Entdeckerin am Klavier
Yeol Eum Son ist am Sonntag Solistin beim Open-Air-Konzert der Chopin-Gesellschaft im Georgengarten
Von Stefan Arndt
Seit 2006 hat Yeol Eum Son eine Wohnung in Hannover. Damals hat die Pianistin ihr Studium bei Professor Arie Vardi an der Musikhochschule aufgenommen. Zu Beginn des ersten Lockdowns 2020 hat sie zwei Monate ununterbrochen in dieser Wohnung gelebt. „So lange am Stück war ich vorher noch nie in der Stadt“, sagt sie.
Die 37-jährige Südkoreanerin gibt das ganze Jahr über Konzerte in aller Welt. Sie führt ein Leben aus dem Koffer. Die hannoversche Wohnung ist dabei ihr europäisches Basislager. Den Rest der Welt bereist sie von ihrer koreanischen Heimat aus. Nun spielt sie einmal in der Stadt, in der sie schon so lange ein bisschen wohnt: Am 3. September ist sie Solistin beim traditionellen Open-Air-Konzert der Chopin-Gesellschaft Hannover im Georgengarten.
Auf dem Programm steht – neben der „Moldau“ und dem Fagottkonzert von Carl Maria von Weber – das erste Klavierkonzert von Franz Liszt. Yeol Eum Son glaubt, dass das ein Stück ist, mit dem sich das Publikum auch bei einem Picknickkonzert begeistern lässt: „Es ist ein eher kurzes Konzert mit sehr zugänglichen Harmonien und Melodien“, sagt sie. „Und am Schluss wird es ziemlich virtuos – ein sehr romantisches Stück.“ Die Virtuosität macht ihr vorab kaum Sorgen: Der komponierende Pianist Liszt habe dafür gesorgt, dass das Konzert zwar sehr schwer klinge, aber nicht ganz so schwer zu spielen sei.
Zumindest nicht für eine erfahrende Virtuosin wie Yeol Eum Son. 2009 war sie Preisträgerin beim Van-Cliburn-Wettbewerb, zwei Jahre später war sie beim Tschaikowski-Wettbewerb erfolgreich. Zwei so prestigeträchtige Auszeichnungen sind wirkungsvolle Sprungbretter für die Karriere einer Pianistin. Den ganz großen Durchbruch hat Yeol Eum Son zwar noch nicht gehabt. „Ich fühle mich aber gerade gut als Solistin“, sagt sie. Finanziell sei sie nicht übermäßig anspruchsvoll.
Wichtiger ist ihr, dass sie die Möglichkeit hat, immer wieder neue Stücke für sich zu entdecken. Dazu gehören auch einige der Mozart-Klaviersonaten, die sie gerade für das renommierte französische Label Naive auf sechs CDs komplett eingespielt hat. „Die frühen und die späten Sonaten werden kaum im Konzert gespielt“, sagt sie. Dabei hätten auch diese Stücke viel zu bieten: „Die frühen Sonaten sind voller Experimentierfreude. In jedem Stück probiert Mozart etwas anderes aus. Und in den späten gibt es ganz neue Töne und viel Kontrapunktik. Ich bin froh, dass ich diese Stücke für mich entdeckt habe.“
Das Open-Air-Konzert der Chopin-Gesellschaft mit dem Sinfonieorchester Hannover beginnt am 3. September um 15 Uhr im Georgengarten in Herrenhausen. Das Publikum sitzt auf der Wiese, der Eintritt ist frei.