8 | Klavierabend

Jonathan Gilad, Klavier | HANNOVER Rückversicherung 

Der Franzose mit den flinken Fingern

Zum Abschluss der diesjährigen Konzertsaison musste die Chopin-Gesellschaft eine Änderung des geplanten Programms vornehmen, da die ursprünglich angekündigte Pianisten Ewa Kupiec erkrankt war. Sie wurde von dem jungen französischen Pianisten Jonathan Gilad ersetzt und wie sich schon nach wenigen Takten herausstellte, war dieser Ersatz sehr gelungen.

Die Fabrikhallenarchitektur der Hannover-Rückversicherung, in der das Konzert stattfand, wurde durch den in der Mitte des Saales platzierten Flügel, der mit weihnachtlichem Schmuck und Lichterketten kunstvoll umrahmt war, ihrer Nüchternheit enthoben und entsprach so dem lyrischen und klangvollen Spiel des außergewöhnlichen Musikers, der erstmals in der hannoverschen Chopin-Gesellschaft vorgestellt wurde. Mit seiner überzeugenden Interpretation der Klaviersonate Op. 32, der so genannten „Sturmsonate“ von Beethoven, sowie den vier Impromptus von Chopin und den Händel-Variationen von Brahms entfachte Gilad, der bereits als Solist sowie als Kammermusikpartner namhafter Solisten eine feste Größe in der Musikwelt ist, einen großen Beifallsturm. 

Seine intelligente Herangehensweise an die Werke und seine unglaubliche Vitalität machten sein Spiel zu einem wahren Klangerlebnis. Mit atemberaubender Fingerfertigkeit gestaltete er transparent und anschaulich. Die Geschlossenheit und Dichte der ersten beiden Sätze der Beethovenschen Sonate in d-Moll mit ihren arpeggierten Anfangsmotiven war von sinnlicher Schönheit geprägt und die konstante Sechzehntelmotorik des dritten Satzes gelang mit außerordentlicher Grazie. Mit Eleganz und ganz im Stil gehobener Salonmusik gestaltete Gilad die vier Impromptus von Chopin. Wie improvisierte Fantasien wirkten diese bezaubernden Werke mit ihren lyrischen Seitenthemen und den schillernden Eckpfeilern. 

Nach der Pause, in der das Publikum mit weihnachtlichem Gebäck und Wein auf den Advent eingestimmt wurde, präsentierte Jonathan Gilad eines der bedeutendsten Variationswerke der Klavierliteratur, die Händel-Variationen von Johannes Brahms. In diesem Werk, dem ein Thema aus Georg Friedrich Händels erster Cembalo-Suite in B-Dur vorangestellt ist, kommen alle Register des Klavierklanges zum Einsatz. Nach der grazilen Anfangsarie entfalten sich 25 Variationen in unterschiedlichster Stimmung. Gilad gelang es, von zarten, subtilen Klängen zu vollgriffigen, von düsteren zu lichten Farben zu wechseln und so eine Einheit herzustellen, die mit der abschließenden Fuge ihren Höhepunkt und eine unglaubliche Komplexität der Polyphonie erreicht.

Mit zwei Zugaben bewies Gilad nochmals seine Vielseitigkeit, wobei besonders der dritte Satz der F-Dur Sonate KV 332 von Wolfgang Amadeus Mozart einen großen Virtuosen und Klanggestalter verriet. Da das Adventskonzert der Chopin-Gesellschaft traditionsgemäß am Folgetag zu Gunsten der HAZ Weihnachtshilfe wiederholt wird, dürfen sich die Fans freuen.

Okka Mallek
Hannover, 08. 12. 2013

Jonathan Gilad

Als eine der außergewöhnlichsten Klavierbegabungen seiner Generation hat der junge französische Pianist Jonathan Gilad die Aufmerksamkeit der Musikwelt auf sich gelenkt. Jonathan Gilad begann im Alter von vier Jahren mit dem Klavierspiel und studierte bei Dmitri Bashkirov in Madrid. Bereits drei Jahre nach Beginn seiner Ausbildung am Konservatorium in Marseille gewann er als Elfjähriger den „Premier Grand Prix de la Ville de Marseille“ und die Goldmedaille in der Kammermusikklasse. Weitere Auszeichnungen erhielt er beim Mozartwettbewerb in Paris, beim internationalen Wettbewerb „Prémio Mozart“ in Genf und am Mozarteum Salzburg. 

An der Fondation Internationale de Piano de Cadenabbia arbeitete er mit großartigen Professoren wie Karl-Ulrich Schnabel, Leon Fleisher und Fou-Tsong zusammen. Er konzertierte bereits bei bedeutenden europäischen Festivals wie Verbier, Rheingau, Mecklenburg-Vorpommern, Ruhr, Schwetzingen, Moskau, St. Petersburg, Luzern, Turku, Kuhmo, La Roque d’Anthéron, Santander sowie in den USA beim Ravinia Festival und gab Soloabende in London, Paris, Wien, München, Berlin, Amsterdam, Mailand, Genf, Luzern, St. Petersburg und New York. Als Solist gastierte Jonathan Gilad mit dem Israel Philharmonic Orchestra unter Zubin Mehta, dem Chicago Symphony Orchestra unter Daniel Barenboim und Pinchas Zukerman, dem Boston Symphony Orchestra unter Seiji Ozawa, dem Orchestre de Paris und dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter Osmo Vänskä.

Eine USA-Tournee mit den St. Petersburger Philharmonikern unter Yuri Temirkanov führte ihn in die Carnegie Hall New York sowie nach Chicago und San Francisco. Weitere Einladungen erfolgten u. a. vom Rundfunksinfonieorchester Berlin, dem WDR Sinfonie Orchester Köln, dem Stuttgarter Kammerorchester, dem Radio-Sinfonieorchester Prag, dem Orquestra Sinfonica do Estado de São Paulo und dem Orchestre de la Suisse Romande. 

Den gesamten Beethovenzyklus spielte er mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra. Zuletzt trat Jonathan Gilad mit dem Russischen Nationalorchester in München und Nürnberg auf, spielte in der Alten Oper Frankfurt mit dem Frankfurter Museumsorchester und der Jungen Deutschen Philharmonie, gab Gastspiele im Pariser Théâtre du Châtelet sowie im Théâtre des Champs-Elysée mit dem Orchestre National de France und war zudem in der Kölner Philharmonie, in Verbier, Stavanger und Jerusalem zu hören. Als Solist war Jonathan Gilad 2011 mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unterwegs und unternahm mit dem Orchestre Philharmonique de Liège im selben Jahr eine ausgedehnte Südamerika Tournee. 

Äusserst erfolgreiche Konzerte gab er mit den Kammusikpartnern Daniel Müller-Schott und Viviane Hagner in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Neben diesen trat er ausserdem mit Julia Fischer, Nikolaj Znaider, den Geschwistern Renaud und Gautier Capuçon. Im Sommer 2012 spielte er mit Daniel Hope und Li-Wie Qin bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern. 

Programm

Ludwig van BeethovenKlaviersonate „der Sturm“
Frédéric Chopin4 Impromtus
Johannes BrahmsVariationen und die Fuge über ein Thema von Hände