Pressestimmen

24. Februar 2023 – HAZ

„Es geht nicht nur um den ersten Preis“

Bernd Goetzke ist einer der großen Pädagogen der Klavierwelt – und am Sonnabend Juror beim Wettbewerb der Chopin-Gesellschaft Hannover. Was verspricht er sich davon?

Von Stefan Arndt


„Wir stecken noch mitten drin in einem Generationenwechsel“: Bernd Goetzke lehrt seit 1982 in Hannover.
FOTO: MARTIN STEINER (ARCHIV)

Herr Goetzke, der Wettbewerb Chopin-Gesellschaft, der hier am Sonnabend ausgetragen wird, soll den Siegerinnen und Siegern unter anderem ermöglichen, an größeren Wettbewerben teilzunehmen. Ist das eine gute Idee?
Eine sehr gute Idee! Wenn man mit der richtigen Einstellung zu den richtigen richtigen Wettbewerben fährt, kann man enorm von ihnen profitieren. Auch wenn kein erster Preis herausspringt – eine gute Vorbereitung wird über das aktuelle Ziel hinaus weiterwirken. Die Teilnahme an großen Wettbewerben bringt allerdings erhebliche Kosten mit sich, das muss man sich erst mal leisten können. Unser hannoverscher Chopin-Wettbewerb gehört in die Kategorie „klein, aber sehr fein“. Er ist von idealistischem Geist getragen, und es geht um nachhaltige Förderung über den Moment des Finales hinaus.

Sie erwähnen die richtigen Wettbewerbe. Gibt es auch die falschen? 
Es könnte zumindest ein paar weniger davon geben. Nicht alle sind professionell gemanagt oder erscheinen sinnvoll konzipiert. Da rate ich auch schon mal von einer Teilnahme ab.

Gelegentlich ist zu hören, der Konzertmarkt und die Welt der Musikwettbewerbe hätten sich weitgehend entkoppelt. Stimmt das?
Das kann man so allgemein nicht behaupten. Ich kenne zu viele positive Gegenbeispiele, wobei das individuelle Engagement der jeweiligen Wettbewerbsleitung eine entscheidende Rolle spielt. Durch die enorme Zahl der Wettbewerbe könnte allerdings der Prozentsatz der tatsächlich in den Konzertmarkt hineinwirkenden Wettbewerbe gesunken sein.

Warum hat Hannover trotz seiner über viele Jahrzehnte außergewöhnlich erfolgreichen Klavierausbildung einen großen Geigen-, aber nur einen kleinen Klavierwettbewerb?
Dafür braucht es eine treibende Kraft, ein großes Team, Sponsoren, Partner und vieles mehr. Vor 20 Jahren hatte ich sehr ernsthaft über ein Pendant zum Joachim-Wettbewerb nachgedacht, mit der Musikhochschule im Zentrum, natürlich auch noch mit einer Nachwuchskategorie. Ich war schon sehr weit damit gekommen, aber das Projekt hörte nicht auf zu wachsen. Ich hätte mich total darauf konzentrieren müssen, und das hätte ich nicht langfristig garantieren können. Aber vielleicht kommt mal jemand anders, der das in die Hand nimmt.

An der Hochschule ist der Generationenwechsel in der Klavierabteilung ja wohl bald abgeschlossen. Ist er gelungen? Werden auch künftig viele Wettbewerbsgewinner hier studiert haben?
Wir stecken noch mitten drin in diesem Generationenwechsel. Dies ist ein langer und ziemlich komplizierter Prozess. Den Verantwortlichen muss man da gute Entscheidungen wünschen, dann ist alles möglich! Fragen Sie doch in fünf Jahren noch mal nach.

Zur Person

Bernd Goetzke ist 1951 in Hannover geboren und war Schüler des Klavierpädagogen Karl-Heinz Kämmerling und des Pianisten Arturo Benedetti Michelangeli. Ab 1982 hat er selbst als Klavierprofessor an der hannoverschen Musikhochschule gelehrt, an der er seit seiner Emeritierung noch einen Lehrauftrag hat. Er gehört zu den Juroren des 18. Internationalen Klavierwettbewerbs der Chopin-Gesellschaft Hannover, der am Sonnabend, 25. Februar, im Richard-Jakoby-Saal der Hochschule für Musik. Theater und Medien Hannover, Neues Haus 1, ausgetragen wird. Das Vorspiel ist öffentlich und beginnt um 16 Uhr.

Mehr als 5000 Besucher beim Open Air der Chopin-Gesellschaft

Voll besetzte Wiese vor dem Wilhelm-Busch-Museum im Georgengarten / 32. Ausgabe findet nach zwei Jahren Corona-Pause statt
Von Leonie Habisch


Beliebt: Das Open-Air-Konzert der Chopin Gesellschaft Hannover zieht mehr als 5000 Besucherinnen und Besucher an. Foto: Irving Villegas

Mehr als 5000 Besucherinnen und Besucher haben sich zum 32. Open-Air-Konzert der Chopin-Gesellschaft Hannover im Georgengarten versammelt. Auf der Wiese vor dem Wilhelm-Busch-Museum konnten Klassik-Fans nach zwei Jahren Corona-Pause wieder ihre Picknickdecken ausbreiten. „Es ist großartig, dass wir wieder Menschen sehen“, freut sich die Präsidentin der Chopin-Gesellschaft Sookie Schober. Die Leute seien begeistert und zum Teil schon drei Stunden vor Konzertbeginn auf der Wiese gewesen.

„Wir haben Sie sehr vermisst und ich hoffe, Sie uns auch.“ Mit diesen Worten begrüßt Schober das Publikum und bekommt dafür Applaus. Bei blauem Himmel, 24 Grad und Sonnenschein eröffnet dann das Junge Sinfonieorchester Hannover das Konzert mit der Ouvertüre des Musicals Candide von Leonard Bernstein. Den jungen Musikern ist die Spielfreude deutlich anzusehen. Anschließend spielt Petro Freie Joseph Haydns Trompetenkonzert in Es-Dur. Zum Schluss spielt Pianist Sergey Tanin Johannes Brahms’ Erstes Klavierkonzert.

Mit dem kostenlosen Konzert unter freiem Himmel möchte der Verein auch junge Menschen ansprechen. Und das geht auf: Zwar ist das Publikum überwiegend älter, jedoch sind auch Familien und jüngere Menschen dort. So wie Nora Asweh und Linnea ben Brahim, die etwas weiter hinten auf der Wiese im Schatten auf einer Decke sitzen. „Ich war schon ein paar Mal hier und finde gut, dass man draußen ist und Leute treffen kann“, beschreibt Asweh. In eine typische Klassikveranstaltung im Konzertsaal würde sie eher nicht gehen, aber hier gefällt ihr die Stimmung. Auch ben Brahim, die ihre Tochter Awa mitgebracht hat, lobt die „schöne Atmosphäre“.

Auf der anderen Seite der Wiese sitzt Ilka Maserkopf im Klappstuhl an einem Campingtisch mit ihrem Partner und zwei Freunden. Sie haben als Picknick Spieße mit Melone und Chorizo und eine Ziegenkäsetarte mitgebracht. Dazu trinken sie Weißwein aus Gläsern. „Ich komme seit zehn Jahren hierher, weil die Atmosphäre so toll ist, man kann Klassik locker erleben und gemütlich draußen sitzen“, beschreibt Maserkopf. Ihrem Partner Karlo Hackmann gefällt besonders gut, dass das Konzert am Nachmittag und bei so schönem Wetter stattfindet.

Dass die Open-Air-Veranstaltung wieder stattfinden kann und dann auch noch 5000 Besucher wie in den erfolgreichsten Jahren zuvor anzieht, war nicht von Anfang an klar. Während der Corona-Zeit sind dem Verein Sponsoren abgesprungen. Dank Mitgliedsbeiträgen und den verbliebenen Förderern, der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, der Hannoverschen Volksbank und der Stadt Hannover, konnte der Verein dennoch zur diesjährigen Ausgabe

Liebe und Gift

Die Chopin-Gesellschaft Hannover präsentiert in diesem Jahr wieder ein volles Konzertprogramm
Von Stefan Arndt


Die Chopin-Gesellschaft Hannover hat ihr Programm in den vergangenen zwei Jahren wegen der Pandemie stark reduzieren müssen: Von insgesamt knapp 20 geplanten Auftritten konnten nur fünf stattfinden. Um die jungen Pianistinnen und Pianisten trotzdem zu unterstützen, die der Verein für die Konzerte engagiert hatte, wurden Gagen auch für abgesagte Termine überwiesen. Dem Veranstalter schlug daraufhin eine „Welle der Dankbarkeit“ entgegen, wie Chopin-Präsidentin Sookie Schober im neuen Jahresprogramm schreibt. 

