5 | Open-Air Konzert

Junges Sinfonieorchester Hannover; Tobias Rokahr, Dirigent; Luka Okros, Klavier; Ioana Cristina Goicea, Violine

Schwungvoller Auftakt beim 31. Open-Air-Konzert

Dass Hannover eine lebendige, pulsierende Musikstadt ist, ist längst kein Geheimnis mehr. Die Präsenz der Chopin Gesellschaft trägt mit zahlreichen Konzertveranstaltungen wesentlich dazu bei, diesem Image gerecht zu werden. Besonders das jährlich stattfindende Open-Air-Konzert erfreut sich großer Beliebtheit. Auch in diesem Sommer, am letzten Sonntag im August, waren wieder zahlreiche Musikliebhaber und Picknickfreunde unterwegs, um im Georgengarten in Herrenhausen bei hochsommerlichen Temperaturen in lockerer Atmosphäre Highlights der Konzertliteratur auf höchstem Niveau zu genießen.

Schwungvoll startete das Junge Sinfonieorchester Hannover mit Auszügen aus Khatschaturjans Gayaneh-Suite. Mit dem bekannten Säbeltanz zog das Orchester die Zuhörer sofort in den Bann. Wo vorher noch Plätze gesucht, Sonnenschirme aufgestellt und Picknickkörbe platziert wurden, herrschte jetzt eine aufmerksame Ruhe. Tobias Rokahr, erfahrener Orchesterleiter und inspirierender Impulsgeber, animierte seine Musiker zu großartigen Leistungen. Besonderes bemerkenswert war hier die gut intonierende Bläsergruppe. Der Reichtum an folkloristischen Elementen, markanten Rhythmen und Dynamik macht diese Ballettsuite so faszinierend.

Nach jubelndem Applaus ging es virtuos mit der Carmen-Fantasie von Pablo de Sarasate weiter. Dieses Werk, nach Themen aus Bizets gleichnamiger Oper, gehört zu den bekanntesten und technisch anspruchsvollsten Werken der Violinliteratur. Sarasates Vorliebe für Zigeunerweisen und spanische Rhythmen findet hier ihren Ausdruck. Die rumänische Geigern Ioana Cristina Goicea überzeugte als hervorragende Solistin in diesem extrem mitreißenden und fantasievollen Werk. Mit klangvollem, großem Ton gestaltete sie durchdacht und dennoch sehr expressiv. Ihr warmer Geigenton überzeugte, und ihr Spiel wurde mit herzlichem Beifall belohnt.

Das Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll von Peter Iljitsch Tschaikowski gehört zweifelsfrei zu den meist gespielten Klavierkonzerten. Schon die weit ausladende pathetische Einleitung mit ihren wuchtigen Akkorden über alle Oktaven der Klaviatur ist immer wieder beeindruckend und an Popularität kaum zu überbieten. Nun besteht das Konzert nicht nur aus dem Eingangsthema, es schließt sich vielmehr ein komplexes, zu Entstehungszeiten durchaus  umstrittenes, 3-sätziges Werk voller Tiefgründigkeit und Themenvielfalt an. Der georgische Pianist Luka Okros, Preisträger des Chopin Wettbewerbs Hannover und zahlreicher anderer internationaler Wettbewerbe, ließ sich nicht zu einer oberflächlichen Darbietung hinreißen, sondern erwies sich als vortrefflicher Gestalter und besonnener Dramaturg des Werkes. Sein kreatives Spiel und eine Poesie des Anschlags zeichnen diesen fabelhaften Pianisten aus. Das Orchester war auch hier ein zuverlässiger Begleiter. Die erschwerten Akustikverhältnisse eines Freiluftkonzertes sind natürlich nicht immer zu überhören. Da gibt es schon mal Nebengeräusche in den elektronischen Anlagen, was aber den Gesamteindruck nicht schmälert.

Mit zwei Zugaben, einer ganz charmanten und recht originellen Eigenkomposition und dem Moment Musical op. 16, Nr. 4 von Rachmaninoff, bedankte sich Luka Okros für den begeisterten Applaus. Im nächsten Jahr wird es das 32. Open-Air-Konzert geben, so das Versprechen der Präsidentin, Frau Sookie Schober. Es ist anzunehmen, dass wieder viele Fans dabei sein werden.

