7 | Musik und Humor

Elisabeth Brauß, Klavier - Orangerie Herrenhausen

Musik und Humor – wie passt das zusammen und: geht das überhaupt?

Der klassische Musikbetrieb ist im Allgemeinen eine ernste Angelegenheit. Spätestens seit dem Aufkommen der Virtuosität im 19. Jahrhundert sind die Fronten abgesteckt – auf der einen Seite das still und andächtig lauschende Publikum, auf dem Podium der/die hochkonzentrierte Solist/in, das Kammermusikensemble oder das Orchester. 

Eine herzerfrischende Ausnahme gab es nun bei einer Veranstaltung der Chopin-Gesellschaft Hannover, die, in Zusammenarbeit mit ihrem langjährigen Förderer, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, zu einem Abend unter dem Motto „Musik und Humor“ einlud. 

Es durfte also gelacht werden, und, wenn man der Binsenweisheit, dass Lachen das Leben verlängert, glaubt, war der Abend durchaus lebensverlängernd. Was war also geschehen? Drei Akteure beherrschten das Podium mit einem kurzweiligen, amüsanten Programm: der Musikwissenschaftler Prof. Andreas Eckhardt, die Gesangsprofessorin und Musikkabarettistin Prof. Mechtild Kerz und die junge Pianistin Elisabeth Brauß. 

Andreas Eckhardt erläuterte die Bedeutung des Witzes, hob den Unterschied zwischen Sprachwitz und Sachwitz hervor und erklärte die differenzierten Lachformen vom verstehenden Lächeln bis zum homerischen Gelächter. Da es sich explizit um das Thema Musik handelte, wurde mit Musikerwitzen und bissigen Anekdoten nicht gespart, was bekanntlich besonders zu Lasten der Bratschisten, Tenöre und Dirigenten geht. Diese Tatsache ist historisch begründet, denn es gab in der Vergangenheit genügend Dirigenten, die den Status der Göttlichkeit per se für sich beanspruchten und damit zum Gespött wurden, was sich glücklicherweise zu Gunsten eines kollegialen Miteinander geändert hat. Auch die Bratsche kann nicht mehr für Witze herhalten, hat sie sich doch längst von ihrem Aschenputteldasein befreit. Selbst Tenöre werden im modernen Konzert-und Opernbetrieb mehr aufweisen müssen als stimmliche Qualitäten. Dennoch sind die teilweise schon recht betagten Witze immer wieder einen Lacher, zumindest ein Schmunzeln, wert. Es gab geistreiche, zotige, derbe und harmlose Witze, die den Musiker von seiner ganz menschlichen Seite zeigen und die unter Musikern als Ventil für nicht direkt ausgesprochene Kritik eingesetzt werden und damit den Kabalen unter Kollegen entgegenwirken können. So die treffende Erklärung des Referenten.

Während Professor Eckhardt eher intellektuell und mit trockenem Humor die Lachmuskeln beschäftigte, gelang der Kabarettistin Mechthild Kerz dies mit vollem stimmlichen und darstellerischen Einsatz. Aus ihrer fiktiven „Kreativschule Hannover“ mimte die Künstlerin die unterschiedlichsten Elevinnen ihres kuriosen Institutes. Da gab es die schüchterne Debütantin, die vor Lampenfieber kaum einen Ton singen kann und sich hilfesuchend an ihren Rock krallt, die esoterische Sinnsucherin, die provokante, schrille Popsängerin und die Naive, die Mozarts Veilchen so schön gruselig zerrupft. Wunderbar dargestellt von einer Künstlerin, die ihre Stimme professionell und vielfältig einsetzt und auch darstellerisch überzeugt. Dezent am Flügel begleitete die Pianistin Elisabeth Brauß, die mit der Fantasie C-Dur von Joseph Haydn den Abend einleitete und mit dem zweiten Satz aus der Klaviersonate Op. 14 Nr. 2 von Ludwig van Beethoven beendete. Diese beiden Solowerke waren vortrefflich gewählt, die heitere und unbeschwerte Fantasie perlte leicht und und mühelos und das Andante von Beethoven interpretierte die Pianistin sehr behutsam, mit extrem kurzen Staccati und hervorgehobenen Sforzati, wodurch eine versteckte (unbeabsichtigte?) Humoristik durchaus erahnt werden konnte. 

Insgesamt war der Abend nicht eben ein homerisches Gelächter, aber ein augenzwinkerndes Lächeln wert.

