6 | 26. Open-Air Konzert

Junges Sinfonie Orchester Hannover, Tobias Rokahr; K. Rajeshkumar, Klavier; S. Hasselhorn, I. Martincevic, Gesang | Georgengarten


Very British!

The same procedure as last year? – Nein, durchaus nicht. Zum 26. Mal jährte sich das Open-Air Konzert der hannoverschen Chopin-Gesellschaft und jedes Ereignis hatte bisher seine ganz eigene Prägung.
In diesem Jahr wurde die Personalunion zwischen Hannover und Großbritannien hervorgehoben, um das 300-jährige Jubiläum dieses bedeutenden historischen Ereignisses zu würdigen. Selbst das Wetter gab sich „very British“. Der Himmel war in einheitliches Grau gehüllt und das Gras noch feucht von leichtem Nieselregen. Ein befürchteter Regenschauer blieb glücklicherweise aus und die Luft war spätsommerlich warm. So konnten etwa 4.000 Liebhaber der Musik und Anglophilie einen ungetrübten Nachmittag im Georgengarten genießen. 

Die launigen Begrüßungsworte der Präsidentin der Chopin-Gesellschaft und des britischen Generalkonsuls ließen bereits vermuten, dass dieser Konzertnachmittag wieder zu den besonderen Ereignissen des kulturellen Lebens der Stadt gehört.

Wie in den Jahren zuvor, war das Junge Sinfonieorchester Hannover mit seinem Dirigenten Tobias Rokahr verpflichtet worden. Zupackend und mit der nötigen Verve führte Rokahr die Musiker durch die schwungvolle Musik von Edward Elgars „Pomp & Circumstances“. Als die populären ersten zwei Märsche aus dieser eingängigen und unterhaltsamen Musik erklangen, konnte es sich kaum einer verkneifen, bekannte Themen mitzusummen und dabei die britische Fahne zu schwingen. Ganz nach dem Vorbild der berühmten Londoner Promskonzerte. 

Zwei junge Gesangsolisten, der Bassbariton Sönke Tams Freier und die Sopranistin Iva Martincevic, rundeten mit „Six Songs from Britain“ das Programm ab. Sönke Tams Freier ist bereits ein gefragter Lied- und Oratoriensänger und verfügt über ein großes Repertoire. Iva Martincevic ist Preisträgerin verschiedener Wettbewerbe und Stipendiatin der „Walter und Charlotte Hamel Stiftung Hannover“. Begleitet vom Jungen Sinfonieorchester stellten sie traditionelle britische Lieder in unterschiedlichen Arrangements vor. So erlebte der Zuhörer das altenglische Volkslied Greensleeves in einer modernen Version und auch der Song „Land of Hope and Glory“ fehlte nicht, schließlich gilt dieses Lied als inoffizielle britische Nationalhymne. In Edward Elgars erstem Marsch aus „Poms & Circumstances“ war das Thema bereits zu hören. Zum Mitsingen des im Programmheft abgedruckten Refrains ermutigte Rokahr das Publikum, das freudig und Fahnen schwingend zum Akteur wurde. Eine entspannte Atmosphäre breitete sich aus und kein Sonnenstrahl hätte eine bessere Stimmung auslösen können.

Die Umbaupause bot Gelegenheit für den Verzehr mitgebrachter Köstlichkeiten und zum Einstimmen auf das zweite Konzert für Klavier und Orchester A-Dur von Franz Liszt, das von dem in London geborenen Pianisten Kausikan Rajeshkumar präzise und klangvoll dargeboten wurde. Rajeshkumar gewann 2009 den internationalen Franz Liszt Wettbewerb in Weimar, derzeit bereitet er sich auf sein Konzertdiplom am College of Music in London vor. Seine Interpretation des Konzertes war fein durchdacht und alle sechs ineinander übergehenden Sätze waren ihrem Charakter entsprechend anschaulich und brillant gestaltet. Mit einer zarten Mazurka von Chopin bedankte sich dieser sympathische junge Pianist bei seinem Publikum, das aber noch gezielt und lautstark einen triumphalen Abschluss einforderte, so dass Tobias Rokahr das Orchester wieder auf die Bühne holte, um nochmals Elgars ersten Marsch mit seinem beliebten Thema „Land of Hope and Glory“ erklingen zu lassen. Auf das Open-Air Konzert der hannoverschen Chopin-Gesellschaft im Jahre 2015 darf man sich bereits freuen.

Okka Mallek
Hannover, 07.09.2014

Das Junge Sinfonie Orchester Hannover gilt seit seiner Gründung 1961 durch Prof. Barbara Koerppen und Prof. Heinz Hennig als fester Bestandteil des Hannoverschen Kulturlebens. Es hat über 80 Mitglieder im Alter zwischen 14 und 40 Jahren und besteht aus Schülern, aus Studenten aller Fachrichtungen, sowie aus jungen Berufstätigen. Durch das Zusammenspiel der erfahrenen älteren Mitglieder mit instrumental bereits gut ausgebildeten, aber im Orchesterspiel noch ungeübten jüngeren Mitgliedern hat sich ein Klangkörper entwickelt, dessen Niveau inzwischen weit über Hannovers Stadtgrenzen bekannt ist.

