstil die Musiker immer wieder zu erstaunlichen Leistungen herausforderte. Als Solisten waren der Bariton Matthias Winckhler, Preisträger des Leipziger Bachwettbewerbs, und der international gefeierte Pianist Alexei Volodin eingeladen. Das Programm war russisch/italienisch geprägt. Nach den Begrüßungsworten durch die Präsidentin der Chopin Gesellschaft, Frau Sookie Schober, und der hannoverschen Kulturdezernentin, Frau Marlis Drevermann, spielte das Orchester Tschaikowskis Capriccio Italien. Seit seiner Uraufführung im Jahre 1880 ist dieses beliebte Orchesterwerk ein Publikumsrenner. Inspiriert durch eine Romreise im Jahre 1879/80 verarbeitete Tschaikowski in diesem fantasievollen Stück italienische Volksmusik und verband sie mit traditionellen Kompositionstechniken.
Große Sympathie konnte der Bariton Matthias Winckhler mit einer hervorragenden Interpretation italienischer Arien gewinnen. Donizettis Arien „Come paride vezzoso“ aus „L´elisier d àmore“ und „Bella siccome un angelo“ aus „Don Pasquale“, beide Opern gehören zur Gattung Opera buffa, wurden von Matthias Winckhler mit warmer Stimme und sauberer Intonation vorgetragen. Ebenso die Arie des Riccardo „Ah per sempre io ti perdei“ aus dem ersten Akt der romantischen Oper „I Puritani“ von Bellini. Glücklicherweise musste der Künstler wegen der nicht rechtzeitig überreichten Blumen nochmals auf die Bühne applaudiert werden und so konnte er mehrfach die ihm zustehenden Ovationen in Form von Bravorufen entgegennehmen. Ein Sänger, den man gern auch als Liedinterpreten hören möchte.
Die Umbaupause ließ den Zuhörern Zeit und Muße, mitgebrachte kulinarische Köstlichkeiten zu genießen, bevor eines der populärsten und technisch anspruchvollsten Klavierkonzerte von dem russischen Pianisten Alexei Volodin dargeboten wurde. Mit atemberaubender Virtuosität und glänzender Tongebung spielte Volodin das 3. Klavierkonzert von Sergei Rachmaninoff. Bereits das verhaltene melancholische Anfangsmotiv mit seiner anrührenden Schlichtheit verzauberte die Zuhörer. Volodin gelang es, die dramatische Entwicklung des Werkes, das in einem wahren Klangrausch endet, dem Hörer nahe zu bringen. Der begeisterte Applaus forderte eine Zugabe und so kam der Namenspatron der Gesellschaft auch noch zu Ehren, als Volodin den cis-Moll Walzer Op. 64 von Chopin mit viel Agogik und dynamischer Vielfalt extrem spannungsreich gestaltete und ca. 8.000 Menschen möglicherweise glücklicher nach Hause gehen ließ, als sie gekommen waren.
Alexei Volodin
geboren 1977 in St. Petersburg, erhielt bereits im Alter von zehn Jahren Unterricht an der Gnessin Spezial-Musikschule in Moskau. Mit 17 Jahren setzte er seine Ausbildung bei Prof. Elisso Virsaladze am Moskauer Konservatorium fort. 2001/02 studierte er an der International Piano Foundation Theo Lieven in Como. 2003 gewann er in Zürich den 1. Preis beim 9. Concours Géza Anda, dem er seinen internationalen Karrieredurchbruch verdankt.
Bei seinem Debütrezital im Mai 2005 im Théâtre des Champs Elysées feierte Alexei Volodin in Paris einen derartigen Erfolg, dass spontane Wiedereinladungen für die kommenden Saisons folgten. Alexei Volodin gab Rezitale in Wien, Frankfurt, Baden-Baden, Düsseldorf, Zürich, Madrid, Barcelona, Lyon, Mailand, Rom, Bologna, Ferrara, St. Petersburg, München, beim Klavierfestival Ruhr, beim Festival Heidelberger Frühling, beim Lucerne Festival, beim Festival „Piano aux Jacobins“ in Toulouse, beim Festival de Radio France-Montpellier, beim Ruhr-Festival und beim Klavierfestival in La Roque d’Anthéron.
Alexei Volodin gehört zu den herausragendsten Pianisten seiner Generation. Die internationale Presse würdigt seine atemberaubende Technik, sein breitgefächertes Repertoire und bezeichnet ihn als betörenden Klangfarbenmagier und stilsicheren Interpreten.
Der Bariton Matthias Winckhler
wurde in München geboren. Er studiert derzeit an der Universität Mozarteum Salzburg. Er ist Preisträger beim Internationalen Johann Sebastian Bach Wettbewerb in Leipzig und beim Bundeswettbewerb Gesang in Berlin. Sein Konzertrepertoire reicht von der Musik Bachs bis hin zu Uraufführungen. Er arbeitete in diesem Bereich mit Dirigenten wie Helmuth Rilling, Reinhard Goebel und Gerd Guglhör. Auf der Opernbühne verkörperte er bisher den Guglielmo, den Graf Almaviva, sowie den Belcore in Donzettis Liebestrank. CD Aufnahmen u.a. mit dem Bayerischen Rundfunk runden sein küstlerisches Schaffen ab. Matthias Winckhler ist Stipendiat der Hamel Stiftung 2012.
