Im 18. internationalen Klavierwettbewerb der Chopin-Gesellschaft Hannover wurden in der HMTMH drei Preisträger ausgelobt
Chopins Musik aus unterschiedlichen Perspektiven
Im 18. internationalen Klavierwettbewerb der Chopin-Gesellschaft Hannover wurden drei Preisträger ausgelobt
Die Musik des polnisch-französischen Komponisten Frédéric Chopin begeistert und berührt Musikliebhaber und Pianisten gleichermaßen. Zu Recht, denn seine Musik ist berauschend schön, fesselnd und geht zu Herzen. Sechs Finalisten wurden nach einem Auswahlverfahren zur Finalrunde des Chopin-Klavierwettbewerbs in Hannover zugelassen. Ein Pflichtstück von Chopin stand selbstverständlich auf dem Programm. Ob Nocturnes, Etüden, Scherzi, Balladen oder Polonaisen – alle vorgetragenen Werke wurden mit ganz unterschiedlichen Farben beleuchtet. Somit war der Nachmittag im voll besetzten Saal der HMTMH, trotz seiner zeitlichen Dauer von mehr als vier Stunden, kurzweilig und spannend.
Nach herzlichen Begrüßungsworten des polnischen Generalkonsuls, der die Schirmherrschaft des Wettbewerbs übernommen hat, der Präsidentin der Chopin-Gesellschaft Hannover sowie der Präsidentin der HMTMH, führte Professor Hans Bäßler, selbst ein erfahrener Musiker und emeritierter Hochschullehrer, einfühlsam und informativ durch das Programm.
Bäßler betonte die Wichtigkeit der Wettbewerbe als Möglichkeit für junge Künstler, sich im hart umkämpften klassischen Musikbetrieb zu qualifizieren. Ebenso lobte er die enorme organisatorische Arbeit, die solch einer umfangreichen Veranstaltung vorausgeht und ermunterte die Zuhörer, sich bei der Vergabe des Publikumspreises von ihrer Faszination für eine Kandidatin oder einen Kandidaten leiten zu lassen.
Die fachlich kompetente Beurteilung lag in den Händen einer hochqualifizierten Jury, die sich schnell darüber einig war, der Japanerin Yuna Nakagawa den 1. Preis zuzusprechen. Die ungewöhnlich strahlende Klangkultur dieser fabelhaften jungen Pianistin und ihre raffinierte Programmgestaltung, mit der sie einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen Chopin und Bartók herstellte, konnten überzeugen.
Der Zweitplatzierte war der Pole Marcin Wieczorek. Die Variationen seines Landsmanns Karol Szymanowski waren originell, lebendig und sehr facettenreich interpretiert. Ebenso glänzte er mit dem hoch virtuosen Scherzo b-Moll von Chopin. Eine verdiente weitere Würdigung für den bereits mit vielen Preisen ausgezeichneten Künstler.
Der 3. Preis ging an den Koreaner Seung Yeop Sim, Student der HMTMH. Er begeisterte mit dem 1. Satz der Sonate D-Dur KV 311 von Mozart, dem Rondo à la Mazurka und der Polonaise op. 53 von Chopin.
Die Koreanerin Seungeun Seo konnte sich mit Ihrer charmanten Bühnenpräsenz, einer makellosen Interpretation des extrem anspruchsvollen Werkes La Valse von Maurice Ravel und einer imposant gestaltete Polonaise in fis-Moll den Publikumspreis erobern.
Die Koreaner Kwanwook Lee sowie die junge Chinesin Zihan Jiang durften sich ebenso wie die Preisträger über Sachpreise freuen, die von der Firma Philipp und Vivica Bree aus Isernhagen gestiftet wurden. Als großzügige Preisstifter des 1. und 2. Preises konnten in diesem Jahr die VHV-Stiftung und die Fritz-Behrens-Stiftung gewonnen werden. Den Publikumspreis stiftete Herr Gerhard Roggemann.
Die berechtigte Frage, wie eine pianistische Karriere nach einem Wettbewerbserfolg weiter gehen kann, wurde während der Beratungspause der Juroren auf eindrucksvolle Weise geklärt. Dazu wurde eine Preisträgerin des 15. Chopin-Wettbewerbs, Eun Severine Kim, zu einem Interview auf das Podium gebeten. Die junge Künstlerin steht erfolgreich im Berufsleben als Pianistin und im Lehrbetrieb und bereicherte den Nachmittag mit der Fantasie f-Moll op. 49.