Okka Mallek
Hannover, 25.08.2019


Das Junge Sinfonieorchester Hannover 

Das Junge Sinfonieorchester Hannover gilt seit seiner Gründung 1961 durch Prof. Barbara Koerppen und Prof. Heinz Hennig als fester Bestandteil des Hannoverschen Kulturlebens. Es hat über 80 Mitglieder im Alter zwischen 14 und 40 Jahren und besteht aus Schülern, aus Studenten aller Fachrichtungen, sowie aus jungen Berufstätigen. Durch das Zusammenspiel der erfahrenen älteren Mitglieder mit instrumental bereits gut ausgebildeten, aber im Orchesterspiel noch ungeübten jüngeren Mitgliedern hat sich ein Klangkörper entwickelt, dessen Niveau inzwischen weit über Hannovers Stadtgrenzen hinaus bekannt ist.

Der große Wert des Orchesters liegt in der Gelegenheit, möglichst viele junge Instrumentalisten die Orchestergemeinschaft bei Reisen, Konzerten und Probenfreizeiten erleben zu lassen. Seit 1989 gibt das JSO jährlich im Spätsommer im Georgengarten Hannover ein Open-Air-Konzert, das jedes Mal tausende Zuhörer anlockt. Bei den von der Chopin-Gesellschaft organisierten Konzerten wird vor allem jungen, hochbegabten Solisten eine Auftrittsmöglichkeit mit Orchester gegeben.


Tobias Rokahr, geboren 1972, studierte an der Hochschule für Musik und Theater Hannover Schulmusik, Germanistik, Musiktheorie und Gehörbildung sowie an der Hochschule für Musik Detmold Dirigieren bei Prof. K.-H. Bloemeke. Er war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes und besuchte Meisterkurse für Dirigenten, u.a. bei Sir Colin Davis. Im Jahr 1997 übernahm er die Leitung des Jungen Sinfonieorchesters Hannover.

Von 2003 bis 2009 war Tobias Rokahr Juniorprofessor für Musiktheorie und Gehörbildung an der Hochschule für Musik Mainz. 2004 verlieh ihm die Johannes Gutenberg-Universität Mainz den „Preis für exzellente Lehre“. Vom Sommersemester 2009 bis Sommersemester 2013 lehrte Rokahr als Professor für Gehörbildung und Tonsatz an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig. Zum 1. Oktober 2013 hat Tobias Rokahr den Ruf auf die Professur für Musiktheorie an der HMTMH angenommen.

Im Jahr 1997 übernahm er die Leitung des Jungen Sinfonieorchesters Hannover. Im alljährlichen großen Open Air Konzert der Chopin Gesellschaft Hannover konzertiert er mit Preisträgern der großen internationalen Wettbewerbe, so z. B. Frank Braley, Eugene Mursky oder Gwyneth Chen.


Die Solisten

Ioana Cristina Goicea

Ioana Cristina Goicea gehört zu den herausragenden Violistinnen der jüngeren Generation. 2017 gewann sie den ersten Preis in der renommierten Michael Hill Violin Competition in Neuseeland, wo die Presse ihre leidenschaftlichen Auftritte feierte und sie zum „neuen Stern am musikalischen Firmament“ ernannte. Darüber hinaus errang sie den ersten Preis und den Publikumspreis des internationalen Johannes Brahms Wettbewerbs 2013 sowie den ersten Preis des Concorso Andrea Postacchini 2012 in Italien. Sie ist Preisträgerin des Fritz Kreisler Violin-Wettbewerbs 2014 in Wien und wurde 2017 mit dem Carl-Flesch-Preis der gleichnamigen Carl-Flesch-Akademie, Baden-Baden ausgezeichnet. 2018 gewann sie den Deutschen Musikwettbewerb …mehr erfahren

Luka Okros, Klavier

Luka Okros ist einer der vielversprechendsten Pianisten seiner Generation. Geboren 1991 in Tiflis, Georgien, begann er im Alter von 4 Jahren sein Klavierstudium. Mit 5 Jahren gab Luka seine erste öffentliche Aufführung und mit 6 gab er sein Debüt mit dem Tbilisi State Orchestra unter Revaz Takidze.

1999 spielte Luka im Alter von nur acht Jahren für den führenden russischen Dirigenten und Violinisten Vladimir Spivakov, der ihm sofort ein Stipendium und später finanzielle Unterstützung für seinen Umzug nach Russland 2004 anbot. Im Jahr 2013 schloss Luka Okros seinen Bachelor am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium ab. Im selben Jahr erhielt er ein Vollstipendium für einen Master-Abschluss am Royal College of Music in London, wo er Klavier bei Prof. Norma Fisher studiert …mehr erfahren


Programm

Aram ChatschaturjanAuszüge aus der „Gayaneh-Suite“ 
Pablo de Sarasate Carmen-Fantasie
Peter Iljitsch Tschaikowski Klavierkonzert Nr. 1 b‑Moll op. 23

Ioana Cristina Goicea, Sarasate Carmen-Fantasie

Luka Okros, Tschaikowski Klavierkonzert Nr. 1