Okka Mallek
Hannover, 27.10.2018

Programm 

J. HaydnFantasie C-Dur XVII: 4
Vortrag (Teil I)“Wir spielen auf jeden Fall Brahms Erste” – Witz und Anekdote im Musikerdasein. (Andreas Eckhardt)
LiedvortragVorträge aus der „Kreativschule Hannover“, Mechthild Kerz 
  
Vortrag (Teil II)(Andreas Eckhardt)
L.v.Beethovenaus der Klaviersonate G-Dur op. 14, 
Nr.2 : 2. Satz, „Andante“

Künstlerportraits

Elisabeth Brauß 

Elisabeth Brauß wurde 1995 in Hannover geboren. Mit 6 Jahren wurde sie in die Klavierklasse von Dr. Elena Levit aufgenommen. Von 2007 – 2010 war sie Studentin am Institut zur Frühförderung musikalisch Hochbegabter der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH). Von 2008 – 2010 war sie in Hannover Studentin in den Klavierklassen von Dr. Elena Levit und Prof. Matti Raekallio. Seit 2010 studiert sie an der HMTMH in der Klavierklasse von Prof. Bernd Goetzke.

Elisabeth Brauß gastierte u. a. bereits am Konzerthaus Berlin, in der Hamburger Laeisz-Halle, am Mariinksy Theater in St. Petersburg, beim Beethovenfest Bonn, beim Heidelberger Frühling sowie regelmäßig beim Schleswig-Holstein Musik Festival und den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern. Internationale Konzertreisen führten sie u. a. nach Norwegen, Russland, in die Ukraine, USA, China und Taiwan. Als Solistin konzertierte sie mit Orchestern wie dem hr-Sinfonieorchester, den Dortmunder Symphonikern, den Bochumern Symphonikern, dem Macao Youth Symphony Orchestra, der NDR Radiophilharmonie Hannover und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen.

Neben ersten Preisen beim internationalen Steinway-Wettbewerb in Hamburg, beim internationalen Grotrian-Steinweg-Klavierwettbewerb in Braunschweig und beim Bundeswettbewerb Jugend Musiziert wurde ihr 2012 der Förderpreis des Prätorius Musikpreises Niedersachsen zugesprochen. Im August 2013 gewann sie beim TONALi Grand Prix in Hamburg den Haupt- und den Publikumspreis. Im Januar 2015 gewann sie den ersten Preis bei dem Wettbewerb „Ton und Erklärung“ in Frankfurt und spielte im Finale gemeinsam mit dem hr-Sinfonieorchester. Im Oktober 2016 gewann sie den Kissinger KlavierOlymp in Bad Kissingen.

Für die Saison 2013/2014 war sie Stipendiatin der Mozart Gesellschaft Dortmund, 2014 erhielt sie ein Stipendium der Hans und Eugenia Jütting-Stiftung und ist seit 2014 außerdem Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes. 

Prof. Dr. Andreas Eckhardt 

Andreas Eckhardt, geboren 1943, studierte in Mainz und Wien Schulmusik, Geschichte und Musikwissenschaften. Er arbeitete zunächst als Gymnasiallehrer in Mainz, bevor er seine berufliche Laufbahn im Kulturmanagement fortsetzte.

In den Jahren 1971 bis 1979 war er für den Musikverlag Schott Music und zugleich als Bundesgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Schulmusikerzieher tätig. Danach wurde er Generalsekretär des Deutschen Musikrates in Bonn, bevor er 1998 das neu geschaffene Amt des Direktors des Beethoven-Hauses in Bonn übernahm und bis 2009 inne hatte.

Andreas Eckhardt lehrte Kulturmanagement an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Hamburg. Seit 1999 ist er außerdem Präsident der Hindemith-Stiftung in Blonay in der Schweiz. Ferner ist er Mitglied in Beiräten von Musikfestivals, im Deutschen Musikinstrumentenfonds, im Deutschen Musikinformationszentrum sowie in der Jürgen Ponto-Stiftung.

a.p.l. Prof. Mechthild Kerz

Mechthild Kerz absolvierte ihr Gesangsstudium an der Staatlichen Hochschule für Musik Heidelberg/ Mannheim und schloss neben einer schon regen Konzerttätigkeit eine dreijährige Ausbildung am Lichtenberger Institut für angewandte Stimmphysiologie an. Sie besuchte Meisterkurse unter anderem bei Gérard Souzay, Anna Reynolds, Kurt Widmer, Brigitte Fassbaender und Jessica Cash. 
Seit 2003 tritt sie mit eigenen Musikkabarett-Programmen auf.

Ihre pädagogische Tätigkeit übte sie u.a. an der Hochschule für Musiktherapie in Heidelberg sowie an der Hochschule für Kulturpädagogik in Hildesheim aus. Seit 1993 ist Mechthild Kerz Gesangsdozentin an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Im Jahre 2009 wurde sie von der HMTM Hannover zur außerplanmäßigen Professorin ernannt.