Dokumentiert ist diese Dankbarkeit in einer Fülle von Briefen, die die Organisatoren von den Künstlern erhalten haben. „Es gibt nicht viele Menschen auf der Welt, die auf die gegenwärtige Situation der ausübenden Musiker so reagieren wie die Chopin-Gesellschaft Hannover“, schrieb etwa der polnische Pianist Marek Bracha im Dezember 2020. Anderthalb Jahre später wird er seinen für damals geplanten Auftritt nun nachholen: Am12. Juni spielt er hier ein Martinéekonzert.

Saison startet am Sonnabend 

Die neue Saison startet schon morgen – am Sonnabend, 26. März – mit einem Klavierabend der erst 21-jährigen deutschen Pianistin Maria Sophie Hauzel. Sie spielt ein ungewöhnliches Programm unter anderem mit Werken von Clara Schumann, Cecile Chaminade und Alberto Ginastera. Beginn ist um 18 Uhr in den Räumen der HDI-Versicherung (HDI-Platz 1). 

Am 29. April ist Charles Richard-Hamelin zu Gast bei der VHV-Versicherung. Der Kanadier, der seit seinem Erfolg beim Warschauer Chopin-Wettbewerb 2015 bereits auf eine beachtliche Karriere zurückblicken kann, kommt unter anderem mit den 24 Préludes von Chopin, die er gerade für CD eingespielt hat. Mitten in der Pandemie war auch Alexander Gadjiev in Warschau erfolgreich: Er hat 2021 die Silbermedaille und einen Sonderpreis beim Chopin-Wettbewerb gewonnen. Am 15. Mai präsentiert er sich mit Chopin und Schumann in der Christuskirche.

Weitere Gäste in diesem Jahr sind der Koreaner Chi Ho Han, der am 25. November sein Programm „Liebe und Gift – ein Ballett ohne Tänzer“ in Hannover präsentiert, die beiden Wunderkinder-Pianisten Laetitia und Philip Hahn (7. Oktober) und der Italiener Leonardo Pierdomenico (16. September). Das traditionelle Open-Air-Konzert im Georgengarten ist für den 28. August geplant. 

Der deutsche Pianist Emanuel Roch bedankte sich im Januar 2021 für die Unterstützung der Chopin-Gesellschaft. ,,Es ist nicht die finanzielle Zuwendung allein“, schrieb er, „vielmehr das Gefühl der Wertschätzung und dessen, nicht vergessen worden zu sein.“ 

Mit dem Beginn der Saison können sich die Künstlerinnen und Künstler nun wohl endlich wieder selbst mit ihren Konzerten in Erinnerung bringen.

Im Walzerrausch

Emanuel Roch bei der Chopin-Gesellschaft
Von Christian Schütte


2019 hat Emanuel Roch den ersten Preis sowie den Publikumspreis beim internationalen Klavierwettbewerb der hannoverschen Chopin-Gesellschaft gewonnen. Grund genug, den 1998geborenen Pianisten wieder einzuladen. Roch zeigte in der Aula der Kleefelder Schillerschule sein Können.

Höhepunkt war die Interpretation von Ravels „La Valse“. Diese Reminiszenz an den Wiener Walzer mit allen Brechungen und Verfremdungen verlangt bei allem Rausch, die Kontrolle über die vertrackte Komposition nicht zu verlieren. Das ist Roch fabelhaft gelungen.

Unbedingte Konzentration

Vor Ravel spielte der Pianist die ,,Waldstein“-Sonate von Beethoven, verinnerlicht, ja introvertiert an. Die Steigerungen spielte er gleichwohl mit dem notwendigen Nachdruck, die gesamte Interpretation bestach durch unbedingte Konzentration.

Natürlich gehörte auch Chopin zum Programm, auch hier gelang es Roch, der Melancholie der ersten Ballade auf die Spur zu kommen. Das Publikum bedankte sich mit herzlichem Beifall, zum Abschluss spielte der Musiker dann die kurze Eigenkomposition „Wiegenlied“.

Tschaikowsky mit Orchester

Für die erste Konzerthälfte hatte die Chopin-Gesellschaft das Junge Sinfonieorchester Hannover eingeladen. Unter der versierten Leitung von Tobias Rokahr begleitete das Orchester Roch in Tschaikowskys erstem Klavierkonzert. Auch hier zeigte sich das große Talent Rochs, der das gesamte Programm auswendig spielte.

Der einzige kleine Wermutstropfen: Für Tschaikowskys spätromantisch-üppigen Orchesterklang ist die Aula der Schillerschule akustisch kein Ort der ersten Wahl, die Bühne ist kaum groß genug und einige Farben und Details des Orchesters wurden doch recht verschluckt.

Der Reiz des ersten Satzes 

Claire Huangci und Tristan Cornut überzeugen bei der Chopin-Gesellschaft
Von Juliane Moghimi 



Hannover. Frédéric Chopin ist seinem Lieblingsinstrument, dem Klavier, nur selten untreu geworden. Gerade einmal neun Stücke hat er für andere Instrumente komponiert – davon ein einziges für das Cello: seine Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll op. 65.

Der Komponist hat sie seinem Freund Auguste Franchomme gewidmet und mit diesem zusammen im Februar 1848 in Paris die Uraufführung gespielt- allerdings nur die Sätze zwei bis vier, weil er mit dem ersten noch nicht zufrieden war. Diese Aufführung sollte Chopins letztes öffentliches Konzert werden -und die Sonate mit dem nicht mehr überarbeiteten ersten Satz die letzte zu seinen Lebzeiten veröffentlichte Komposition.

Rasend schnelle Läufe 
Nun stand das Werk mit der Opuszahl 65 beim ersten Konzert der Chopin-Gesellschaft Hannover in diesem Jahr auf dem Programm. Die Pianistin Claire Huangci und der Cellist Tristan Cornut stellten dabei im Konferenzraum der HDI-Versicherungen eindrucksvoll unter Beweis, dass auch der von Chopin selbst so stark in Zweifel gezogene erste Satz seine Reize hat.

Der Komponist verlangte den Musikern viel ab: rasche Tempi, Doppelgriffe und rasend schnelle Läufe von der tiefsten bis hoch in die Daumenlage auf dem Cello, komplexe Rhythmen, harmonische Rückungen und riesige Amplituden auf dem Klavier. Das Duo bewältigte all das nicht nur spielend, die beiden Musiker waren dabei auch sehr gut aufeinander abgestimmt. Die Agogik der Musik, die dynamischen Entwicklungen, die Stimmungswechsel – all das gestalteten sie gemeinsam, auch bei den zuvor erklungenen „Fantasiestücken a­Moll“ für Klavier und Cello von Robert Schumann. Diese Einigkeit der Instrumente war vor allem der Pianistin zu verdanken, die das Kunststück vollbrachte, dem Cellisten zu folgen und gleichzeitig selbst hochmusikalisch zu agieren. 

Balance stimmt nicht ganz 
Einzig die klangliche Balance zwischen den beiden Instrumenten stimmte nicht ganz. Der Steinway Flügel, auf dem Claire Huangci im ersten Teil des Konzerts Mozarts Klaviersonate Nr. 14 c-Moll, Chopins „Introduktion und Bolero a­Moll/A-Dur“ sowie die „Ungarischen Tänze“ 1-5 von Brahms meisterhaft solistisch vorgetragen hatte, überdeckte mit seinem typischen kristallinen Klang vor allem die tie­feren Töne des Cellos. 

Dies mag auch der Akustik des Raumes geschuldet gewesen sein, aber es wäre reizvoll gewesen, einem Versuch mit geschlossener Flügeldecke zu lauschen.


Info Das nächste Konzert der Chopin-Gesellschaft Hannover findet am Sonntag, 23. Februar, in der Schillerschule statt. Dort werden der Pianist Emanuel Roch und das Junge Sinfonieorchester Hannover unter anderem Pjotr Tschai­kowskis berühmtes Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll aufführen.

Maria Häring lässt den Flügel singen

Bei der Chopin-Gesellschaft unternimmt der Pianist eine Expedition ins Innenleben der Klänge

Von Stefan Arndt


Was machen eigentlich die Töne in einem Flügel, die gerade nicht erklingen? Warten sie (auf)gespannt auf ihren Saiten still und stumm darauf, dass sie selbst an der Reihe sind? Oder singen sie, wenn ein Nachbar angeschlagen wird, nicht vielleicht schon heimlich mit? Mit seinem ungewöhnlichen Spiel kann der Pianist Mario Häring solche ungewöhnlichen Fragen auslösen: Sein Auftritt bei der Chopin-Gesellschaft im Saal von Hannover Rück war auch eine Expedition ins Innenleben der Klänge. 

