Charles Richard-Hamelin, Klavier - Rittergut Remeringhausen
Ein Sommertag im Schaumburger Land
Es ist erstaunlich, dass sich ein Ereignis jährlich wiederholen kann und dennoch immer wieder spannend und einzigartig ist. Gemeint ist das Matinéekonzert der Chopin-Gesellschaft Hannover. Bereits zum 38. Mal fand es in diesem Jahr statt. Das Rittergut Remeringhausen war in diesem Sommer das Ziel der Landpartie. Zum 5. Mal war die Chopin-Gesellschaft nun zu Gast in dieser idyllischen Anlage im Schaumburger Land. Eine neu erbaute Veranstaltungsscheune, die sich architektonisch unaufdringlich an die bestehenden historischen Gebäude angleicht, bot komfortable Bedingungen für ein Klavierkonzert mit dem Pianisten Charles Richard-Hamelin. Chopin und Schumann standen auf dem Programm. Zwei Komponisten der Hochromantik und Schöpfer bedeutender Klavierwerke.
Vor zwei Jahren glänzte Richard-Hamelin bereits bei der Chopin-Gesellschaft mit einem Chopin-Programm in der Christuskirche Hannover. Die Erwartungen waren dementsprechend hoch und wohl niemand wurde enttäuscht. Der junge Kanadier zeichnet sich durch eine klar durchdachte Sichtweise der Werke aus. Nichts verschwindet im Ungefähren, keine musikalische Frage bleibt unbeantwortet, was besonders bei der anspruchsvollen Klaviersonate fis-Moll von Robert Schumann eine enorme Herausforderung darstellt. Dieses hoch komplexe Werk, technisch und musikalisch gleichermaßen anspruchsvoll, ist ein sehr persönliches Bekenntnis des Komponisten. Das dualistische Prinzip der unterschiedlichen Charaktere der fiktiven Gestalten Florestan und Eusebius, das viele Werke Schumanns durchzieht, deutet auf den biografischen Hintergrund des Tonschöpfers.
Richard-Hamelin hatte sich eingelassen auf dieses Werk. Romantisch-expressiv formte er Fragmente zu einer musikalischen Einheit. Die Aria des 2. Satzes gestaltete er innig und leidenschaftlich, virtuos die Coda des Finalsatzes. Eine sehr überzeugende Interpretation. Ebenso glänzte die Arabeske in C-Dur op. 18. Leicht und zart perlte der sich zwei mal wiederholende ornamentenreiche Einleitungsteil, der durch zwei Zwischenteile in Moll kontrastiert wird.
Richard-Hamelin gehört zweifellos zu den exzellenten Interpreten der Werke Chopins. Er ist Preisträger des renommierten Warschauer Chopin-Wettbewerbes. Mit dem Nocturne Nr. 20 in cis-Moll leitete er das Konzert ein und bestach durch lupenreinen kristallklaren Klang. Die vier Impromptus kamen mit spielerischer Leichtigkeit daher, wirkten durch ihren improvisatorischen Charakter wie hingehaucht. Ganz gegensätzlich geprägt ist die vierte Ballade, die Richard-Hamelin zum Abschluss des ersten Konzertteils wählte. Diese große romantische Tondichtung gestaltete er effektvoll, nachdenklich, lyrisch und mit facettenreicher Dynamik. Zwei Zugaben konnte das begeisterte Publikum dem sympathischen Künstler entlocken, das Largo aus dem 5. Cembalokonzert von Joh. Seb. Bach in einer Transkription von Alfred Cortot und die Etüde Op. 10, Nr. 3 von Chopin. Auch hier bestach der Künstler durch seine Stärke, dem kantablen Spiel.
Wie in jedem Jahr gab es nach dem Musikgenuss kulinarische Gaumenfreuden jeder Geschmacksrichtung, anregende Gespräche und die Möglichkeit, die Gutsanlage mit ihrer weitläufigen Parkanlage zu besichtigen.
Okka Mallek
Hannover, 17. 06. 2018
Künstlerportrait
Charles Richard-Hamelin ist Silbermedaillengewinner und Preisträger des Krystian-Zimerman-Preises beim Internationalen Chopin-Klavierwettbewerb 2015. Er gewann auch den zweiten Preis beim Internationalen Musikwettbewerb in Montreal und den dritten Preis und Sonderpreis für die beste Leistung einer Beethoven-Sonate beim Internationalen Musikwettbewerb in Südkorea.
Er trat bei verschiedenen renommierten Festivals auf, darunter das Roque d‘Anthéron in Frankreich, das Prager Frühlingsfestival, das Festival „Chopin und sein Europa“ in Warschau und das Lanaudière Festival in Kanada. Als Solist trat er bereits mit verschiedenen namhaften Ensembles auf. Er spielte unter der Leitung namhafter Dirigenten wie Kent Nagano, Vasily Petrenko, Jacek Kaspszyk, Aziz Shokhakimov, Peter Oundjian, Jacques Lacombe, Fabien Gabel, Carlo Rizzi, Alexander Prior, Christoph Campestrini, Lan Shui und Jean-Marie Zeitouni.
Der aus Lanaudière in Québec stammende Charles Richard-Hamelin studierte bei Paul Surdulescu, Sara Laimon, Boris Berman und André Laplante. Er ist Absolvent der McGill University, der Yale School of Music und des Conservatoire de Musique de Montréal.
Seine erste Soloaufnahme mit späten Werken von Chopin wurde im September 2015 auf dem Label Analekta veröffentlicht und von Kritikern auf der ganzen Welt hoch gelobt. Ein zweites Album, das im Palais Montcalm in Québec mit Musik von Beethoven, Enescu und Chopin live eingespielt wurde, wurde im Herbst 2016 veröffentlicht und auch sehr positiv aufgenommen.
Charles Richard-Hamelins Saisonhöhepunkte 2017-2018 umfassen drei Tourneen in Japan, die Aufnahme des ersten kompletten Beethoven Violinsonaten mit Montreal Symphony Orchestra Konzertmeister Andrew Wan sowie über 60 Konzerte in Kanada, Asien, Europa und den USA.
Programm
Frédéric Chopin | Nocturne Nr. 20 cis-Moll |
Vier Impromptus Nr. 1 – 4 | |
Ballade Nr. 4 f-Moll op. 52 | |
Robert Schumann | Arabeske C-Dur op. 18 |
Klaviersonate Nr. 1 fis-Moll op. 11 |