Laetitia & Philip Hahn in der Orangerie Herrenhausen – ein hochbegabtes Geschwisterpaar erobert die Klavierwelt
Von Wunderkindern zu jungen Stars – ein hochbegabtes Geschwisterpaar erobert die Klavierwelt
Beim Lesen ihrer Biografien reibt man sich zunächst verwundert die Augen. Das Klavierspiel begannen sie im Alter von einem und zwei Jahren, die Einschulung fand mit vier und fünf Jahren statt, und nachdem vier Klassen übersprungen wurden, legte Laetitia Hahn das Abitur mit gerade einmal 14 Jahren ab. Philip Hahn war bereits mit vier Jahren Jungstudent. Das hochtalentierte Geschwisterpaar gestaltete auf Einladung der Chopin-Gesellschaft Hannover, in Kooperation mit ihrem langjährigen Sponsor, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, in der Orangerie Herrenhausen einen bemerkenswerten Klavierabend.
Die Erwartungen waren hoch und der Saal gut gefüllt. Auf dem Programm standen einige der anspruchsvollsten Werke der Klavierliteratur, wie die sogenannte Hammerklaviersonate von Ludwig van Beethoven, die Laetitia Hahn mit einer fundierten Kenntnis aller vier Sätze anging. Diese gigantische, in ihrer Ausdrucksdramatik kaum zu übertreffende Sonate ist in jeder Hinsicht eine Herausforderung und verlangt dem Spieler, allein durch ihre Spieldauer von ca. 50 Minuten, viel ab. Klarheit und Sensibilität sind für Laetitia Hahn die Grundlage ihres Musizierens. Ihre spieltechnischen Möglichkeiten scheinen dabei keine Grenzen zu kennen, was für die späten Sonaten von Beethoven natürlich als Voraussetzung gilt. Laetitia lebt die Musik, spielt mit Energie und einem immensen Ausdruckswillen. Allein ihre Körpersprache untermauert diesen Eindruck und die Intensität ihres Spiels. Die große finale Fuge des vierten Satzes gestaltete die Künstlerin dermaßen subtil und ausbalanciert, dass der Mythos, den dieses Werk umgibt, greifbar wurde.
Auch die Konzertetüden von Frédéric Chopin gehören zu den bedeutenden Kompositionen der Musikgeschichte. Tonstücke, die nicht ausschließlich technische Bravourstücke sind, sondern auch durch ihren geistigen Inhalt und musikalischen Einfallsreichtum bezaubern. Der erst 13-jährige Philip Hahn hat die zwölf Konzertetüden op. 10 mit einer beachtlichen Konzentration und spieltechnischer Perfektion dargeboten. Jede einzelne Etüde mit ihrer speziellen Herausforderung war ein beeindruckendes Feuerwerk. Es wechseln in diesen 12 bravourösen Stücken vollgriffige Akkorde mit chromatischen Sechzehntelläufen, Figuren aus Terzen und Sexten, Sprünge und Läufe in rasanten Tempi, reiche Harmonik und Modulation mit inhaltlichen und pianistischen Schwierigkeiten, und sie enden in der als „Revolutionsetüde“ bekannten Etüde Nr. 12 in c-Moll. Der junge Künstler präsentierte die von ihm vorgetragenen Stücke mühelos, nichts wirkte aufgesetzt oder akademisch. Es schien, dass die Musik ganz natürlich aus ihm herausströmte.
Schuberts f-Moll Fantasie für Klavier zu vier Händen, in Schuberts letztem Lebensjahr komponiert, ist aus der Klavierliteratur des 19. Jahrhunderts nicht wegzudenken und gehört zu Schuberts brillantesten Kompositionen. Mit einer einfühlsamen Interpretation dieses von tiefer Melancholie geprägten Werkes haben die Geschwister einen musikalischen Dialog hergestellt und die Spannung, den dramaturgischen Aufbau der sehr ergreifenden Fantasie herauskristallisiert. So entfaltete das lyrische Anfangsmotiv einen rhetorisch-gesanglichen Zauber, der sich durch das gesamte viersätzige Werk zog.
Schwungvoll und vital kam dann die erhoffte Zugabe. Mozarts bekannter türkischer Marsch in einer vierhändigen Eigenbearbeitung der jungen Musiker. Dynamisch, einfallsreich, keck und virtuos! Ein grandioser und sehr bemerkenswerter Abend!
Okka Mallek
Hannover, 08.10.2022
Die Künstler
Laetitia Hahn
Laetitia Hahn *2003 began im Alter von zwei Jahren Klavier zu spielen. Mit vier Jahren wurde sie eingeschult und übersprang vier Klassen. 2011 gab sie ihr erstes Solokonzert, wurde 2012 Jungstudentin und spielte im selben Jahr bei der Preisverleihung zum Internationalen Mendelssohn Preis an Dr. Richard von Weizsäcker und konzertierte mit Lang Lang in China und München.
Philip Hahn
Philip Hahn *2009 began mit einem Jahr Klavier zu spielen und wurde mit vier Junior-Student. Eingeschult wurde er mit fünf und gab sein Orchesterdebüt in der Philharmonie in Essen. Sein Solo-Debüt während einer Tournee in den Niederlanden und in Deutschland spielte er mit acht.
Programm
Philip Hahn | |
Frederic Chopin | 12 Etüden op. 10 |
Philip Hahn & Laetitia Hahn | |
Franz Schubert | Fantaisie f-Moll op. 103 zu 4 Händen |
Laetitia Hahn | |
Ludwig van Beethoven | Sonate Nr. 29 "Hammerklaviersonate" |