4 | Klavier­abend

Lukasz Byrdy, Klavier

Verführung zum Träumen – Lukasz Byrdy begeistert als Chopin-Interpret

Die Welt ist in ständigem Wandel. Sorgen und Ängste beherrschen viele Menschen in Zeiten des Umbruchs und der Pandemie. Kulturveranstaltungen sind eingeschränkt oder gänzlich abgesagt, Begegnungen auf ein Minimum begrenzt. Wie gut, dass die Chopin-Gesellschaft Hannover nun einen Hoffnungsstrahl gesendet hat und zum Abschluss des sehr reduzierten Konzertjahres einen Klavierabend mit dem polnischen Pianisten Lukasz Byrdy veranstaltete.

Die Hannover Rück Versicherung bot dafür den passenden Rahmen. Alle zur Zeit erforderlichen Vorgaben konnten eingehalten werden und nach herzlichen Begrüßungsworten durch den Vorstand des Hauses, der Präsidentin der Chopin-Gesellschaft Hannover und des polnischen Generalkonsuls gehörte der Abend Lukasz Byrdy, der das Auditorium mitnahm auf eine spannende Reise in die Klangwelt des polnischen Komponisten Frédéric Chopin. Es gab viel zu entdecken und zu bestaunen in dieser gut gefüllten Stunde mit höchst anspruchsvoller Klaviermusik. Byrdy hatte sich ein komplettes Chopin-Programm vorgenommen und schon nach wenigen Takten wurde deutlich, dass dies seine Welt ist. Ob es doch so etwas wie die „polnische Seele“ ist, die Byrdy zum exzellenten Interpreten seines Landsmanns macht, möge dahin gestellt bleiben. Auf jeden Fall ist er ein fabelhafter Pianist und Musiker. Weit davon entfernt, ein einheitliches Chopin Klangbild zu entwerfen, wie es oft zu hören ist, gab Byrdy jedem von ihm vorgetragenen Werk eine eigene Prägung. Ob es der einleitende cis-Moll Walzer war, den er sehr zart, fast improvisatorisch anmutend gestaltete, oder das kraftvolle Scherzo op. 39 Nr. 3, das er zupackend, leidenschaftlich und höchst virtuos anging, alles war ausbalanciert und und von enormer Klangvielfalt.

Ein besonderer Zauber ging von den Mazurken aus. Transparent und mit exakter Pedalisierung lotete der Künstler alle Facetten der von ihm vorgetragenen slawischen Tänze aus, die trotz ihrer formalen Schlichtheit sehr komplex und alles andere als einfach sind. Hier erlebte der Hörer pure Klangsinnlichkeit, die aber niemals ins schwülstige oder kitschige abzugleiten drohte. Mit feinsten dynamischen Abstufungen, eleganter Phrasierung und wunderbar lebendig wurde jeder einzelne kleine Tanz zu einem Meisterwerk. In der kleinen Form zeigt sich doch immer wieder die große Meisterschaft.

Am Ende seines Lebens, als Chopin seine großartige viersätzige Klaviersonate Nr. 2, op. 35 in b-Moll komponierte, war auch er von den politischen Ereignissen seines Heimatlandes Polen, in das er nach dem Novemberaufstand von 1830 nicht mehr zurückkehrte, geprägt. Auch drückten die Sorgen um seine fragile Gesundheit. Dennoch entstand mit dieser Sonate ein monumentales Werk von gigantischem Ausmaß.

Das große Klagelied des Trauermarsches mit seinem tröstlichen, gesanglichen Mittelteil in Des-Dur, das abrupt endende, aufwühlende Finale oder auch das virtuose Presto ma non troppo, – alles klang bei Lukasz Byrdy völlig ohne Anstrengung, als sei es für ihn ganz natürlich. Ohne Effekthascherei, mit Liebe zum Detail und immer wieder vertieft in den Zauber des Klanges überzeugte der Künstler, was mit viel Applaus belohnt wurde. Die zugegebene Polonaise As-Dur op 53 war noch einmal ein heroisches Aufbäumen nach so viel großem Klangzauber. Die schier endlos anmutende Oktav-Passage der linken Hand im E-Dur Teil gelang präzise wie ein Uhrwerk, auch hier erkannte man den perfekten Detailarbeiter.

Der Applaus verebbte sehr langsam, um dann nochmals unisono zu einem Crescendo anzuschwellen. Das hatte sich gelohnt, denn der gutgelaunte und spielfreudige junge Künstler ließ sich nochmals bitten und spielte, passend zur fortgeschrittenen Abendstunde, das Nocturne Des-Dur op. 27, 2 ganz zart und träumerisch. Ein wundervoller Ausklang und ein stimmungsvoller Einstieg in die bevorstehende Adventszeit, die ja eine Verheißung auf das werdende Licht symbolisiert. Vielleicht wird die Hoffnung, dass es im kommenden Jahr wieder viele musikalische Lichtblicke und interessante Begegnungen geben wird, ja doch noch erfüllt. Gerne wieder mit Lukasz Byrdy.

Okka Mallek
Hannover, 27.11.2021


Der Künstler

Lukasz Byrdy, Klavier

Lukasz Byrdy wurde 1994 im polnischen Katowice geboren. Derzeit studiert er an der Ignacy Jan Paderewski Musikakademie in Posen bei Prof. Waldemar Andrzejewski und Dr. Joanna Marcinkowska. Er ist Preisträger zahlreicher polnischer und internationaler Wettbewerbe. Im Oktober 2015 nahm er am 17. Internationalen Klavierwettbewerb Fryderyk Chopin in Warschau teil, bei dem er sich für die 2. Runde qualifizierte…

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Programm

Fréderic ChopinWalzer cis-Moll op. 64 Nr. 2
Scherzo Nr. 3 cis-Moll op. 39
Vier Mazurken op. 41
Rondeau à la mazur F-Dur op. 5
Sonate Nr. 2 b-Moll op. 35