Häring wurde 1989 in Hannover geboren, ist in Berlin aufgewachsen und war vor drei Jahren an der Mu­sikhochschule seiner Geburtsstadt einer der ersten Absolventen der Klavierklasse von Lars Vogt. Längst hat er eine eigene Stimme gefunden: Bei ihm ist etwa zu spüren, dass zwischen zwei Tönen nicht einfach nichts ist. Spielt er sie gleichzeitig, ergibt das nicht nur ein Intervall – der Pianist spannt vielmehr einen Klangraum auf, über dem die Obertöne leuchten wie Sterne in klarer Nacht. 

Ein reicher Klang 

Obertöne sind die einzelnen Komponenten, die den spezifischen Klang eines Tones färben. Von Instrument zu Instrument ist ihre Zusammensetzung unterschiedlich, aber auch von Spieler zu Spieler. Bei Häring ist der Klavierklang besonders reich an diesen Komponenten: Wenn er einen Ton anschlägt, beginnt der ganze Flügel zu singen.

Das passt ideal zur schwebend­farbigen Musik von Claude Debussy. Bei der Chopin-Gesellschaft spielt Häring den ersten Band von dessen „Préludes“: poetische Miniaturen, die „Schritte im Schnee“ beschreiben oder die duftige Schönheit des „Mädchens mit den Flachshaaren“. Die „Versunkenen Kathedralen“ könnten dabei auch ein Bild für das Spiel des Pianisten sein, der unter der glatten Oberfläche des Klanges ein reiches Innenleben auffächert. 

Schuberts a-Moll-Sonate (D 784) erweist sich mit ihren zarten Gesängen ebenfalls als Paradestück für Häring. Beethovens „Appassionata“ -Sonate, die eher nach geballter Faust verlangt als nach sensibler Klangauslotung, scheint dem Pianisten nicht ganz so ideal zu liegen, löst aber auch große Begeisterung im gut gefüllten Saal aus. 

5000 Zuhörer erleben fulminantes Open-Air-Konzert im Georgengarten

Musikgenuss an einem lauschigen Sommerabend im Georgengarten: Zum 31. Mal hat die Chopin-Gesellschaft Hannover zum Open-Air-Konzert geladen. Rund 5000 Zuhörer erlebten ein fulminantes Konzert mit zwei spannenden Solisten.


Hannover „Wir feiern Lindenhochzeit, denn heute ist das 31. Open-Air-Konzert“, sagte Sookie Schober, die Vorsitzende der Chopin-Gesellschaft Hannover, bei der Begrüßung des gut gelaunten Publikums. Unter wolkenlosem Himmel genossen etwa 5000 Menschen im Georgengarten Picknick und Musik. Für die Köstlichkeiten auf den Decken hatte jeder selbst gesorgt. Den musikalischen Genuss auf der Bühne gestaltete das Junge Sinfonieorchester Hannover unter der Leitung von Tobias Rokahr.

Fetziger Säbeltanz

Gleich zu Beginn fetzte der temperamentvoll dargebotene Säbeltanz von Aram Khachaturian über die Wiese. Der Ohrwurm des armenischen Komponisten gehört zu seiner großen Balletterzählung „Gayaneh“. Mit zwei weiteren Stücken daraus präsentierte sich das Orchester als leistungsstarkes Ensemble, das dem eleganten und ausdrucksstarken Dirigat von Rokahr willig folgte. Das galt ebenfalls für die aufmerksame Begleitung der folgenden Solokonzerte.

Die junge Geigerin Ioana Cristina Goicea füllte in der Carmen-Fantasie von Pablo de Sarasate auch die virtuos glitzernden Passagen mit innigem Ausdruck und Klangschönheit. Mit ihrem vollendeten Spiel machte die preisgekrönte rumänische Solistin vom ersten Ton an klar, dass sie dieses Werk nicht nur als bravouröses Vorzeigestück versteht, sondern als ernst zu nehmende Musik mit Tiefgang.

Preisträger am Klavier

Mit dem 1991 in Georgien geborenen Luka Okros saß nach der Pause bei Tschaikowskys berühmten ersten Klavierkonzert der richtige Mann am Klavier. Der Preisträger des hannoverschen Chopinwettbewerbs von 2017 spielte mit makelloser Technik, kräftigem Zugriff und, wo geboten, mit sensiblem Anschlag. Besonders im zweiten Satz zauberte er lyrische Momente in den Park. Störend dabei war, dass die Mikrofone auch das Geräusch der Pedaltechnik übertrugen. Nach furiosem Finale und jubelndem Beifall dann noch zwei Zugaben: eine impressionistisch klingende Eigenkomposition und das Moment Musicaux Op. 16, 4 von Rachmaninoff.

Die nächsten Konzerte der Chopin-Gesellschaft: Am Sonntag, 15. September, 11.30 Uhr, spielt Pianist Emre Yavuz auf Schloss Bückeburg, am 25. und 26. Oktober ist der „Karneval der Tiere“ in der Musikhochschule zu hören.

Von Claus-Ulrich Heinke

Liebesschmelz auf der Wiese

Wie ein Abschied vom Sommer: Open -air der Chopin­-Gesellschaft läuft unter bes­ten Voraussetzungen

VON GÜNTHER HEISS



HANNOVER. Sommer, Sonne, Sarasate da­mit hat die Chopin gesellschaft Hannover wieder einen perfekten Dreiklang in den Georgengarten gezaubert. So schön kann ein Open-air-kon­zert sein, wenn das Wetter mit­spielt und die Künstler erstklas­sig sind. Und das in diesem Jahr zum 31.Mal!

Rund 7000 Klassikfans zog es auf die große Wiese vor der Orchester­bühne in den Herrenhäuser Gärten- mit Picknickkorb, Bollerwagen und Klappstuhl. Und natürlich müssen dann auch konzertante Schlachtrösser auf dem Programm stehen: wie etwa Khatchaturian, Sarasate und Tschaikowski. Im Mittelpunkt die Carmen Fantasie von Pablo Sarasate mit der jungen Geigerin Ioana Cristina Goicea. Sie holte aus dem Bravourstück alles heraus: Zigeunertimbre, Liebes­schmelz und traumhaft sichere Doppelgriffe – trotz Hitze alles sauber präsentiert.

Eingeheizt hatte der Chefdirigent Tobias Rokahr seinem Jungen Sin­fonieorchester Hannover schon vorher mit einigen Stücken aus Khatchaturians Gayanehsuite. Auch denen schien die Hitze nichts auszumachen. Mit kompromisslos direkter Geste brachte er das Orchester zum Funkeln. Aber auch mild melancholische Passagen wurden nachdenklich ausgespielt, und manchmal wehte schon so etwas wie ein Abschied vom Sommer über die Wiese.

Nach der Pause Tschaikowskis b­-moll Klavierkonzert mit dem ge­orgischen Pianisten Luka Okros. Der begann erst ein bisschen ge­mütlich, nahm sich Zeit und ließ sich vom Dirigenten willig mit dem Orchester koordinieren. Zum Schluss des zweiten Satzes nahm er deutlich Fahrt auf und fand im letzten dann zu dem virtuosen Schwung, der dieses Stück so un­verwüstlich macht. Da waren dann auch zwischendurch die Lautspre­cher etwas überfordert – aber da­für ist es eben Open Air.

Starker Beifall für Pianisten und Orchester. Noch einige Klavierzu­gaben waren nötig, bis sich die Begeisterung des Publikums legte.


ABKÜHLUNG: Viele Besucher setzten sich angesichts der Temperaturen in den Schatten der Bäume.

Schneller als das Auge

Ein Konzert mit den Gewinnern des Wettbewerbs der Chopin-Gesellschaft Hannover


Ein einzelner Schweißtropfen funkelt an Emanuel Rochs Nasenspitze, als er das Ende der berühmten, von Ferruccio Busoni für Klavier bearbeiteten Chaconne in d-Moll von Johann Sebastian Bach erreicht. Der Tropfen allein bezeugt, wie viel Kraft das anspruchsvolle, meisterhaft gespielte Programm den jungen deutschen Pianisten wohl gekostet hat.

