3 | Klavierabend

Nikolay Khozyainov - Sprengel Museum Hannover

Der unermüdliche Virtuose mit dem poetischen Klang

Wer meint, dass nach einem Klavierabend mit anspruchsvollen Werken der Romantik das Konzert mit nur einer Zugabe, dem schlichten Moment Musical f-Moll, zu Ende ginge, kennt Nikolay Khozyainov nicht. Dieser hochtalentierte Pianist bewältigte ohne sichtbare Anstrengung nach einem regulären Konzert-programm mehrere Zugaben aus dem Genre „Virtuosität“. 

Die Chopin-Gesellschaft Hannover veranstaltete im Sprengel Museum einen Klavierabend mit dem jungen Künstler, der im fernen Osten Russlands beheimatet ist und an der HMTMH bei dem namhaften Lehrer Arie Vardi seinen Feinschliff erhält.

Khozyainovs Vorliebe gilt zweifellos der großen virtuosen Literatur. Er kann es sich leisten, da er, dank hervorragender Technik und phänomenalem Gedächtnis, sozusagen unfallfrei einen solch anspruchs-vollen Konzertabend bestreitet, wie ihn zahlreich erschienene Zuhörer am vergangenen Wochenende erlebten. Neben groß angelegten Werken gab es zur Entspannung auch Salonstücke, wie sie manch fortgeschrittener Klavierschüler im Programm hat, so zum Beispiel Chopins berühmten cis-Moll Walzer, den Minutenwalzer in Des-Dur und Schumanns filigrane Arabeske Op. 18. Mit fabelhafter Leichtigkeit und ohne die geringste Übertreibung im Ausdruck gab er diesen romantischen Musikstücken etwas rührend Schlichtes und Anmutiges. Auch Chopins zweite Ballade mit ihrem ruhigen, pastoralen Eingangsthema und dem stürmischen Mittelteil in Moll atmete leicht und dennoch kraftvoll.

Wäre Paganini mit seiner teuflischen Technik nicht gewesen, gäbe es die nahezu unspielbar erscheinenden virtuosen Werke Liszts möglicherweise nicht. Unter dem Eindruck von Paganinis Auftreten in Paris soll Liszt an der Vervollkommnung der technischen Möglichkeiten des Klaviers gearbeitet haben. Viele seiner Werke belegen dies eindrucksvoll. Khozyainov, als bekennender Opernliebhaber, wie ihn die Präsidentin der Chopin-Gesellschaft in ihrer Begrüßungsrede beschrieb, spielte das Variationswerk „Hexaméron“. Diesem großen, etwa 20-minütigen, Werk liegt ein Thema aus Bellinis Oper „die Puritaner“ zugrunde. Gemeinsam mit den Komponistenkollegen Thalberg, Czerny, Herz, Pix und Chopin entstand diese grandiose Komposition. Khozyainov entführte das Publikum in die Welt der „Komponistenwerk-statt“, in der alle Möglichkeiten des modernen Konzertflügels ausgeschöpft wurden. Denkt man an die vielen technischen Studien von Herz und Czerny, an die Konzertetüden von Chopin und Lizst oder den pianistischen Wettstreit zwischen Liszt und Thalberg, dann bekommt man einen Eindruck von der Faszination, die das aufkommende Virtuosentum des 19. Jahrhunderts hervorrief. 

Khozyainov hat mit seiner Interpretation all die Herren mühelos vertreten. Er spielte brillant, stets kontrolliert und klanglich nuanciert. Niemals ließ er sich zu vordergründiger Effekthascherei verleiten, sondern behielt immer das architektonische Gerüst im Blick. Mit Schumanns schwungvoller Fantasie Op. 18, ebenfalls ein bedeutendes Werk der Romantik, schlug der Pianist nochmals den Bogen zu Liszt, dem es gewidmet ist. Auch hier zeigte sich ein Virtuose mit Tiefgang, der den programmatischen Hintergrund – es erklingen Zitate aus Beethovens Liederzyklus „An die ferne Geliebte“ und Themen aus der siebten Sinfonie – verstanden hat.