Der große Wert des Orchesters liegt in der Gelegenheit, möglichst viele junge Instrumentalisten die Orchestergemeinschaft bei Reisen, Konzerten und Probenfreizeiten erleben lassen zu können. In gemeinsamen Konzerten und bei freundschaftlichen Begegnungen knüpfte das JSO bei Konzertreisen Kontakte zu jugendlichen Musikgruppen in England und Frankreich, später auch in Amerika, Schweden, Italien, Kenia, der Türkei und Spanien und pflegte auch die Verbindungen zu Hannovers Partnerstädten. Die Finanzierung des Orchesters erfolgt im Wesentlichen aus Konzerteinnahmen, aus Beihilfen der Landeshauptstadt Hannover und aus den Spenden begeisterter Förderer an den Trägerverein „Freundeskreis des JSO“

Seit 1989 gibt das JSO jährlich im Spätsommer im Georgengarten Hannover ein Open-Air-Konzert, das jedes Mal ca. 5000 Zuhörer anlockt. Bei den von der Chopin-Gesellschaft organisierten Konzerten wird vor allem jungen, hochbegabten Solisten eine Auftrittsmöglichkeit mit Orchester gegeben. 

Tobias Rokahr, geboren 1972, studierte an der Hochschule für Musik und Theater Hannover Schulmusik, Germanistik, Musiktheorie und Gehörbildung sowie an der Hochschule für Musik Detmold Dirigieren bei Prof. K.-H. Bloemeke. Er war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes und besuchte Meisterkurse für Dirigenten, u.a. bei Sir Colin Davis. Im Jahr 1997 übernahm er die Leitung des Jungen Sinfonieorchesters Hannover.

Von 2003 bis 2009 war Tobias Rokahr Juniorprofessor für Musiktheorie und Gehörbildung an der Hochschule für Musik Mainz. 2004 verlieh ihm die Johannes Gutenberg-Universität Mainz den „Preis für exzellente Lehre“. Von Sommersemester 2009 bis Sommersemester 2013 lehrt Rokahr als Professor für Gehörbildung und Tonsatz an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig. Zum 1. Oktober 2013 hat Tobias Rokahr den Ruf auf die Professur für Musiktheorie an der HMTMH angenommen.

Im Jahr 1997 übernahm er die Leitung des Jungen Sinfonieorchesters Hannover. Im alljährlichen großen Open Air Konzert der Chopin Gesellschaft Hannover konzertiert er mit Preisträgern der großen internationalen Wettbewerbe, so z. B. Frank Braley, Eugene Mursky oder Gwyneth Chen. 

Neben seiner Unterrichts- und Dirigententätigkeit arbeitet Tobias Rokahr als Komponist; 1996 gewann er den 1. Preis beim Kompositionswettbewerb des Landesmusikrates in Zusammenarbeit mit dem Göttinger Symphonie Orchester. Daneben stehen Bühnenmusiken (FU Berlin), Liedkompositionen und diverse Aufführungen von Orchesterwerken, u.a. noch zu Schulzeiten beim Internationalen Braunschweig Classix Festival.

Der Bariton Sönke Tams Freier (*1989) wurde im Neuen Knabenchor Hamburg groß. Seit 2008 studiert er an der Musikhochschule Lübeck. Sein Repertoire reicht von Alter Musik bis hin zu zeitgenössischen Werken, von Oratoriengesang über Liedgesang bis zur Oper. Schon jetzt ist Sönke gefragter Bühnen- und Konzertsänger, Soloengagements führten ihn kürzlich nach China, Kasachstan, Belgien, Frankreich und Dänemark. Mit dem preisgekrönten Männerquartett Quartonal konzertiert Sönke europaweit, im Herbst 2013 erschien Quartonals erstes Album „Another Way“ bei Sony Classical.


Iva Martincevic, Sopran, wurde 1991 in Kroatien geboren. Schon als Kind beschäftigte sie sich mit der Musik. Zunächst sang sie im Kinderchor danach kam das Klavierspiel hinzu. In einem Musikgymnasium studierte sie Sologesang und nahm an vielen Wettbewerben teil. 2008 gewann sie in der Slowakei den 1. Preis im internationalen Gesangswettbewerb ‚Iuventus Canti‘. Seit 2008 studiert sie an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien bei Prof. Gabriele Lechner. Im Mai 2010 gewann sie ein Stipendium der „Walter und Charlotte Hamel Stiftung“ in Hannover. 

Kausikan Rajeshkumar wurde 1990 in London geboren und begann im Alter von sieben Jahren mit dem Klavierspiel. Er hatte bereits zahlreiche Auftritte in Großbritannien und im Ausland, darunter in der Royal Festival Hall, Wigmore Hall und der Queen Elizabeth Hall. Seine Konzerte wurden auf BBC Radio und Fernsehen ausgestrahlt. 

Kausikan war Finalist des „BBC Young Musician of the Year“ Wettbewerbs und gewann den Internationalen Franz Liszt Wettbewerb für junge Pianisten in Weimar im Jahr 2009. Vor kurzem gewann Kausikan 1. Preis beim Internationalen Klavierwettbewerb „Maria Herrero International Piano Competition 2013“ in Spanien, den 2. Preis beim X. Internationalen Chopin-Klavierwettbewerb in Darmstadt 2013, den „McCallum Preis“ der Royal Overseas League Music Competition 2013, den 1. Preis beim RCM Schumann-Wettbewerb und die Hopkinson Goldmedaille bei der RCM.
 
Im Jahr 1999 gewann Kausikan ein Stipendium an der Purcell School of Music, wo er bei Tessa Nicholson Klavier studierte. Danach setzte er sein Studium an der Cambridge Universität fort, wo er mit Auszeichnung abschloss. Kausikan studiert derzeit für sein Konzertdiplom am Royal College of Music, wo er durch mehrere Stipendien unterstützt wird.

Programm 

Edward ElgarDrei Märsche aus „Pomp & Circumstances“ op. 39
4-5 English Songs für Gesang und Orchester
Franz Liszt Klavierkonzert Nr. 2 A-Dur