Denn der 21-jährige Roch strahlt während des gesamten Vortrags eine große innere Ruhe aus. In seinem Spiel liegt eine solche Selbstverständlichkeit, dass es fast scheint, als bediene sich die Musik seiner Hände und nicht umgekehrt. Bei den Préludes aus Frederic Chopins op. 28 schöpft er mit seinem weichen Anschlag die pastellene Palette dieser vielgestaltigen Musik gekonnt aus. Franz Liszts Etüde „Mazeppa“ über den Todesritt eines untreuen Pagen spielt er so rasend schnell und virtuos, dass das Auge seinen Fingern nicht mehr folgen kann.

Es steht wohl außer Frage: Vom ersten Preisträger und Publikumsgewinner des diesjährigen Internationalen Klavierwettbewerbs der Chopin-Gesellschaft Hannover wird die Musikwelt noch so einiges hören.

Entscheidung per Stichwahl

Weil sie dieselbe Punktzahl erlangt hatten, so erzählt die Präsidentin der Chopin-Gesellschaft, Sookie Schober, konnte die Wettbewerbsjury nur durch eine Stichwahl zwischen Emanuel Roch und seinem Konkurrenten Lukasz Byrdy den Sieger küren. Der 24-jährige Pole musste sich letztlich mit dem zweiten Platz zufriedengeben.

Wie meisterhaft auch er das Instrument beherrscht, stellt er im ersten Teil des Preisträgerkonzerts im VHV-Gebäude unter Beweis. Ihm liegen die dynamischen Gegensätze, die etwa die G-Dur-Sonate op. 31 von Ludwig van Beethoven fordert. Er kokettiert regelrecht mit den Wechseln vom Pianissimo zum Forte, von Dur nach Moll. Wunderbar lautmalerisch gestaltet Byrdy auch die Préludes von Claude Debussy, bei denen er jede Sekundreibung auskostet und am Ende das musikalische Feuerwerk des „Feux d‘artifice“ über die gesamte Tastatur eruptieren lässt.

Der Internationale Klavierwettbewerb der Chopin-Gesellschaft Hannover findet alle zwei Jahre statt. Die drei Preisträger erhalten zwei Jahre lang ein monatliches Stipendium.

Von Juliane Moghimi

Jubiläumskonzert lockt 5000 Zuhörer in Georgengarten

30 Jahre gibt es die beliebten Open-Air-Konzerte im Georgengarten. Zum Jubiläumskonzert der Reihe versammeln sich am Sonntag mehr als 5000 Zuhörer auf der Wiese vor dem Wilhelm-Busch-Museum.


Hannover Feinste Klassik-Klänge und Picknick unter freiem Himmel, das ist nicht nur im Maschpark eine gelungene Mischung, sondern auch im Georgengarten. Am Sonntagnachmittag haben sich mehr als 5000 Musikliebhaber das Jubiläumskonzert der Chopin-Gesellschaft auf der Wiese vor dem Wilhelm-Busch-Museum angehört. Zum 30. Geburtstag der Reihe spielt das Jugendsinfonieorchester Hannover unter der Leitung von Tobias Rokahr Werke von Schostakowitsch, Arien unter anderem von Puccini und Chopins Klavierkonzert Nr. 1. „Wir haben ein locker-flockiges Programm“, sagt der Vorsitzende des Orchesters Sebastian Georgi. Als Solisten treten auf Magdalena Hinz (Sopran) und Konstantin Lee (Tenor), sowie der Weltklasse-Pianist Kevin Kenner. „Wir sind ein bisschen stolz, dass wir ihn bekommen haben“, sagt Georgi.

Für manche Besucher geht ein Klassik-Wochenende im Freien zu Ende. „Bei der Freiluft-Oper im Maschpark am Sonnabend mussten wir vorzeitig gehen, weil es so kalt wurde“, sagt Sylvia Langhans. Doch im Georgengarten am Sonntag lassen die Temperaturen einen ausgedehnten Aufenthalt zu, für den Langhans und ihre Familie bestens vorbereitet sind. Eine Kaffeetafel haben sie aufgebaut und Klappstühle aufgeschlagen. Schwiegermutter Christa Siebert, bereits hoch betagt, hat kaum ein Konzert der Reihe ausgelassen. „Und unsere Picknick-Ausstattung wurde von Konzert zu Konzert größer“, sagt Langhans.

Dagegen sitzen Annette Koch und Claudia Luschei nur auf ihren Jacken. „Wir sind spontan vorbeigekommen“, sagt Luschei. Eigentlich wollten beide mit dem Rad zum Biergarten Dornröschen fahren, unterwegs trafen sie eine Bekannte, die ihnen vom Konzert im Georgengarten erzählte. „Da haben wir uns umentschieden“, sagt Koch. 

30 Jahre währt die Konzertreihe nun schon, und sie soll keinesfalls enden. Für Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD), der zu Beginn eine kurze Rede hält, ist die Veranstaltung ein Aushängeschild für Hannover und seine kulturellen Aktivitäten und damit auch ein Baustein für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2025. 

Von Andreas Schinkel

Cornelia La Fougère (links), Sookie Schober und Anna-Luise BäßIer vom Vorstand der Chopin-Gesellschaft. FOTO: STEFAN ARNDT

Zukunft und Vergangenheit

Das Open Air der Chopin-Gesellschaft
Von Stefan Arndt


„Wir haben es geschafft“, sagt Sookie Schober und strahlt ihre Kolleginnen an: 30 Jahre lang hat die Chopin-Gesellschaft Hannover jeden Sommer ein Open-Air Konzert im Georgengarten ausgerichtet. Am morgigen Sonntag wird es wieder so sein: Um 15 Uhr beginnt die Jubiläumsausgabe. Zum Geburtstag gönnt sich der Verein, der sich der Förderung von jungen Pianisten verschrieben hat und daher eher in die Zukunft orientiert ist, ausnahmsweise einen Blick zurück: Solist beim Konzert mit dem Jungen Sinfonieorchester Hannover ist der Pianist Kevin Kenner, der 1990 den ersten Wettbewerb der Chopin-Gesellschaft in Hannover gewonnen hat. 

Dass Kenner damals nur ein halbes Jahr später den ungleich größeren Chopin-Wettbewerb in Warschau, eine der weltweit wichtigsten Veranstaltungen für Pianisten, ebenfalls gewann, zeugt auch von Geschick und Weitsicht der Verantwortlichen der Chopin-Gesellschaft. Derzeit gehören derzeit neben der Präsidentin Sookie Schober unter anderem auch Cornelia La Fougère und Anna-Luise Bäßler dazu und sorgen nicht nur für die Organisation und Planung des Open Air-Konzertes, sondern auch für das regelmäßige Programm des Vereins. Acht Konzerte werden pro Saison an verschiedenen Orten ausgerichtet, dazu kommt alle zwei Jahre der Wettbewerb für junge internationale Pianisten.

Probleme, die Konzertsäle zu füllen, hat die Chopin Gesellschaft derzeit nicht. Trotzdem wünscht sich der Vorstand mehr neue Mitglieder für den Verein, dem zu Beginn vier Familien angehörten – heute sind es rund 400. Mit ihnen und Förderern wie der Walter und Charlotte Hamel Stiftung, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und der Volksbank soll auch die Open Air-Reihe über das Jubiläum hinaus fortgesetzt werden. 30 Jahre sind schließlich kein Alter.

Träumerische Entrücktheit

Sonatenabend mit Violine und Klavier zum Jahresauftakt der Chopin-Gesellschaft
von Michael Meyer-Frerichs


Schon zum elften Mal war die Chopin-Gesellschaft Hannover mit ihrem ersten Konzert des Jahres in den Räumen der Solvay GmbH an der Freundallee zu Gast Einen Sonatenabend für Violine und Klavier erlebte der Raum aber wohl zum ersten Mal, gehört die Ausrichtung von Kammermusikkonzerten doch nicht zum „Kerngeschäft“ der Chopin-Gesellschaft. Wie gut, dass es auch Ausnahmen von der Regel gibt.

Den Abendbestritten Yeol Eum Son (Klavier) und Clara-Jumi Kang (Violine). Die beiden Anfang dreißigjährigen Musikerinnen gehören in ihrem Heimatland Korea zu den populärsten klassischen Musikern, sind in Deutschland und Europa aber, trotz zahlreicher Preise, noch nicht so bekannt, wie es ihr Können zulassen würde.