Auf das bereits angekündigte Konzert der diesjährigen Preisträger dürfen sich Musikliebhaber schon freuen!
Okka Mallek
Hannover, 26. 02. 2023
Die Preisträger und ihre Programme
1. Preis
Yuna Nakagawa (Japan) Jg. 1999
studiert gegenwärtig an der Folkwang Universität der Künste in Essen; zuvor war sie an der Robert Schumann-Hochschule in Düsseldorf eingeschrieben und 2010-2012 an der HMTMH bei Prof. K.H. Kämmerling. Sie hat bei verschiedenen Wettbewerben Förderpreise gewonnen sowie Meisterkurse im In- und Ausland besucht.
Frédéric Chopin | Nocturne fis-Moll op. 48 Nr. 2 |
Scherzo cis-Moll op. 39 | |
Bela Bartók | Im Freien Sz. 81 I. Mit Trommeln und Pfeifen IV. Klänge der Nacht V. Hetzjagd |
2. Preis
Marcin Wieczorek (Polen) Jg. 1996
studiert bei Prof. Stefan Wojtas an der Musikakademie in Bydgoszcz; zuvor war er dort Student von Prof. Ewa Poblocka und Dr. Pawel Wakarecy. Er hat mehrere Preise bei nationalen und internationalen Klavierwettbewerben gewonnen. Macin ist in Europa und den USA aufgetreten. Ihm wurde ein Förderstipen-dium des „Jungen Polen“ Programms und des Bürgermeisters der Stadt Bydgoszcz verliehen.
Frédéric Chopin | Etude C-Dur op. 10 Nr. 1 |
Scherzo b-Moll op. 31 | |
Karol Szymanowski | Variationen cis-Moll op. 3 |
3. Preis
Seung Yeop Sim (Süd-Korea) Jg. 1995
schloss seinen Bachelor als Jahresbester an der Keimyung Universität ab und studierte dort dann bei Prof. Sergej Tarasov. Heute ist er in der Klasse von Prof. Bernd Goetzke an der HMTMH. Er gewann den Grand Prix beim Daegu Music Association Klavier-Wettbewerb und den Daegu Concerto Wettbewerb und gab sein Debut mit dem Daegu Symphony Orchestra und Tschaikowskis Klavierkonzert. Sim wurde 2018 mit einem Sonderpreis ausgezeichnet beim Asia-Pacific International Chopin Piano Competition.
Frédéric Chopin | Rondo à la Mazur F-Dur op. 5 |
Wolfgang Amadeus Mozart | Sonate Nr. 9 D-Dur KV 311 1. Satz: Allegro con spirito |
Guillaume Connesson *1970 | Spirite (2022) |
Frédéric Chopin | Polonaise As-Dur op. 53 |
Publikumspreis
Seungeun Seo (Süd-Korea) Jg. 1998
stammt aus Seoul und begann ihr Klavierstudium 2016 an der Korea National University of Arts bei Daejin Kim. Seit 2017 studiert sie an der HMTMH, zuerst bei Prof. Ewa Kupiec, seit 2022 bei Prof. Arie Vardi. Zusätzlich hat sie an Meisterkursen in Venedig, Brescia und Weimar teilgenommen. Sie ist Preisträgerin bei zwei internationalen Wettbewerben.
Frédéric Chopin | Polonaise fis-Moll op. 44 |
Etude a-Moll op. 25 Nr. 11 | |
Maurice Ravel | La Valse |
Weitere Finalisten
Kwanwook Lee (Süd-Korea) Jg. 1996
studiert seit 2021 in der Klasse von Prof. Alfredo Perl an der Hochschule für Musik in Detmold. Zuvor studierte er 2015-2019 an der Yonsei Universität in Korea. Er ist Preisträger beim 18. MozArte International Piano Competition & Festival 2022 in Aachen.
