6 | Klavierabend

Standing Ovations für den jungen Pianisten Yoav Levanon in der Galerie Herrenhausen

Grenzenlose Virtuosität – der Pianist Yoav Levanon setzt neue Maßstäbe.

Er ist eine schillernde Erscheinung mit Temperament, außerordentlicher Virtuosität, musikalischer Reife und scheinbar endloser Kraft: der junge israelische Pianist Yoav Levanon. Es fällt auf, dass die neue Generation der Künstlerinnen und Künstler viel mehr in Kontakt tritt mit dem Publikum. Das schafft Nähe, informiert und lädt die Zuhörer zum aktiven Hören ein. Eine solche Interaktion gelang Yoav Levanon vortrefflich, als er zum Mikrofon griff, das angenehme hannoversche Herbstwetter lobte und seine Zugabe mit Leichtigkeit und Verve ankündigte. Es war ein Klavierabend der Superlative, zu dem die Chopin-Gesellschaft Hannover in die Galerie des Herrenhäuser Schlosses eingeladen hatte.

Mit französischer Barockmusik weckte der Künstler bereits Neugier auf den weiteren Verlauf des Abends. Couperin und Rameau standen auf dem Programm. Zwei hochgeschätzte Virtuosen ihrer Zeit. Rameaus „Le Cyclopes“ erinnerte an den Italiener Scarlatti, der ebenfalls zu den virtuosen Barockkünstlern des ausgehenden 17. Jahrhunderts gehört. In dieser Musik blitzt und funkelt es vor überbordender Virtuosität und Raffinesse. Passend zur barocken Üppigkeit und Fülle der mit Wandmalerei reich verzierten Orangerie des Schlosses Herrenhausen, setzte diese launige und lebensbejahende Musik Akzente.

Als Robert Schumann 1845 Studien für den Pedalflügel komponierte, war das Interesse an diesem Instrument sehr groß, allerdings haben die Orgelwerke des 19. Jahrhunderts den Pedalflügel vollständig verdrängt. Yoav Levanon arrangierte die Studien in Kanon-Form Nr. 3 und 4 für das Manual und leitete damit den virtuosen zweiten Teil des Abends mit Werken der Romatik ein.

Ob Chopin durch den polnischen Dichter Adam Mickiewicz zu seinen vier Balladen inspiriert wurde, mag dahingestellt sein. Auf jeden Fall sind sie von poetischer und rhetorischer Kraft. Es wird in allen vier Werken jede Gefühlsnuance ausgelotet. Von tiefer Melancholie bis zu brillanter Virtuosität, wobei jede Ballade ihren eigenen Charakter hat. Yoav Levanon entfaltete sie zu einem großen Epos. Vielleicht hätten die lyrischen Stellen eine etwas präzisere Pedalisierung vertragen. Bei aller Spielfreude und schönem freien Umgang mit der Agogik geriet doch manche Passage etwas zu verschwommen. Es war aber insgesamt eine überzeugende, elegante und stimmige Interpretation.

Mit den „12 Etudes d’exécution transcendante“ wurde ein pianistischer Höhepunkt erreicht, der zum Staunen und Bewundern einlud. In der Tat scheinen diese hoch virtuosen Werke die Grenzen des Machbaren zu überschreiten. Grenzenlose Virtuosität, aberwitzige Läufe, Akkordsprünge und eher beiläufige Kantilenen kennzeichnen diese extrem schwer zu spielenden Etüden. Durch seine ausgezeichnete Technik war Levanov bestens prädestiniert für diese pianistische Herausforderung. Mit seiner schlanken und charismatischen Erscheinung erinnerte er selbst an den jungen Franz Liszt, dessen Werk er nun so frappierend zu Gehör brachte, wofür er mit tosendem Jubel und stehenden Ovationen bedacht wurde.

Eine kleine Zugabe, die „Arietta“ von Edward Grieg schien wie eine hübsche Kleinigkeit nach so viel Feuerwerk. Nein, es sollte aber noch mehr kommen – eine jazzig angehauchte Improvisation bildete stilvoll den krönenden Abschluss dieses unvergesslichen Abends.

Okka Mallek
Hannover, 11.10.2025

Der Künstler

Yoav Levanon

Yoav Levanon, geboren im Jahr 2004 in Israel, trat zum ersten Mal im Alter von 4 Jahren auf der Bühne auf und wurde bald Gewinner seines ersten Nationalen Klavierwettbewerbs in Israel. Ein Jahr später gewann er seine erste Goldmedaille bei einem internationalen Klavierwettbewerb in den USA und trat auf der renommierten Bühne der Carnegie Hall in New York auf. 

Zu den früheren Auftritten gehört ein Soloauftritt in einem „Piano Summit“, präsentiert von Martha Argerich im Schloss Elmau, gefolgt von einem Konzert beim Piano aux Jacobins Festival in Toulouse und einem Konzert in der Fondation Louis Vuitton in Paris. 

Nach seinem Orchesterdebüt mit dem Israel Chamber Orchestra nahm er am Tsinandali Festival in Georgia teil, wo er Mozart- und Bach-Konzerte für zwei Klaviere und Orchester mit dem gefeierten Pianisten Sergei Babayan spielte. Im Jahr 2019 trat Yoav als einer der jüngsten Pianisten aller Zeiten in der Festivalgeschichte des renommierten Verbier Festivals auf und wurde als „Entdeckung“ gefeiert. Sein erstes Solo-Konzert, das weltweit auf medici.tv ausgestrahlt wurde, gewann das größte Online-Publikum aller Veranstaltungen des Festivals 2019.

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Programm

François Couperin“La Couperin“ Buch IV, Ordre 21
Jean-Philippe RameauLes Cyclopes
Robert SchumannStudien in kanonischer Form op. 56 (Auswahl), arr. für Klavier solo von Yoav Levanon
Frédéric Chopin4 Balladen op. 23, 38, 47 & 52
Franz LisztÉtudes d'exécution transcendante, S139