Mit Werken von Clara und Robert Schumann, Sergeij Prokofiew und Richard Strauss hatten sie ein vornehmlich romantisches Programm ausgewählt, wobei keines der Stücke besonders häufig im Konzertsaal zu hören ist. Die Drei Romanzen für Violine und Klavier von Clara Schumann sind kurze Charakterstücke, die wohl am ehesten mit Mendelssohns Liedern ohne Worte zu vergleichen sind. Die Fünf Melodien von Prokofiew sind in ihrer Ursprungsfassung tatsächlich Lieder ohne Worte, sie sind nämlich für Singstimme ohne Text und Klavier komponiert. Später hat Prokofiew sie dann sehr kunstvoll für Violine und Klavier bearbeitet. Die erste Violinsonate von Robert Schumann passt sehr gut zu diesen Werken, ist sie doch auch sehr komprimiert und dicht gesetzt. Die Kürze der drei Sätze erinnert eher an eine Sonatine, der satztechnische und emotionale Gehalt hingegen bewegt sich auf höchstem Niveau. Ein wenig aus dem Rahmen fällt die Violinsonate Es-Dur von Richard Strauss, als virtuoser und konzertanter Höhepunkt des Konzerts: eine große Konzertsonate, die durchaus auf Wirkung angelegt ist ohne aber kompositorische Qualität zu vernachlässigen. An einigen Stellen kann man schon die sinfonischen Dichtungen, vor allem Don Juan, vorausahnen.

Yeol Eum Son und Clara-Jumi Kang erwiesen sich an diesem Abend als Meisterinnen der intimen Töne. Sie präsentierten sich als großartige kammermusikalische Einheit, phrasierten und atmeten gemeinsam. Ein perfekteres Zusammenspiel ist wohl nur schwer zu erreichen. Besonders Clara-Jumi Kang verstand es immer wieder mit wunderbaren Flautando-Klängen das Publikum in eine träumerisch entrückte Stimmung zu versetzen. In Robert Schumanns Gedankenwelt würde man wohl sagen, dass den Musikerinnen Eusebius (der Milde) sehr viel näher ist als Florestan (der Wilde). Dieser Interpretationsansatz kam den Werken von Clara Schumann und Prokofiew sehr entgegen und war auch für Robert Schumanns Sonate in weiten Bereichen stimmig. Hinreißend gelang auf diese Art und Weise die Zugabe, Kreislers Liebesleid, das man wohl nur selten so intim melancholisch zu hören bekommt. Die Strauss-Sonate hätte aber ein wenig mehr Mut zum Risiko vertragen können, und etwas weniger Kontrolle hätte ihr noch mehr Kraft und Überzeugungskraft verliehen.

Hauptproblem des Abends war aber die sehr trockene und gedämpfte Akkustik des Saals. Selbst wenn die Instrumentalistinnen sichtbar mit voller Kraft und körperlichem Einsatz musizierten blieb das Klangvolumen weit entfernt von dem, was man in einem kleineren Saal erwarten darf. Schade, denn vielleicht hätte gerade die Sonate von Strauss in einer anderen Akkustik eine ganz andere Wirkung erzielt.

Die Reihe der Sieger

Das neue Programm der Chopin-Gesellschaft Hannover
VON STEFAN ARNDT


Seit 40 Jahren bereichert die Chopin-Gesellschaft Hannover das Konzertleben mit einem eigenen, sehr qualitätsvollen Programm. Die enge Zusammenarbeit des Vereins mit einigen der weltweit wichtigsten Klavierwettbewerbe bringt immer wieder junge Pianisten in die Stadt, die bald darauf große Karriere machen. Populärer Höhepunkt des Konzertjahres ist das Open­Air-Konzert im Georgengarten ­ am 26. August richtet die Chopin­ Gesellschaft es zum 30. Mal aus.
 
Zum Saisonauftakt am 26. Januar bei Solvay (Freudallee 9a) sind die Pianistin Yeol Eum Son und die Geigerin Clara-Jumi Kang zu hören. Son hat Preise beim texanischen Van-Cliburn­ und beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb gewonnen. Dass sie nach ihrem Auftritt im vergangenen Jahr nun wieder in Hannover zu hören ist, liegt aber vor allem daran, dass sie hier an der Hochschule studiert.

Die meisten anderen Solisten der acht Chopin-Konzerte dieses Jahres haben aber eine längere Anreise. Alex Beyer(3. März) studiert außer Klavier auch Mathematik an der Havard University. Der Russe Vitaly Pisarenko (20. April) bekommt derzeit den letzten Schliff in London, und Charles Richard-Hamelin (17. Juni) wurde in Montreal so gut ausgebildet, dass er vor drei Jahren zu den Preisträgem des renommierten Warschauer Chopin­Wettbewerbs gehörte.

Den eigenen, alle zwei Jahre ausgetragenen Wettbewerb und die damit verbundenen Stipendien versteht die Chopin-Gesellschaft als Unterstützung zur Teilnahme an größeren Wettbewerben. Wie weit sich Luka Okras, der Gewinner des vergangenen Jahres, schon auf den Weg in die Weltspitze begeben hat, kann man am 28. September überprüfen. Am 26. Oktober gibt es ein besonderes Konzertformat mit Klavier (Elisabeth Brauß), Gesang und Lesungen, bevor zum Saisonfinale am 30. November ein frisch gekürter Preisträger des diesjährigen Concours Geza Anda zu Gast sein wird. ‚

Info: Karten gibt es per Mail (chopinhannover@t-online.de) und unter Telefon (0511) 55 42 22.

Rekord im Garten

VON STEFAN ARNDT


Das Wetter hat bestens mitgespielt – und die Musiker sowieso: Die 29. Ausgabe des Open-Air-Konzertes der Chopin Gesellschaft Hannover hat am Sonntagnachmittag so viele Besucher in den Georgengarten gezogen wie seit Langem nicht mehr. Nach Angaben der Veranstalter waren rund 7500 Zuhörer im Park dabei, als das Junge Sinfonieorchester Hannover unter Leitung von Tobias Rokahr schwungvoll und sicher Auszüge aus Peter Tschaikowskis Ballettmusiken spielte. Der große Beifall steigerte sich noch, als die Solisten dazukamen.

Zunächst waren die Sänger zu erleben, die im vergangenen Jahr den Gesangswettbewerb der Hamel-Stiftung gewonnen hatten: Bariton Denis Milo und Sopranistin Carmen Artaza sangen jeweils Arien von Mozart und Rossini, bevor si

Erster Platz für Luca Okros

Klavierwettbewerb der Chopin-Gesellschaft
Von Michael Meyer-Frerichs


Alle zwei Jahre veranstaltet die Chopin- Gesellschaft Hannover ihren internationalen Klavierwettbewerb. Im Musikleben Hannovers ist dieser hochkarätig besetzte Wettbewerb leider nicht so bekannt, wie er es verdient hätte. Mit den Professoren Bernd Goetzke (HMTM Hannover) und Wolfgang Manz (Musikhochschule Nürnberg) gehören der fünfköpfigen Jury zwei Schüler des hannoverschen Klavierpapstes Karl-Heinz Kämmerling an. Die weiteren Mitglieder sind Prof. Konrad Elser (Musikhochschule Lübeck), Prof. Piotr Paleczny (Fryderyk-Chopin-Musikuniversität Warschau) und Volker Hagedorn (Bratscher und Musikjournalist),

Diese fünf Fachleute müssen über Sieg und Platzierung der Kandidaten entscheiden. Keine leichte Aufgabe, wie Wolfgang Manz bei der Preisverleihung zugibt, entscheiden bei dem hohen Niveau der jungen Pianisten am Schluss doch oft weiche Kriterien wie Tagesform und natürlich auch Geschmack und musikalische Prägungen der einzelnen Juroren.

Das Besondere an diesem Wettbewerb ist, dass er komplett ehrenamtlich organisiert wird. Die Teilnehmer sind bei Gastfamilien untergebracht, das Catering wird von Mitgliedern der Chopin-Gesellschaft und deren Angehörigen auf die Beine gestellt, und auch die gesamte Arbeit im Vorfeld wird von Mitgliedern der Gesellschaft unentgeltlich erledigt

In diesem Jahr war all dies mit noch mehr Arbeit verbunden, da zum ersten Mal die Hochschule nicht zur Verfügung stand. Als Ausweichquartier diente das Auditorium des Sprengel-Museums. Leider kann die Akustik nicht mit der im Konzertsaal der Hochschule mithalten, der Flügel klingt etwas gedämpft, was wohl vor allem dem Stoffvorhang auf der Bühnenrückseite zuzuschreiben ist.

Über jeden Zweifel erhaben
Los geht es mit Verzögerung, da einige Konzertbesucher wegen der angespannten Parkplatzsituation am Maschsee nicht pünktlich erschienen waren. Für die Kandidaten des Wettbewerbs keine leichte Aufgabe, ihre Konzentration länger hoch zu halten. Die Kandidaten, die es in die Endrunde geschafft haben, kommen in diesem Jahr aus Georgien (Luca Okros), Russland (Anna Khomichko und Dmitry Rodionov) und Südkorea (Sung-Jae Kim und Lucia Mihyun Ahn).