Frédéric Chopin | Ballade Nr. 1 g-Moll op. 23 |
Alexander N. Skrjabin | Sonate Nr. 2 gis-Moll op. 19 Sonate-Fantaisie |
Claude Debussy | L’isle Joyeuse |
Zihan Jiang (China) Jg. 2006
stammt aus Fujian und begann mit vier Jahren, Klavier zu spielen; seit 2012 studiert sie an einer Musikschule assoziiert mit dem Shanghai Musikkonservatorium; ihre Lehrer sind Shuhua Chen, Zhe Tang und Natalia Filippova. Sie strebt sie eine Fortsetzung ihres Klavierstudiums in Deutschland an. Sie wurde gefördert durch ein Niu Ende Piano Scholarship, hat mehrere Erste Preise bei internationalen Klavierwettbewerben gewonnen und an Festivals und Meisterkursen teilgenommen. Im letzten Jahr hat sie erfolgreich drei Solokonzerte in Shanghai gegeben.
Frédéric Chopin | Nocturne Des-Dur op. 27 Nr. 2 |
Etude C-Dur op. 10 Nr. 1 | |
Igor Strawinsky | Petruschka |
Die Jury
Frau Prof. Ewa Pobłocka
ist Professorin an der Karol-Szymanowski-Musikakademie in Kattowitz und an der Fryderyk-Chopin-Musikuniversität in Warschau. Sie ist Preisträgerin von wichtigen Klavierwettbewerben wie Vercelli (1977), Bordeaux (1979), und Warschau (1980).
Prof. Bernd Goetzke
hat als Klavierpädagoge an der HMTMH in der Nachfolge von Karl-Heinz Kämmerling einen herausragenden Ruf erworben und hat zahlreiche Preise bei internationalen Wettbewerben gewonnen. Als Gründer des IFF (Institut zur Früh-Förderung musikalisch Hochbegabter) hat er große Verdienste um die Nachwuchsförderung erworben und ist Juror großer internationaler Wettbewerbe.
Prof. Jan-Philip Schulze
ist Professor für Liedgestaltung an der HMTMH. Er erhielt seine pianistische Ausbildung an der Musikhochschule in München und am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium. Als gefragter Liedbegleiter und Kammermusiker konzertiert er international mit vielen renommierten Partnern. Gleichzeitig gilt Jan Philip Schulze als herausragender Interpret zeitgenössischer Musik.
Herr Prof. Schulze konnte kurzfristig für den erkrankten Kollegen Goetzke einspringen.
Prof. Konrad Maria Engel
schloss das Klavier- und Musikpädagogik-Studium in der Meisterklasse von Karl-Heinz Kämmerling 2006 mit dem Konzertexamen in Hannover ab. Von 2012 bis 2018 erfüllte er eine Professur in Vertretung an der HMTMH (u. a. im Rahmen des IFF). Im Januar 2017 folgte er schließlich dem Ruf auf eine Professur für Klavier an die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin.
Marek Bracha
ist ein Pianist, der seine musikalische Ausbildung an der Warschauer Chopin Universität für Musik bei Alicja Paleta-Bugaj und dem Royal College of Music in London bei Kevin Kenner und Vanessa Latarche, sowie Geoffrey Govier 2012 mit Auszeichnung abschloss.
Volker Hagedorn
studierte in Hannover an der Hochschule für Musik und Theater Bratsche. Danach arbeitete er als Redakteur bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und der Leipziger Volkszeitung. Seit 1996 ist er freier Journalist, preisgekrönter Buchautor und Musiker. Seine Beiträge erscheinen u.a. in der Zeit. 2015 wurde er mit dem Ben-Witter-Preis ausgezeichnet.
Moderation des Wettbewerbs
Professor Dr. Hans Bäßler,
Studium der Theologie, Philosophie, Kirchenmusik (Orgel) und Schulmusik in Hamburg. 1970-1994 Organist an der Hauptkirche St. Petri Hamburg. 1994-2014 C4-Professor für Musikpädagogik an der HMTMH, Leiter des Instituts für Musikpädagogische Forschung (IMPF). 2006-2009 Vizepräsident des Deutschen Musikrates sowie Mitglied in der Strategiekommission; bis 2014 Vorsitzender des Bundes-fachausschusses „Musikalische Bildung“; Juror und Beirat von „Jugend musiziert“; Musikalischer Leiter von „Loccum 2013“. Nach seiner Pensionierung: 2014-2016 Lehrstuhlvertretung für Musikpädagogik in Lübeck; seit 2017 Seniorprofessor an der Musikhochschule Hamburg. Autor mehrerer musikpädagogischer Lehr- und Sachbücher.