1 | Kammer­musikabend

Claire Huangci, Klavier & Tristan Cornut, Violoncello; HDI Versicherungen

Moderne Zeiten – mit Temperament in das neue Jahrzehnt

Die alten Zöpfe sind längst abgeschnitten. Rauschender Tüll und verklärte Künstlerpersönlichkeiten scheinen nicht ins 21. Jahrhundert zu gehören. Auf den Podien der Welt sind immer mehr moderne Künstler/innen zu erleben, die selbstbewusst, innovativ und zielstrebig das kulturelle Leben bestimmen. Und das ist gut und richtig.

Claire Huangci gehört auf jeden Fall zu den dynamischen, zeitgemäßen und sehr erfolgreichen jungen Menschen, die klassische Musik in die Zukunft tragen. Allein der Auftritt dieser fabelhaften Pianistin lässt erkennen, dass eine geballte Ladung Energie, künstlerischer Ausdruckswillen, immenses Können und eine gewisse Routine diese temperamentvolle Musikerin zu Höchstleistungen befähigt. Da gibt es keinen Zweifel an ihrer sehr eigenen Lesart einer Mozart-Sonate. Die schnellen Ecksätze sind bündig, gestrafft, virtuos und voller Lust am kreativen Gestalten. Auch die ungarischen Tänze von Johannes Brahms wirken frisch und neu belebt bei Claire Huangci. Sie kommt ohne ausladende Gesten zum größtmöglichen Klangvolumen, gibt selbst vertrackten Läufen und Akkordbrechungen, die das erste Heft der Tänze bestimmen, etwas Anmutiges, Graziles. Ja, und dann gab es natürlich auch den langsamen Mittelsatz der zu Beginn gespielten Sonate KV 457 von Wolfgang Amadeus Mozart, in der Claire Huangci beweisen konnte, dass sie nicht ausschließlich auf Virtuosität festgelegt ist. Hier formte sie Töne wie aus fernen Welten, subtil bis in die kleinsten Motive. Fast zärtlich gesponnene Fäden hielten das fragile Klanggebäude zusammen. So stellt man sich den Meister selbst vor, wie er einst vor Königen in Kniehosen und Perücke brillierte. Nur ist das lange her – gut, dass es die neue Generation der Pianist/innen gibt, die Traditionen in die Gegenwart transportieren.

Tristan Cornut, 1985 in Paris geboren, ebenso wie Claire Huangci mehrfacher Preisträger renommierter Wettbewerbe, bereicherte den zweiten Teil des Abends mit den Fantasiestücken von Robert Schumann und der Cellosonate von Frédéric Chopin. Zwei der anspruchsvollsten Werke der romantischen Celloliteratur standen also auf dem Programm, und der Klangzauber nahm kein Ende. Claire Huangci fungierte, trotz des eindeutig solistischen Klavierparts der Chopin Sonate, als exzellente Begleiterin, Tristan Cornut als versierter Cellist mit warmer Tongebung und schlüssiger Interpretation. Beide Künstler erwiesen sich als kongeniales Duo, das den unendlichen Klangreichtum der Werke dem staunenden Hörer so eindringlich nahebringen konnte.

Für den verdient lebhaften Beifall bedankten sich die Künstler mit einem Tango von Astor Piazolla. Le Grand Tango gehört zu den bekanntesten Werken des argentinischen Meisters. Es vereint traditionellen Tango mit modernen Elementen des Jazz. Synkopierte Rhythmen und effektvolle Akzentuierung treiben das groß angelegte Werk nach vorn, geben ihm etwas haltlos Treibendes. Rasant und furios gestaltet von zwei fabelhaften Musikern, die jubelnden Applaus entgegen nehmen durften.

Die Chopin-Gesellschaft hat mit diesem Abend im imposanten Gebäudekomplex der HDI Versicherung das neue Konzertjahr begonnen und zugesichert, dass weitere Preisträger des hannoverschen Chopin Wettbewerbes die kommenden Programme bestreiten. Mit Claire Huangci, sie gewann 2008 den Klavierwettbewerb der Chopin-Gesellschaft  Hannover, ist der Anfang gemacht.

Okka Mallek
Hannover, 25.01.2020


Die Künstler

Claire Huangci  wurde 1990 in Rochester geboren und wuchs als Kind chinesischer Eltern in Amerika auf. Das Klavier entdeckte sie im Alter von sechs Jahren für sich. Ihr Studium begann sie in ihrer Heimat am Curtis Institute of Music in Philadelphia und wechselte danach an die Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, um ihre Ausbildung bei Arie Vardi fortzusetzen. ... mehr erfahren

Tristan Cornut wurde 1985 in Paris geboren und studierte am Pariser Konservatorium bei Roland Pidoux sowie an den Musikhochschulen Stuttgart und Freiburg bei Jean-Guihen Queyras. Er wurde bei verschiedenen internationalen Wettbewerben ausgezeichnet, u.a. beim Lutoslawski-Wettbewerb, dem Domnick-Wettbewerb, dem Gaspar Cassado Wettbewerb und dem ARD-Musikwettbewerb. Als Kammermusiker musizierte er an der Seite von Antonio Meneses, Salvatore Accardo, Bruno Giuranna und Miguel da Silva … mehr erfahren


Programm

W. A. MozartKlaviersonate Nr. 14 c‑Moll K457
Frédéric ChopinIntroduktion und Bolero a‑Moll / A‑Dur op. 19
Johannes BrahmsUngarische Tänze 1–5
Robert SchumannFantasiestücke a‑Moll
Frédéric ChopinCellosonate g‑Moll op. 65

Pressestimmen

Der Reiz des ersten Satzes
Claire Huangci und Tristan Cornut überzeugen bei der Chopin-Gesellschaft

Der Komponist verlangte den Musikern viel ab: rasche Tempi, Doppelgriffe und rasend schnelle Läufe von der tiefsten bis hoch in die Daumenlage auf dem Cello, komplexe Rhythmen, harmonische Rückungen und riesige Amplituden auf dem Klavier. Das Duo bewältigte all das nicht nur spielend, die beiden Musiker waren dabei auch sehr gut aufeinander abgestimmt. Die Agogik der Musik, die dynamischen Entwicklungen, die Stimmungswechsel — all das gestalteten sie gemeinsam, auch bei den zuvor erklungenen „Fantasiestücken aMoll” für Klavier und Cello von Robert Schumann. Diese Einigkeit der Instrumente war vor allem der Pianistin zu verdanken, die das Kunststück vollbrachte, dem Cellisten zu folgen und gleichzeitig selbst hochmusikalisch zu agieren…

HAZ vom 27. Januar 2020 – von Juliane Moghimi