1 | Klavier­abend

Alyosha Jurinic, Klavier - SOLVAY GmbH

Durch alle Töne tönet…..

Liebhaber des feinsten Pianissimoklanges kamen auf ihre Kosten bei dem ersten Konzert des neuen Jahres, zu dem die Chopin-Gesellschaft Hannover einlud. Traditionsgemäß war die Solvay GmbH Gastgeber. 
Der kroatische Pianist Alyosha Jurinic verzauberte den kalten Januarabend in geradezu herzerwärmende poetische Klavierklänge, die aufhorchen ließen. An diesem Abend gab es kein Donnergetöse, keine wilden und furiosen Aufschreie. Nein, Alyosha Jurinic entschied sich für das ganz feine, leise und intime Klavierspiel, für die lyrische Gestaltung und die Suche nach dem perfekten Klang. Das war stimmig und konsequent. 

Die Klavierwerke von Robert Schumann sind ohne literarische und autobiographische Bezüge kaum vorstellbar. So auch seine große C-Dur Fantasie Op. 17, die in seinem von innerer Zerrissenheit geprägten Schicksalsjahr 1836 entstand. In diesem Jahr kämpfte er um seine Braut Clara, ihr gestand er auch, dass der erste Satz eine tiefe Klage um sie sei. 

Es ist eine meisterhafte Dichtung in Tönen, ein technisch anspruchsvolles Werk mit komplizierten rhythmischen Strukturen, aufwühlenden, leidenschaftlichen Passagen und verwobenem Ineinanderfließen der Stimmen. „Durch alle Töne tönet, im bunten Erdentraum, ein leiser Ton gezogen, für den, der heimlich lauschet“. Mit diesem Gedicht von Friedrich Schlegel – Schumann setzte es als poetischen Grundgedanken über seine Komposition – ist der literarische Bezug vorgegeben. Alyosha Jurinic hat sich wunderbar eingelassen auf diese besondere Stimmung und innere Dramatik dieses so typischen Klavierstückes der Romantik. 

Einem ganz anderen Klangideal folgte der gut fünfzig Jahre nach Schumann geborene Claude Debussy. Tonale Bezüge werden weitgehend abgelöst durch pentatonische, fremdartige Tonfolgen. Schwebende und sphärisch anmutende Klänge prägen seinen Kompositionsstil. Man denkt an Gemälde von Degas und Monet, an flirrende Wasserspiele und Irrlichter. Alyosha Jurinic ist mit der Rêverie Op. 68, einem filigranen kurzen Klaviersatz, in eine träumerische Welt entrückt. Kaum wahrnehmbar und dennoch äußerst präsent gestaltete er dieses bewegte und bewegende impressionistische Kleinod. 

Von besonderem pianistischem Reiz sind die Konzertetüden von Frédéric Chopin. Hieran haben sich ganze Pianistengenerationen abgearbeitet und technische Bravour erlangt, ist doch jede der jeweils zwölf Etüden aus Op. 10 und Op. 25 mit einer immensen technischen Herausforderung verbunden. Alyosha Jurinic hat sich mit den Etüden Op. 25 als technisch versierter Klaviervirtuose präsentiert. Rasante Tempi, vertrackte Doppelgriffe beider Hände, vollgriffige Akkorde und Doppeloktaven über 28 Takte im Allegro con fuoco (Nr. 10) wurden scheinbar ohne Mühe und völlig unprätentiös präsentiert. Dabei behielt bei Alyosha Jurinic die Klangqualität immer oberste Priorität. Eine sehr geglückte Auslegung!

Mit dem zugegebenen Nocturne Des-Dur Op. 27, 2 einem innig singenden, verträumten Nachtgesang verabschiedete sich der junge Künstler und und da es in der Zwischenzeit draußen geschneit hatte, setzte sich die verzauberte Stimmung noch auf dem Heimweg fort. Ein sehr berührender Abend.

Okka Mallek
Hannover, 26.01.2019

Künstlerportrait

Alyosha Jurinic, ein 1989 in Zagreb geborener kroatischer Pianist, machte sich im Jahr 2012 als Sieger des 16. Internationalen Robert-Schumann-Wettbewerbs in Zwickau einen Namen. Danach war er 2016 auch noch Preisträger des renommierten Concours Musical Reine Elisabeth und Finalist beim 17. Internationalen Fryderyk-Chopin-Klavierwettbewerb 2015. 

Alyosha Jurinic ist zudem Gewinner von zahlreichen anderen Wettbewerben, darunter drei internationalen Klavierwettbewerben in Italien, und er hat so gut wie alle wichtigen Preise für junge Musiker in Kroatien gewonnen. 

Er trat in vielen Ländern teils solo, teils mit Orchestern bei Konzerten oder wichtigen Festivals auf und debütierte im Februar 2015 in der Carnegie Hall. 2018 war er auf einer Debüt-Tournee durch China, Ende 2018 im Wiener Musikverein und 2019 wird er in Japan auftreten und erneut auf eine Tournee nach China gehen.

In seiner jungen Karriere gab er bereits eine Vielzahl von Klavierkonzerten mit verschiedenen Orchestern, wie den Warschauer Philharmonikern, dem Berliner Rundfunk-Sinfonieorchester, dem Belgischen Nationalorchester, dem Königlich Flämischen Philharmonieorchester und vielen anderen. Seine erste CD mit dem Titel „Chopin Alive“ mit einer Aufnahme aus einem Chopin-Recital wurde 2017 bei CristoforiumArt veröffentlicht.

Alyosha Jurinic studiert derzeit bei Prof. Grigory Gruzman als Konzertdiplom-Kandidat an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar. Zuvor studierte er bei Prof. Eliso Virsaladze an der Scuola di Musica di Fiesole (2011–2014), bei Prof. Noel Flores an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (2009–2011) und bei Prof. Ruben Dalibaltayan an der Musikakademie der Universität Zagreb, Kroatien (2007–2012).

Programm

Claude DebussyRêverie op. L 68
Robert SchumannFantasie C-Dur op. 17
  
Frédéric Chopin Zwölf Etüden op. 25