Das Junge Sinfonie Orchester Hannover
gilt seit seiner Gründung 1961 durch Prof. Barbara Koerppen und Prof. Heinz Hennig als fester Bestandteil des Hannoverschen Kulturlebens. Es hat über 80 Mitglieder im Alter zwischen 14 und 40 Jahren und besteht aus Schülern, aus Studenten aller Fachrichtungen, sowie aus jungen Berufstätigen. Damit nimmt das JSO eine besondere Stellung innerhalb der Musikszene für Jugendliche in Hannover ein: Durch das Zusammenspiel der erfahrenen älteren Mitglieder mit instrumental bereits gut ausgebildeten, aber im Orchesterspiel noch ungeübten jüngeren Mitgliedern hat sich ein Klangkörper entwickelt, dessen Niveau inzwischen weit über Hannovers Stadtgrenzen bekannt ist.
Der große Wert des Orchesters liegt in der Gelegenheit, möglichst viele junge Instrumentalisten die Orchestergemeinschaft bei Reisen, Konzerten und Probenfreizeiten erleben lassen zu können. In gemeinsamen Konzerten und bei freundschaftlichen Begegnungen knüpfte das JSO bei Konzertreisen Kontakte zu jugendlichen Musikgruppen in England und Frankreich, später auch in Amerika, Schweden, Italien, Kenia, der Türkei und Spanien und pflegte auch die Verbindungen zu Hannovers Partnerstädten. Verschiedene Rundfunkanstalten und Verlage luden das JSO zu Produktionen ein; diverse CDs liegen vor (siehe CDs & LPs). Junge Solisten aus aller Welt konzertierten mit dem Orchester. Die Finanzierung des Orchesters erfolgt im Wesentlichen aus Konzerteinnahmen, aus Beihilfen der Landeshauptstadt Hannover und aus den Spenden begeisterter Förderer an den Trägerverein „Freundeskreis des JSO“
Seit 1989 gibt das JSO jährlich im Spätsommer im Georgengarten Hannover ein Open-Air-Konzert, das jedes Mal ca. 5000 Zuhörer anlockt. Bei den von der Chopin-Gesellschaft organisierten Konzerten wird vor allem jungen, hochbegabten Solisten eine Auftrittsmöglichkeit mit Orchester gegeben.
Tobias Rokahr
geboren 1972, seit 1997 Dirigent des JSO. Nach dem Abitur studierte er an der Hochschule für Musik und Theater Hannover Schulmusik, Germanistik, Musiktheorie und Gehörbildung sowie an der Hochschule für Musik Detmold Dirigieren bei Prof. K.-H. Bloemeke. Er war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes, besuchte Meisterkurse für Dirigenten, u.a. bei Sir Colin Davis, und war von 2003 bis 2009 Juniorprofessor für Musiktheorie und Gehörbildung an der Hochschule für Musik Mainz. 2004 verlieh ihm die Johannes Gutenberg-Universität Mainz den „Preis für exzellente Lehre“. Seit dem Sommersemester 2009 ist er Professor für Gehörbildung und Tonsatz an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig. Daneben stehen Publikationen zu musikwissenschaftlichen und musikpädagogischen Themen.
Im Jahr 1997 übernahm er die Leitung des Jungen Sinfonieorchesters Hannover von A. Plate und M. Brauß. Seither widmet er sich engagiert der Aufgabe, das hohe Niveau des Orchesters zu erhalten und auszubauen, um dessen festen Platz im Kulturleben der Stadt und im überregionalen Raum zu wahren. Im alljährlichen großen Open Air Konzert der Chopin Gesellschaft Hannover konzertiert er mit Preisträgern der großen internationalen Wettbewerbe, so z. B. Frank Braley, Eugene Mursky oder Gwyneth Chen. Der Erfolg dieser Arbeit ist dokumentiert in mehreren Radioportraits des NDR, so z. B. in der NDR-Sendung „Start – Junge Künstler stellen sich vor“ im Mai 2002. Im selben Jahr wurde er künstlerischer Leiter der helios kammerphilharmonie, einem ambitionierten Ensemble aus jungen Berufsmusikern. Wiederholt konzertiert er mit der Rheinischen Orchesterakademie Mainz.
Neben seiner Unterrichts- und Dirigententätigkeit arbeitet Tobias Rokahr als Komponist; 1996 gewann er den 1. Preis beim Kompositionswettbewerb des Landesmusikrates in Zusammenarbeit mit dem Göttinger Symphonie Orchester. Daneben stehen Bühnenmusiken (FU Berlin), Liedkompositionen und diverse Aufführungen von Orchesterwerken, u.a. noch zu Schulzeiten beim Internationalen Braunschweig Classix Festival.
Programm
Peter Iljitsch Tschaikowski | Capriccio Italien A-Dur op. 45 |
Gaetano Donizetti | Come paride vezzoso (L’Elisir d’amore) Bella siccome un angelo (don Pasquale) |
Vincenzo Bellini | Ah per sempre io ti perdei (I Puritani) |
Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow | Klavierkonzert Nr. 3 d-Moll op. 30 |