2 | Klavier­abend

Alex Beyer, Klavier - Hannover Rück SE

Imponierende Virtuosität und empfindsame Musikalität 

Klaviermusik der Romantik und Spätromantik, dazu mit einer Auswahl der populärsten und aufregendsten Werke dieser Epoche – das kann nur ein unvergesslicher Konzertabend werden!

Der aus den USA stammende Pianist Alex Beyer, erst 23 Jahre alt, wählte für seinen Klavierabend bei der Chopin-Gesellschaft Hannover Kompositionen von Chopin und Rachmaninoff. Zwei Komponisten, die vorwiegend Klavierwerke schrieben, selber großartige Pianisten waren und vom aufkommenden Pathos und der Hinwendung zum schwärmerischen, gefühlvollen Ausdruck in der Kunst geprägt sind. Alex Beyer ließ sich aber nicht von Gefühlen leiten, sondern brachte dem Hörer das von ihm gut durchdachte Programm stringent und unpathetisch nahe. Die Musik lebte durch die klare Kontur und die Präzision der Darbietung. Nichts schien zufällig oder aus dem Affekt heraus gespielt. Dennoch gab es die nötige Freiheit, das Atmen und die Inspiration, die die Musik im Fluss hält und den Hörer zu fesseln vermag. 

Im ersten Teil führte der Künstler, auf seinen Wunsch ohne Applaus, durch Chopins Welt. Den Auftakt machte die zarte Berceuse op. 57, die sich im wiegenden 6/8tel Takt bewegt und nur 70 Takte umfasst, wobei sich über dem schlichten Bassfundament ein träumerischer Melodienreichtum entfaltet. Die darauf folgenden Mazurken op. 59 mögen bei Zuhörern mit absolutem Gehör für Verwirrung gesorgt haben, da die Tonartangabe im Programmheft nicht immer korrekt war und vom tatsächlich Gehörten abwich. Hier bündelte der Pianist mit offensichtlicher Spielfreude alle drei Stücke zu einem großen Tanz voll raffinierter Schattierungen und Farbigkeit. Die rhythmische Besonderheit, die diesen polnischen Nationaltänzen ihren Charakter gibt, war deutlich herauskristallisiert. Nahtlos folgte die Barcarolle op. 60 und setzte die Stimmung der tänzerischen, schlicht anmutenden Werke fort. Mit Einfachheit und Großartigkeit setzte Beyer Emotionen frei und hielt die Zuhörer im Bann. 

Ein Höhepunkt virtuoser Klaviermusik ist das populäre zweite Scherzo in b-Moll. Eine Herausforderung für jeden Pianisten und ein idealer Fall, wenn es von Alex Beyer gespielt wird. Von den düsteren Anfangstriolen bis zur energiegeladenen Coda war jedes Detail geschliffen und jede Phrase zielgerichtet. Dank wunderbarer Anschlagstechnik gelang dem Künstler eine überzeugende und sehr brillante Interpretation.

Die Welt ist reich an wunderschönen, viel beachteten Preludes. Johann Sebastian Bach lieferte hierfür die Vorgabe. Bachs Faszination für die aufkommende temperierte Stimmung, die es erlaubte, in allen Tonarten zu spielen, veranlasste ihn, durch sämtliche Tonarten Präludien und Fugen zu komponieren. Das Wohltemperierte Klavier ist das vielbeachtete Ergebnis. Ob Scrjabin, Chopin, Rachmaninoff oder Schostakowitsch, viele Komponisten haben Preludes verfasst und in verschiedenen Sammlungen veröffentlicht. Mit den 13 Preludes op. 32 komplettierte Rachmaninoff seine Vorgabe, 24 Preludes, nach Bachs Vorbild, zu schreiben. Satztechnisch komplizierte Werke sind es geworden, klanglich expressiv und in die Zukunft weisend. Ohne raumgreifende Gesten, mit einer wohltuenden Natürlichkeit gelang Beyer trotz der immensen pianistischen Schwierigkeit des Zyklus ein brillanter Abschluss des Abends, der noch mit einer Zugabe, der Arpeggien-Etüde op. 25,1 von Chopin, bereichert wurde.

Alex Beyer am Flügel wirkt so selbstverständlich und mühelos, als habe er nie etwas anderes getan. Der Leser seiner Biografie wird daher überrascht sein, zu erfahren, dass dieser junge Mann „ganz nebenbei“ Mathematik studiert und begeisterter Fussball- und Tennisspieler ist. 

Okka Mallek
Hannover, 04.03.2018

Künstlerportrait

Alex Beyer, 23 Jahre alt, hat für seine Auftritte national und international warmes Lob erhalten. 2016 war er Bronzemedaillengewinner im Queen Elisabeth Wettbewerb und wurde als einer von fünf Finalisten der American Pianists Association Awards ausgezeichnet. 2015 gewann er den sechsten Preis beim US Chopin Wettbewerb und war Gewinner des dritten Preises beim Internationalen Klavierwettbewerb in Dublin 2015.

Studiert hat bei Yoshie Akimoto, Matti Raekallio und Melvin Chen und derzeit bei Russell Sherman und Wha Kyung Byun am New England Conservatory, zusätzlich studiert er Mathematik in Harvard. 

Im vergangenen Jahr war er Gastsolist bei den Brüsseler Philharmonikern, dem Nationalen Orchester Belgiens, dem Royal Orchester of Wallonia, dem Harvard Radcliffe Orchestra und dem Irish National Symphony Orchestra. Er hat unter anderem mit den Orchestern Milwaukee, Charlotte, Hartford, New Haven, Waterbury und Bridgeport gespielt. 

Er arbeitete mit den Dirigenten Stephane Denève, Marin Alsop, Paul Meyer, Federico Cortese, Alan Buribajew, Grzegorz Nowak, Constantine Kitsopoulos, T. Francis Wada, Carolyn Kuan, Leif Bjaland und Gustav Meier zusammen und trat regelmäßig mit Nicholas Kitchen und Yeesun Kim, den Gründungsmitgliedern des Borromeo String Quartets, auf. Er trat vor kurzem im Palais des Beaux Arts, im Flagey Studio 4, in der Irish National Concert Hall, im Baryshnikov Arts Centre, in Paul Hall, im Stamford Palace Theatre, in der Weill Recital Hall, im New World Center und in der Woolsey Hall auf. Als Gewinner des Harvard Radcliffe Orchestra Konzertwettbewerbs gab er 2015 sein Sanders Theater Debüt und als Gewinner des NEC Piano Honors Wettbewerbs debütierte er 2014 in der Jordan Hall.

Beyer hat viele Benefizkonzerte für die Pequot Library, Project Learn, Music for Youth, Mercy Learning Center und KEYS aufgeführt. Als leidenschaftlicher Musikhistoriker etablierte er die Vortragskonzertreihe „Sundays at 4“ und setzt sie im Sommer 2016 mit „Summer Soirees“ in der Pequot Library in Southport, Connecticut, fort.

Programm 

Frédéric ChopinBerceuse in Des-Dur op. 57
Drei Mazurken op. 59
Barcarolle Fis-Dur op. 60
 Scherzo Nr. 2 in b-Moll, op. 31
  
Sergei W. Rachmaninow13 Präludien op. 32