Hochsommerliches Picknick-Konzert im Rittergut Remeringhausen mit Jung Eun Séverine Kim - Von Haydn bis Ravel
Ein Spaziergang mit Ravel durch Wien – die Pianistin Jung Eun Séverine Kim erklärt Zusammenhänge
Das 38. Matinee-Konzert der Chopin-Gesellschaft Hannover war reich gefüllt mit historischen Informationen, hochsommerlichen Temperaturen, köstlichen Gaumenfreuden und nicht zuletzt einer außergewöhnlichen pianistischen Leistung. Damit hat die Chopin-Gesellschaft Hannover wieder einmal bewiesen, dass dieses Konzertformat eine Erfolgsgeschichte ist.
Das Rittergut Remeringhausen, ca. 30 Kilometer westlich von Hannover gelegen, war Ziel des sonntäglichen Ausfluges. Das eindrucksvolle Gutshaus mit prächtiger Parkanlage bot eine imposante Kulisse und die kurzweilig vorgetragene Erläuterung des Hausherrn über die Geschichte des Anwesens lieferte viele Informationen über die wechselhafte Historie des Hauses. Eine kompakt gefüllte Stunde mit einem raffiniert durchdachten Konzertprogramm war der Anlass für diese besondere Landpartie.
Die Pianistin Jung Eun Séverine Kim ist der Chopin-Gesellschaft treu geblieben, seit sie im Jahre 2015 als Stipendiatin der Chopin-Gesellschaft Hannover gefördert wurde. Inzwischen konzertiert sie weltweit und hat ein eigenes Festival gegründet. Nun war sie beim Picknickkonzert in Remeringhausen zu hören und zu erleben. Eine Pianistin, die mit viel Gespür für die vorgetragenen Werke das Publikum erobert. Bei genauer Betrachtung erschloss sich ein thematischer Zusammenhang des Programms. Maurice Ravel war fasziniert von der Wiener Schule. Seine Sonatine pour Piano hat die Form einer klassischen Sonate und seine Valses nobles drücken die Verehrung für den Wiener Komponisten Franz Schubert aus. In beiden Werken konnte die Pianistin Virtuosität, expressionistischen Klangzauber und klassische Musikform zu einem rauschenden Musikgenuss verschmelzen lassen. Wie nahtlos, nur durch eine Zäsur getrennt, sie Schuberts Valses nobles an Ravels Valses et sentimentales anschloss, war beeindruckend und schlüssig.
Natürlich war bei der thematischen Vorgabe, die die Pianistin gewählt hat, der Zusammenhang zu Mozarts Sonate Facile gegeben. Auch dieses Werk wurde in Wien komponiert. Die klassische Sonatenform erfüllt hier alle Vorgaben. Gebrochene Akkorde, Läufe, Modulationen und die Sonatenhauptsatzform geben die Struktur vor. Der Beiname „Facile“ bezieht sich, wie oft angenommen, durchaus nicht auf die Schwierigkeit des Werkes, sondern auf die Leichtigkeit des Vortrages. Hier gilt es, filigran, brillant und mit äußerster Genauigkeit zu gestalten. Es war ein Genuss, die geradezu tanzenden Finger der Pianistin zu beobachten und ihre klanglichen Schattierungen zu erleben. Wunderbar auch der gesangliche zweite Satz, den sie recht langsam und dennoch fließend vortrug. Das Schlussrondo war keck und virtuos. Mozart ganz puristisch.
Als im Jahr 1789 Paris brannte und das aufständische Volk die Bastille stürzte, war Ravel, der spätere Verehrer der Wiener Klassik, noch nicht geboren. Genau in dieser Zeit, 1789/90, schuf Joseph Haydn eine seiner größten Sonaten im beschaulichen und friedlichen Wien. Die Sonate Es-Dur Hob XVI:49. Ein Werk voller Anmut, gewidmet seiner Verehrerin Marianne von Genzinger. Ergreifend gespielt von Jung Eun Séverine Kim. Wie sie den traumhaften Mittelteil des zweiten Satzes in b-Moll gestaltete, war überirdisch schön. Alles blieb im Fluss, war akzentuiert und herrlich schwebend.
Mit dem Walzer op. 64 Nr.1, dem sogenannten Minutenwalzer, bedankte sich die sympathische Künstlerin für herzlichen und lang anhaltenden Applaus. Die schattenspendenden Bäume der weitläufigen Parkanlage des Gutes boten Gelegenheit, das Konzerterlebniss genussvoll ausklingen zu lassen.
Okka Mallek
Hannover, 23.06.2025
Die Künstlerin

Jung Eun Séverine Kim
Jung Eun Séverine Kim wurde 1994 in Seoul, Südkorea, geboren und wechselte nach dem Abschluss des Jungstudiums am Korean National Institute for the Gifted in Arts bei Daejin Kim und Yoonju Oh im Sommer 2011 an die Musikhochschule in Hannover, wo sie den Studiengang Konzertexamen in der Klasse von Prof. Bernd Goetzke erfolgreich absolvierte. Daneben vertiefte sie ihre Studien im Studiengang Master Kammermusik bei Prof. Markus Becker. Seit dem Sommersemester 2023 ist sie als Lehrbeauftragte an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover tätig.
Sie konnte bei zahlreichen bei internationalen Wettbewerben Preise gewinnen, wie beispielsweise in Newcastle, Salt Lake City, Friedrichshafen und Buxtehude, sowie, nicht zuletzt, beim 15. Internationalen Klavierwettbewerb 2015 unserer Chopingesellschaft.
Programm
Ein Franzose in Wien
Hätten Sie Lust auf einen Spaziergang mit einem Franzosen in Wien?
Das Programm versammelt die Werke, die Maurice Ravel inspiriert von der Musik der ersten Wiener Schule geschrieben hat. Neben seinen virtuosen Meisterwerken ist die „Sonatine pour Piano“ (Kleine Sonate für Klavier) in ihrer Form an eine Sonate der Wiener Klassik angelehnt und ein kleines, dafür umso mehr funkelndes Juwel – genau wie die „Sonate facile“ Mozarts.
Die Es-Dur Klaviersonate Hob.XVI:49 hat Joseph Haydn inspiriert durch seine Anwesenheit in der Musikmetropole Wien komponiert. Nach langer Isolation bei der Familie Esterházy hatte er in Wien eine erfrischende Zeit mit neuen Freunden und Musikern gehabt und das Werk ist für die Dame „Maria Anna von Genzinger“ geschrieben, die von Wigmore als „kultivierte, warmherzige und begabte Pianistin“ bezeichnet wurde.
Ebenso von Schubert inspiriert, hat Ravel seine „Valses nobles et sentimentales“ komponiert, seine ganz persönliche Hommage an den Wiener Walzer. Während Schubert jedoch die „edlen“ und die „gefühlvollen“ Walzer voneinander trennt, fügt Ravel diese kongenial in einem Opus zusammen.
W. A. Mozart | Klaviersonate in C-Dur KV 545 „Sonate Facile“ |
Maurice Ravel | Sonatine pour piano |
Joseph Haydn | Klaviersonate in Es-Dur Hob.XVI:49 |
Maurice Ravel | Valses nobles et sentimentales |
Franz Schubert | Valses nobles D 969 (op. 77) |
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