Stehende Ovationen und frenetischer Applaus wurden mit Zugaben bedacht, die für sich genommen schon einen halben Klavierabend ausmachen. Schuberts bereits erwähntes Moment Musical, zwei Opernparaphrasen sowie Grand Galop chromatique von Liszt und Bizet/Busonis Carmen-Fantasie. Glänzend dargeboten!

Ja, es war viel los in Hannover an diesem Wochenende. Hochrangiger Staatsbesuch, Eröffnung der Industrie-Messe und dann, ganz peripher, aber für Liebhaber der klassischen Musik doch sehr besonders, ein Konzert mit Nikolay Khozyainev, der an diesem Abend wohl viele neue Fans gewonnen hat.

Okka Mallek
Hannover, 24.04.2016

Nikolay Khozyainov 

wurde am 17. Juli 1992 in Blagoveshchensk im fernöstlichen Russland geboren. Mit fünf Jahren  begann er den Klavierunterricht. 1999 zog seine Familie nach Moskau und Nikolay konnte seine Ausbildung an der Zentralen Musikschule des Moskauer Konservatoriums fortsetzen. Dort hat er mit sieben Jahren bei seinem ersten Auftritt gemeinsam mit dem Symphonie Orchester des Moskauer Konservatoriums das Händel Konzert für Klavier in der großen Konzerthalle des Konservatoriums gespielt.

Seine weitere Ausbildung fand am Moskauer P.I. Tchaikovsky Konservatorium statt. Derzeit studiert Nikolay an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover unter der Anleitung von Professor Arie Vardi.

Khozyainov erhielt zahlreiche Auszeichnungen in internationalen Wettbewerben:

20031. Platz und Sonderpreis für die beste Darbietung des „Rondo-Capriccioso“ von Felix Mendelssohn beim Internationalen Pianowettbewerb „Virtuosi  per Musica di Pianoforte“ in Tschechien.     
2004 1. Platz beim Internationalen Carl Filtsch Klavierwettbewerb in Rumänien.        
2010Jüngster Endrundenteilnehmer des XVI Internationalen Fryderyk Chopin Piano Wettbewerbs in Warschau, Polen.
20121. Platz und Sonderpreis beim Dublin Internationalen Piano Wettbewerb.
 2. Platz und Gewinner des Publikumspreises beim 10th Sydney International Piano Competition in Australien. Sonderpreise für die beste Darbietung und Interpretation für die Kompositionen von Franz Liszt und Franz Schubert sowie der Virtuoso Study „for the best performance of both concertos voted by members of the Sydney Symphony Orchestra“ und „for the youngest finalist”. 
2013Erstes Klavierkonzert in der Carnegie Hall, New York.
2014Erster Auftritt in der Wigmore Hall in London.

Er hat in Russland, Polen, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Österreich, der Schweiz, Rumänien, Ungarn, der Tschechischen Republik, USA, Kanada, Japan, Australien, Malaysia, Südafrika, und in verschiedenen Ländern Lateinamerikas gespielt und als Soloist wurde er begleitet unter anderem vom Tokyo Symphony Orchestra, Sydney Symphony Orchestra, Warsaw Philharmonic Orchestra, Czech National Symphony Orchestra, dem Russischen Staatsorchester und dem Yomiuri Nippon Symphony Orchestra. 

CD Veröffentlichungen:

2011Veröffentlichung der ersten Nikolay Khozyainov  CD durch die Naxos Vertriebsgesellschaft mit Werken von Chopin und Liszt.
2012Das Chopin Institut in Warschau produziert eine CD von Nikolay Khozyainov mit Werken von Chopin.
2014Zwei Nikolay Khozyainov CDs erscheinen bei JVC Victor in Japan mit Werken von Beethoven, Schubert , Chopin und Liszt sowie Ravel, Chopin und Liszt. 

Programm

Frédéric ChopinBallade Nr. 2 „La Gracieuse“ op. 38
Walzer op. 64 Nr. 1, Nr. 2
Walzer op. 69 Nr. 2
Franz Liszt Hexameron „Grandes Variations de Bravoure sur le Marche des Puritains“
Robert SchumannArabeske op. 18 in C-Dur
Fantasie op. 17 C-Dur