Technisch sind alle fünf über jeden Zweifel erhaben, sodass am Schluss vermutlich tatsächlich Faktoren wie Programmzusammenstellung, Gestaltung von Klang und Dynamik, Phrasierung und Ähnliches über die Platzierungen entschieden haben. Die Jury erkannte Luca Okros den 1. Preis, Sung-Jae Kim den 2. Preis und Lucia Mihyun Ahn den 3. Preis zu. Die junge Koreanerin erhielt zusätzlich den Publikumspreis.

Zukunftsmusik 


Wie ein kleiner Verein große Konzerte veranstaltet: Charles Richard-Hamelin bei der Chopin-Gesellschaft Hannover

VON STEFAN ARNDT 


Diese Musik klingt wie gemalt. Zum stolzen Rhythmus des Themas von Chopins „Introduktion und Rondo“ in Es-Dur etwa könnte man sich einen Offizier des 19. Jahrhunderts vorstellen, der in blitzender Uniform aufrecht auf dem Pferd sitzt. Ein prachtvolles, farbintensives Historiengemälde. 

Der junge kanadische Pianist Charles Richard-Hamelin allerdings, der das Stück jetzt beim Konzert der Chopin-Gesellschaft in der bis auf den letzten Platz gefüllten Christuskirche spielte, gibt sich mit einem einfachen Bild nicht zufrieden. Bei ihm hört man eine ganze Romanszene: den Liebeskummer, der den tapferen Blick des Soldaten umflort, und den Lärm der Schlacht, in die er gleich ziehen muss. 

Richard-Hamelin ist ein Meister darin, unter der eleganten Oberfläche von Chopins Musik tiefenscharfe Panoramen zu entfalten. Selbst in Miniaturen wie den „Drei Marzurken“ op. 59 entdeckt er viel mehr als nur einen einzigen Ausdruck. Auf kleinstem Raum überlagern sich bei ihm verschiedene Stimmungen, bis auch das kürzeste Stück zum faszinierenden Psychogramm wird. 

Debüt in Hannover 

Mit seinem Spiel hat der 1989 geborene Pianist bereits einige Anerkennung auf internationalem Parkett gewonnen: Er war Preisträger bei Wettbewerben an seinem Studienort Montreal und in Seoul, beim renommierten Chopin-Wettbewerb von Warschau landete er im vergangenen Jahr sogar auf dem zweiten Platz. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass dem vielversprechenden Künstler auch die Konzertsäle der Welt offenstünden. Zwar knüpfen sich an Wettbewerbserfolge oft erste Kontakte – aber es dauert, bis sich die tatsächliche Qualität bei den Konzertveranstaltern und -agenten herumspricht.

Umso erstaunlicher ist es, wie reaktionsschnell und treffsicher die Programmplaner der Chopin-Gesellschaft Hannover sind. Noch bevor sich für die Künstler das Auftrittskarussell richtig zu drehen beginnt, sind sie oft schon in Hannover zu hören. Richard-Hamelin, der beim Gastspiel in der für Klavierabende akustisch bestens geeigneten Christuskirche erstmals in Deutschland zu hören war, ist da kein Einzelfall. Sophie Pacini, Andrew Tyson und viele andere waren nach ihrem Auftritt bei dem kleinen Konzertverein bald bei größeren Veranstaltern zu erleben – in Hannover beispielsweise in den Pro-Musica-Reihen. 

Richard-Hamelins Auftritt verspricht jedenfalls mehr, als sich an den Wettbewerbserfolgen seiner Biografie ablesen lässt. Er hat schon jetzt neben erheblichen technischen Möglichkeiten, einem großen Ausdrucksvermögen und viel Klangfantasie jenen eigenen Tonfall, der ihn aus der Masse der viel-versprechenden Nachwuchspianisten heraushebt. 

Bei der Chopin-Gesellschaft hat man für solche Feinheiten offensichtlich besonders feine Ohren. Richard-Hamelin, so war am Rande des Konzertes zu erfahren, wurde gerade von einer deutschen Konzertagentur unter Vertrag genommen. Man wird also auch ihn wiederhören. Und kann sich schon darauf freuen.

Ein Orden für die Präsidentin

Internationale Auszeichnung für Chopin-Gesellschaft

VON STEFAN ARNDT


Sookie Schober

Die Chopin-Gesellschaft Hannover ist einer der aktivsten musikalischen Vereine der Stadt. Sie stellt nicht nur regelmäßig ein umfangreiches Konzertprogramm auf die Beine, sondern bemüht sich unter anderem mit einem ambitionierten Klavierwettbewerb auch intensiv um den künstlerischen Nachwuchs. Das hat nun auch der Internationale Verband der Chopin-Gesellschaften gewürdigt. Bei der Jahrestagung des Weltverbandes in Warschau verlieh der polnische Kulturminister Sookie Schober, der Präsidentin des hannoverschen Vereins, auf Vorschlag des Verbandes einen Orden für „Verdienst um die polnische Kultur“. Außerdem wurde Schober zur Vizepräsidentin der Internationalen Gesellschaft gewählt.

Die Geehrte selbst wertet diese Auszeichnungen als Anerkennung für die Arbeit des gesamten Vorstands der hannoverschen Chopin-Gesellschaft. Ein Ergebnis dieser Arbeit ist das neue Jahresprogramm, das jetzt veröffentlicht wurde.

Die Konzertsaison startet am 22. Januar mit dem jungen russischen Pianisten Aleksandr Shaikin, der am Freitag, 22. Januar, um 19 Uhr bei Solvay (Freundallee 9a) Werke von Schubert und Chopin spielt. Weitere Recitals gestalten Nikolay Khozyainov (23. April, Sprengel-Museum) und der in Hannover ausgebildete Pianist Haiou Zhang (5. Juni, Rittergut Eckerde). Der Kanadier Charles Richard-Hamelin war im vergangenen Jahr bereits beim renommierten Warschauer Chopin-Wettbewerb erfolgreich und wird am 2. Dezember in der Christuskirche zu hören sein. Den bescheideneren hannoverschen Chopin-Wettbewerb gewann im selben Jahr der Pole Lukas Krupinski. Er spielt am 23. September bei Talanx.

Zu den besonderen Projekten gehören ein deutsch-koreanischer Kammermusikabend am 20. Februar in der Musikhochschule und ein Hindemith-Programm mit Kammermusik für sonst vernachlässigte Instrumente wie Bratsche und Posaune am 21. Oktober in Herrenhausen. Das traditionelle Open-Air-Konzert geht am 21. August über die Bühne im Georgengarten. Auf dem Programm stehen Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ und Gershwins „Rhapsody in Blue“. Tobias Rokahr dirigiert das Junge Sinfonieorchester Hannover, Solist ist der amerikanische Pianist Andrew Tyson.

Krupinski gewinnt Chopin-Wettbewerb


Der polnische Pianist Lukasz Krupinski hat den 15. Internationalen Klavierwettbewerb der Chopin-Gesellschaft Hannover gewonnen. Der 23-jährige Musiker aus Warschau überzeugte die Jury beim Finale am Sonnabend im ausverkauften Richard-Jakoby-Saal der Musikhochschule in Hannover mit Werken von Frédéric Chopin und Alexander Skrjabin. Gleich zwei Pianisten aus Südkorea, Minsoo Hong aus Busan und Severine Jung Eun Kim aus Seoul, erreichten gleichberechtigt den zweiten Platz. Ein dritter Preis wurde nicht vergeben. Den mit 1000 Euro dotierten Publikumspreis errang der Chinese Lin Ye. Ruzanna Minasyan aus Armenien erhielt einen spontan gestifteten Sonderpreis. Für die Musikhochschule war es insgesmt ein äußerst erfolgreicher Wettbewerb: Ruzanna Minasyan, Severine Jung Eun Kim und Lin Ye studieren in Hannover.

Die Pianistin der Klavierhauptstadt

Luiza Borac hat in Hannover früh Förderer gefunden / Am Wochenende sitzt sie in der Jury des Klavierwettbewerbs der Chopin-Gesellschaft.

