Das leichte Leben
Pianist William Youn in der Chopin-Gesellschaft
Von Jutta Rinas
Was für eine schlichte und dennoch berührende Melodie! Und was für eine simple, zwischenzeitlich nur alle zwei Takte überhaupt vorkommende Begleitung! Im Grunde schreitet Wolfgang Amadeus Mozart zu Beginn seiner Klaviersonate in B-Dur KV 570 nur den Tonraum einer B-Dur-Tonleiter ab. In der Melodie zunächst mit gebrochenen Dreiklängen, dann, nicht minder simpel, mit einer gleichförmigen Achtelbewegung. Einfach, fast schon banal sieht das in den Noten aus. Aber wie viel Zauber kann sich doch entfalten, wenn ein Pianist die Natürlichkeit, den so selbstverständlichen Fluss dieser Musik zum Klingen bringt.
So wie der 31-jährige Koreaner William Youn – früher Kämmerling-Schüler in Hannover und heute Konzertpianist – bei seinem Auftritt bei Solvay zum Auftakt der Saison 2014 der Chopin-Gesellschaft. Alles macht der trotz seines Alters so jungenhaft wirkende Mann richtig: Das Tempo balanciert er wunderbar aus, die Achtelnotenketten lässt er mit ganz wenig Pedal und wunderschön gleichmäßigem Anschlag wie aus sich selbst heraus wirken.
Mozarts Musik ist unter seinen Fingern viel mehr als ein künstlerisch zusammengestelltes Arrangement aus lauter Tönen. Sie erzählt etwas von der Leichtigkeit, die das Leben manchmal bereithält, wenn die Zeit einfach so vergeht: wenn wir zum Beispiel an einem kalten, klaren Wintermorgen spazierengehen und uns dabei treiben lassen, durch Felder und Wiesen, an einem Wasserlauf vorbei, stundenlang. William Youn trifft an diesem außerordentlichen Abend aber nicht nur den Ton von Mozarts später Sonate genau. Das Andante cantabile der elf Jahre früher komponierten, sehr viel abgründigeren a-Moll-Sonate KV 310 entwickelt er fast aus dem Nichts heraus und verleiht ihm eine so anrührende Ernsthaftigkeit und Intimität in den Ecksätzen und eine so zurückgenommene und dennoch spürbare, innere Dramatik im Mittelteil, dass viele Zuhörer mit geschlossenen Augen lauschen. In Schuberts drei Klavierstücken D 946 arbeitet er dessen tänzerische Heiterkeit genauso heraus wie seinen oft so innigen, volksliedhaften Ton.
Mit einem Chopin-Nocturne, das so dunkel, rätselhaft und schwebend daherkommt wie ein realer Traum und einer ergreifenden f-Moll-Ballade, zieht er sein Publikum am Ende noch einmal in seinen Bann. Die einzige Schwäche dieses Pianisten mag es sein, dass er die Stücke so fein und durchhörbar gestaltet, dass man jedes noch so kleine Nachlassen in der Konzentration deutlicher hört, als es bei den meisten oberflächlicher und unkonturierter spielenden Pianisten der Fall wäre.
Zwei Zugaben gibt er, eine Liszt-Transkription eines Schumannliedes und Chopins berühmten cis-Moll-Walzer op. 64, Nr. 2. William Youn überzeugt auch mit ihnen deutlich mehr als viele andere Pianisten, die man in Hannovers Konzertsälen sonst so hört.