5 | Matinéekonzert mit Picknick

Ben Kim, Klavier | Wasserschloß Hülsede


Frischer Wind aus Westen – der amerikanische Pianist Ben Kim

Wo früher Getreide gelagert und Korn gedroschen wurde, erlebten Mitglieder und Freunde der Chopin-Gesellschaft Hannover ihr diesjähriges Matinéekonzert. Wie auch im Jahr zuvor war das Wasserschloss Hülsede Ziel dieser traditionsreichen Veranstaltung. Das beeindruckende Schloss im Stil der Weserrenaissance mit seiner original erhaltenen Bausubstanz bietet Platz für Veranstaltungen verschiedener Art, wobei die so genannte Rokkenscheune mit ihren Kalksteinmauern und dem schlichten Steinboden einen ganz eigenen Charme entfaltet, der durch die indirekte Wandbeleuchtung und Kerzenlicht ein besonderes Flair bekommt und nicht zuletzt mit einer hervorragenden Akustik ausgestattet ist. Ein besonderer Ort für ein besonderes Konzerterlebnis. 

Alle die sich für das Wetter „verantwortlich“ fühlten, durften sich auf die Schulter klopfen, denn eine leichte Sommerbrise und viel Sonnenschein sorgten für gute Laune und Heiterkeit bei den zahlreichen Besuchern.

Der amerikanische Pianist mit koreanischen Wurzeln, Ben Kim, war für dieses 34. Matinéekonzert eingeladen. Kim präsentierte ein ansprechendes Programm, er beschränkte sich hierbei auf Werke von Mozart und Chopin. In der ersten Konzerthälfte hatten die Zuhörer Gelegenheit, sich ganz auf die Tonsprache Mozarts einzulassen und schon nach den ersten Takten der zwölf Variationen über „Ah, vous dirais-je, Maman“ wurde deutlich, dass Ben Kim einen klaren, puren Mozart ohne Schnörkel und  Manieriertheit bevorzugt. Eine gute Entscheidung, denn alles andere wäre verfälscht. Mit sauberer Pedalführung und angemessenen Tempi kristallisierte Kim jede Phrase und jedes Motiv dieses genialen Variationswerkes hervorragend heraus. Ebenso überzeugend und mit klanglicher und technischer Brillanz gelang dem jungen Künstler das Rondo in F-Dur sowie die Klaviersonate KV 332. Die schnellen Ecksätze dieses 1778 in Paris entstandenen Werkes standen in schönem Kontrast zum langsamen Mittelsatz, der trotz seines pulsierenden Rhythmus mit seinen ständigen Punktierungen und Verzierungen eine erhabene Ruhe verströmt. Ein wundervolles Mozartspiel.

Der zweite Konzertteil war dem romantischen Klavierkomponisten Frédéric Chopin gewidmet. Die vier Scherzi gehören zu seinen bedeutendsten Werken und sind durch ihre extremen Tempi und pianistischen Anforderungen eine große Herausforderung für jeden Pianisten. Das erste Scherzo, h-Moll, wild und virtuos, nahm Kim kraftvoll, zupackend und mit viel Energie. Ebenso das populäre, 1837 komponierte zweite Scherzo in b-Moll mit seinen düsteren Anfangstriolen, einem kantablen Seitenthema und eruptiver Coda. Kim spielte mit Intensität und großem physischem Einsatz. Auch das dritte Scherzo, cis-Moll,  in dem Oktavpassagen beider Hände und ein klangpoetisch überirdisch schöner Mittelteil immer wieder faszinieren, gelang Kim mit unglaublicher Präzision. Das vierte Scherzo ließ kleine Konzentrationsschwächen erkennen – verständlich nach so ausnehmend viel schöner und sehr intensiver Interpretation.

Als Zugabe wählte Kim die Aria aus den Goldbergvariationen von Johann Sebastian Bach und man könnte vermuten, dass im nächsten Konzert die 30 meisterhaften Variationen, die dieser Aria folgen, auf dem Programm stehen. Schön wäre es ja.

Dem musikalisch inspirierenden Vormittag folgte ein sehr delikates, reichhaltiges Picknick in allen Geschmacksvariationen im Schlossgarten und wer mochte, konnte sich einer Schlossführung anschließen. Ein unvergesslicher Sommertag!

Okka Mallek
Hannover, 06.07.2014

Ben Kim

Der amerikanische Pianist Ben Kim erweist sich als Ausnahmetalent und genießt einen wachsenden internationalen Ruf als ein Musiker von ungewöhnlicher Reife und Integrität. Seine Interpretationen werden von Kritik und Publikum gleichermaßen gefeiert, insbesondere für stilistisches Feingefühl und emotionale Intensität.

Ben Kim rückte ins Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit, als er 2006 den 55. Internationalen ARD Musikwettbewerb in München gewann. Er weckte das Interesse des legendären Pianisten Leon Fleisher, der Ben Kims „enormes Potential für eine Weltkarriere“ erkannte und zu seinem Lehrer und Mentor wurde. Ben Kims Engagements an Häusern wie Carnegie Hall, Kennedy Center, Konzerthaus Berlin und der Philharmonischen Halle Warschau ernteten großes Lob bei der Kritik, ebenso wie seine Auftritte bei Festivals wie Aspen, Ravinia, und dem Klavier-Festival Ruhr. Jüngste Orchesterengagements waren u. a. Auftritte mit dem Orchester des Bayrischen Rundfunks sowie den Symphonieorchester von Baltimore, Hermitage State Sankt Petersburg und Seoul.

Ben Kim konzertiert regelmäßig in den USA, Europa und Asien. 2009 feierte er sein Debüt in Carnegie Hall mit den Olympus Chamber Players, 2010 debütierte er in Suntory Hall in Tokyo. Weitere wichtige Debüts folgten, etwa in der Berliner Philharmonie, der Liederhalle Stuttgart sowie dem Leipziger Gewandhaus. Ben Kim arbeitet regelmäßig mit der Philharmonie Brno zusammen. Seit Sommer 2012 unterrichtet Ben Kim als Gastdozent am Bowdoin Summer Music Festival sowie bei der Valencia International Piano Academy.

Ben wurde 1983 geboren und wuchs in Portland/Oregon auf, wo er im Alter von 5 Jahren sein Klavierstudium bei Dorothy Fahlman begann. Im Alter von 20 Jahren schloss Ben Kim sein Studium am Peabody Conservatory in Baltimore ab, wo er bei Leon Fleisher und später auch bei Yong Hi Moon studierte.

Programm 

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)Zwölf Variationen in C-Dur KV 265
– „Ah, vous dirais-je, Madam“
Rondo in F-Dur KV 494
– Andante
Klaviersonate Nr. 12 in F-Dur KV 332
– Allegro
– Adagio
– Allegro assai
Frédéric Chopin (1810-1849)Vier Scherzi
Nr. 1 h-Moll op 20
Nr. 2 b-Moll op 31
Nr. 3 cis-Moll op 39
Nr. 4 E-Dur op 54