VON STEFAN ARNDT


Flügel in Kirsche, Flügel in Nuss, Flügel in Hochglanzlack. Hinter dem Schaufenster glänzen edle Hölzer und die schwarz-weißen Zahnreihen von Tastaturen, wohin man nur blickt. Davor sind Metronome drapiert, Notenständer, Radiergummis in Form von Instrumenten und allerhand andere musikalische Kinkerlitzchen. Es ist zwar nur ein Zufall, dass ausgerechnet dieses Geschäft im Erdgeschoss des Hauses seinen Sitz hat, in dem Luiza Borac lebt, aber es passt doch zu gut, dass die Rumänin immer an der Auslage vom Klavierhaus Döll vorbeigeht, bevor sie in ihre Wohnung tritt. Die Nähe zwischen Instrumentenhandlung und Instrumentalisten mitten im Herzen der Altstadt illustriert vergleichsweise anschaulich die Bedeutung, die Hannover auf der musikalischen Weltkarte hat. Seit Jahrzehnten ist die Stadt ein wichtiges Zentrum des Klavierspiels, das Musiker aus ganz Europa, aus Asien und Amerika anzieht. So sichtbar wie das Schaufenster gegenüber der Marktkirche ist das in der Regel nicht.

Denn nur die wenigsten der herausragenden Pianisten, die hier seit Generationen an der Musikhochschule ausgebildet werden, bleiben danach auch in der Stadt. Luiza Borac ist da eine Ausnahme. Fast noch als Kind kam sie nach Hannover, um bei Karl-Heinz Kämmerling, dem 2012 verstorbenen Doyen der Klavierprofessoren, zu studieren. Und sie hat der Stadt bis heute die Treue gehalten. So kommt es, dass sie an einem Tag einen Klavierabend in der renommierten New Yorker Carnegie Hall spielt – und zwei Tage später schon wieder ihre Klavierschüler an der Musikschule im Haus der Jugend unterrichtet.

Boracs Lebenslauf ist die Erfolgsgeschichte einer außergewöhnlichen Musikerin. Begonnen hat alles mit einem Zeitungsartikel. Beate Geiseler, damalige Präsidentin der Chopin-Gesellschaft Hannover, las 1990 einen enthusiastischen Bericht über den Auftritt der jungen Pianistin bei einem Wettbewerb in Italien. Borac war im Halbfinale ausgeschieden, was den anwesenden Musikkritiker ärgerte, weil so die „poetischste Künstlerin“ aus dem Feld geworfen wurde. Geiseler fand die Adresse der unbekannten Musikerin in Rumänien heraus und lud sie zum Konzert nach Hannover ein.

„Der Brief war auf Französisch geschrieben“, erinnert sich Borac noch heute amüsiert und erstaunt darüber, dass ihr Glück mit der klangvollen Anrede „Chère Mademoiselle“ begonnen hat. Beim Konzert in Hannover war zufällig Klavierprofessor Kämmerling zugegen, der Borac sofort einen Platz in seiner Klavierklasse anbot. Und weil der Rumänin die Mittel fehlten, zum Studium nach Deutschland zu kommen, sprang die Chopin-Gesellschaft mit einem Jahresstipendium ein. „Das Besondere war, dass die Förderung sich über einen längeren Zeitraum erstreckte“, sagt Borac heute. „Das ist für einen Musiker gerade am Anfang unendlich wichtig.“

Darum freut sie sich auch, am kommenden Sonnabend in der Jury beim Internationalen Klavierwettbewerb zu sitzen, den die Chopin-Gesellschaft bereits zum 15. Mal ausrichtet. Die Intention des Wettbewerbs ist bescheiden: Er zählt sich nicht zu den großen Spektakeln, bei denen den Künstlern die Türen zu den Konzertpodien der Welt geöffnet werden sollen. Der Wettbewerb möchte Musiker am Anfang ihrer Laufbahn fördern, um ihnen weitere Karriereschritte zu ermöglichen. Zu gewinnen gibt es vor allem Stipendien, die einen Studienplatz mitfinanzieren oder Reisekosten zu Wettbewerben abdecken können.

Tatsächlich sind unter den bisherigen Preisträgern viele heute namhafte Pianisten zu finden. Natürlich auch Luiza Borac, die inzwischen weit mehr als 25 Preise erhalten hat. Sie erhält regelmäßig Auszeichnungen für ihre CD-Einspielungen. Der größte Erfolg bislang war der englische BBC Award, eine Art Klassik-Oscar, für Aufnahmen mit Werken ihres Landsmannes George Enescu. Auch eine Einspielung mit Etüden von Frederic Chopin war höchst erfolgreich. „Diese Stücke waren schon während meines Studiums enorm wichtig“, sagt sie, „ich habe sie immer wieder gespielt.“

Daran scheint sich auch für die heutigen Studenten wenig geändert haben. Bei der Vorauswahl für den Wettbewerb am Wochenende hat Borac diese Stücke von vielen Bewerbern gehört. Fünf Kandidaten hat sie schließlich zusammen mit der Jury ausgewählt. Sicher wird mindestens einer darunter sein, der nach dem Finale zumindest eine Zeit lang unter die Obhut der Chopin-G

Wie von selbst

Das Beste hob sich David Theodor Schmidt bis zum Schluss auf: Die fulminante Interpretation von Johann Sebastian Bachs Chaconne d-Moll war das Finale bei seinem Konzert bei der Chopin-Gesellschaft. Die Einnahmen daraus gehen an die HAZ-Weihnachtshilfe.


Hannover. Man mag darüber streiten, wie viel Bach in den Transkriptionen des Deutsch-Italieners noch steckt. Busoni transkribiert ja nicht einfach ein Werk des Thomaskantors so, dass es auf einem modernen Flügel spielbar ist. Er verändert Abschnitte, fügt Stimmen hinzu, ergänzt Vortragsbezeichnungen, kurzum: Er bemüht sich, das Stück emotional nachzuschöpfen und für den Hörer seiner Zeit zu übersetzen. Dabei ist es erstaunlich zu hören, wie unbeschadet Bachs kompositorisches Material all dies zulässt und wie viel es offensichtlich auch einem Musiker an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zu sagen hatte. Was Busoni hier macht, ist also eine komponierte Interpretation des originalen Notentextes und zeigt ganz nebenbei dessen großartige Qualität.

Der junge deutsche Pianist David Theodor Schmidt, 2006 Gewinner des Klavierwettbewerbs der Chopin-Gesellschaft, widmete sich dem Werk mit Ernsthaftigkeit und tiefer emotionaler Hingabe. In jedem Ton war zu hören, wie sehr ihm diese Musik am Herzen liegt. Dabei ist Schmidt nicht der Typ Tastenlöwe, der sich die Musik als Folie zur Darstellung seiner Persönlichkeit einverleibt. Er nahm Busonis Bearbeitung mit all ihren akribischen Angaben zu Temporelationen, Dynamik, Ausdruck und Klangfarbe sehr genau und machte damit – fast nebenbei – auch die Ernsthaftigkeit hörbar, mit der Busoni an seine Bearbeitung herangegangen ist.

Schmidt befreit die Chaconne von jeder virtuosen Vordergründigkeit. Wo es musikalisch nötig ist, macht er Einzelstimmen hörbar – sein Spiel ist aber so klar durchstrukturiert, dass die polyphonen Stimmen meist ganz von selbst hervortreten. Sein Faible für Bearbeitungen des Leipziger Meisters bewies Schmidt im gesamten zweiten Teil des Konzerts, in dem auch Bearbeitungen von Wilhelm Kempff und Myra Hess zu hören waren.

Im ersten Konzertteil widmete sich der junge Pianist den frühen Balladen von Johannes Brahms und dem Sonnetto 104 aus dem zweiten Band der „Années de pèlerinage“ von Franz Liszt. Auch hier bewies er sein Gespür für Klangfarben und fein austarierte Tempomodifikationen. In den Brahms-Balladen hätte man sich an wenigen Stellen einen klareren und durchsichtigeren Anschlag gewünscht, um die Struktur der Einzelstimmen noch besser zu verstehen.

Passend zu dem reifen und abgeklärten, aber nie emotionslosen Vortrag rezitierte Schauspielstudent Marcel Zuschlag Gedichte und Balladen rund um das Thema Liebe von Petrarca, Shakespeare und Schiller. Er interpretierte die Gedichte intensiv und bohrend, ließ bei Schiller allerdings auch die Komik nicht zu kurz kommen. Der innere Konflikt stand im Zentrum, wie auch bei der Ballade „Edward“ von Johann Gottfried Herder: Edward hat unter dem Einfluss seiner Mutter den Vater ermordet und verlässt Haus und Güter, um sein Tun zu sühnen. Mit Goethes „Zum Neuen Jahr“ endete das Konzert mit einer nachdenklichen Note.

Das Publikum in den gut gefüllten Räumlichkeiten der Hannover Rück SE entließ den Pianisten nicht ohne Zugabe. Mit der Sarabande aus Bachs Partita I brachte Schmidt ein Original aus Bachs Feder zu Gehör und bewies auch hier seine innere Affinität zu dieser Musik.

Von fremden Ländern

Die Chopin-Gesellschaft in der Orangerie Herrenhausen

VON LUDOLF BAUCKE 


Mit zwei Neuerungen präsentierte sich die Chopin-Gesellschaft Hannover am Wochenende in ihrer Soirée. Sie lud zum einen in die Herrenhäuser Orangerie ein, im Gegensatz zum über Jahre gewohnten benachbarten Wilhelm-Busch-Museum ist das ein akustisch besserer Raum. Dieser soll nun auch künftig genutzt werden, und das passt gut zu den städtischen Plänen, das Herrenhäuser Ensemble als winterliches Kulturzentrum zu aktivieren. Zum andern hatte sich die Chopin-Gesellschaft mit dem Klavierprofessor Bernd Goetzke verbündet. Aus dessen Klavierklasse kamen zehn junge Talente, darunter sieben Pianistinnen aus allen Phasen des Studiums von der Vorklasse des Instituts zur Frühförderung musikalisch Hochbegabter bis zur Soloklasse.

Weil kaum ein Talent Musik seines Heimatlandes spielte, eignete sich Schumanns „Von fremden Ländern und Menschen“ vorzüglich als Motto. Das Charakterstück wurde vom sehr jungen Florian Albrecht als nachdenkliche Visitenkarte gespielt

Spieltechnisch Kniffliges von Brahms, Schumann und Liszt prägte einen Gutteil des Programms, doch anregender gerieten andere Erkundungen. Die Südkoreanerin Sae-Nai Kim etwa gestaltete drei Ginastera-Tänze aus einem Guss. Ihre chinesische Kollegin Chia-Chen Chiang kostete die Anmut in Beethovens Sonate op. 54 mit viel Fingerspitzengefühl aus. Eine weitere Pointe lieferte Narmin Narafli. Die aus Aserbaidschan stammende Pianistin gestaltete Ligetis Etüde „Arc-en-ciel“ so plastisch und so elegant, dass die Musik ihren modernistischen Schrecken verlor. Viel Beifall und seitens der Chopin-Gesellschaft die Zusicherung, dass weitere Klavierklassen eingeladen werden.

Royale Musik vor dem Busch-Museum

Tolle Stimmung beim Chopin-Open-Air im Georgengarten mit viel britischer Musik.


HANNOVER. Georg hießen die Könige aus Hannover auf dem britischen Thron. Da ist es doch angemessen, die royale Verbindung mit einem besonderen Konzert nun im Georgengarten zu feiern. Zum mittlerweile 26. Mal gabs vor dem Museum Wilhelm Busch das open-Air-Konzert der Chopin-Gesellschaft.

Trotz Bewölkung und teilweise leichtem Nieselregen genossen doch rund 2500 Besucher draußen die Musik – liegend, auf Campingstühlen sitzend und lustwandelnd. Zwischendurch konnte man sich vom mitgebrachten Picknick bedienen und die besondere Atmosphäre genießen.

Wenn britische Musik gefragt ist, darf Edward Elgar nicht fehlen: Drei Märsche aus „Pomp and Circumstances“ gab es. Dazu sechs bekannte Songs aus Großbritannien. Darunter „Greensleeves” oder „Rule Britannia” – zum Mitsingen. nach der Pause das zweite Klavierkonzert von Franz Liszt.

Wieder mit dabei war das Junge Sinfonieorchester Hannover unter der Leitung von Tobias Rokahr (42). Ergänzt wurde das Konzert im Freien von drei erfolgreichen jungen Künstlern: dem Bariton Sönke Tams Freier (25), der Sopranistin Iva Martincevic (23) und dem Pianisten Kausikan Rajeshkumar (24). Das begeisterte Zusammenspiel der jungen Künstler in lockerer Picknick-Atmosphäre sorgte trotz des doch recht trüben Wetters für warme Begeisterung. dhc

Das leichte Leben 

Pianist William Youn in der Chopin-Gesellschaft

Von Jutta Rinas


Was für eine schlichte und dennoch berührende Melodie! Und was für eine simple, zwischenzeitlich nur alle zwei Takte überhaupt vorkommende Begleitung! Im Grunde schreitet Wolfgang Amadeus Mozart zu Beginn seiner Klaviersonate in B-Dur KV 570 nur den Tonraum einer B-Dur-Tonleiter ab. In der Melodie zunächst mit gebrochenen Dreiklängen, dann, nicht minder simpel, mit einer gleichförmigen Achtelbewegung. Einfach, fast schon banal sieht das in den Noten aus. Aber wie viel Zauber kann sich doch entfalten, wenn ein Pianist die Natürlichkeit, den so selbstverständlichen Fluss dieser Musik zum Klingen bringt.

So wie der 31-jährige Koreaner William Youn – früher Kämmerling-Schüler in Hannover und heute Konzertpianist – bei seinem Auftritt bei Solvay zum Auftakt der Saison 2014 der Chopin-Gesellschaft. Alles macht der trotz seines Alters so jungenhaft wirkende Mann richtig: Das Tempo balanciert er wunderbar aus, die Achtelnotenketten lässt er mit ganz wenig Pedal und wunderschön gleichmäßigem Anschlag wie aus sich selbst heraus wirken.

Mozarts Musik ist unter seinen Fingern viel mehr als ein künstlerisch zusammengestelltes Arrangement aus lauter Tönen. Sie erzählt etwas von der Leichtigkeit, die das Leben manchmal bereithält, wenn die Zeit einfach so vergeht: wenn wir zum Beispiel an einem kalten, klaren Wintermorgen spazierengehen und uns dabei treiben lassen, durch Felder und Wiesen, an einem Wasserlauf vorbei, stundenlang. William Youn trifft an diesem außerordentlichen Abend aber nicht nur den Ton von Mozarts später Sonate genau. Das Andante cantabile der elf Jahre früher komponierten, sehr viel abgründigeren a-Moll-Sonate KV 310 entwickelt er fast aus dem Nichts heraus und verleiht ihm eine so anrührende Ernsthaftigkeit und Intimität in den Ecksätzen und eine so zurückgenommene und dennoch spürbare, innere Dramatik im Mittelteil, dass viele Zuhörer mit geschlossenen Augen lauschen. In Schuberts drei Klavierstücken D 946 arbeitet er dessen tänzerische Heiterkeit genauso heraus wie seinen oft so innigen, volksliedhaften Ton. 

Mit einem Chopin-Nocturne, das so dunkel, rätselhaft und schwebend daherkommt wie ein realer Traum und einer ergreifenden f-Moll-Ballade, zieht er sein Publikum am Ende noch einmal in seinen Bann. Die einzige Schwäche dieses Pianisten mag es sein, dass er die Stücke so fein und durchhörbar gestaltet, dass man jedes noch so kleine Nachlassen in der Konzentration deutlicher hört, als es bei den meisten oberflächlicher und unkonturierter spielenden Pianisten der Fall wäre. 

Zwei Zugaben gibt er, eine Liszt-Transkription eines Schumannliedes und Chopins berühmten cis-Moll-Walzer op. 64, Nr. 2. William Youn überzeugt auch mit ihnen deutlich mehr als viele andere Pianisten, die man in Hannovers Konzertsälen sonst so hört.

Einfach schwer

Ein neuer Mozart-Spezialist: William Youn eröffnet die Saison bei der Chopin Gesellschaft Hannover

Von Stefan Arndt


Auf den ersten Blick lässt sich eine einfachere Musik kaum vorstellen: Mozarts Es-Dur Sonate KV 282, die der Komponist gerade einmal 19-jährig in München geschrieben hat, beginnt mit einer langsamen Einleitung aus wenigen, sparsam gesetzten Akkorden, der eine volkstümliche Melodie über einer schlichten, fast stereotypen Begleitung folgt. Es ist eigentlich kein Stück, mit dem ein junger Virtuose sich seinem Publikum vorstellt. Und doch steht die Sonate am Beginn eines groß angelegten Aufnahmeprojektes, mit dem der koreanische Pianist William Youn sich nun ein neues Publikum erobern will. 

Der 31-Jährige wird in den kommenden Jahren sämtliche Klaviersonaten Mozarts bei Oehms Classics einspielen. So möchte er seine Karriere, die in Amerika und Asien bereits Fahrt aufgenommen hat‚ auch in Europa fortsetzen. Youn lebt zurzeit in München, was allerdings nicht sein erster Deutschlandaufenthalt ist. Als 18-Jähriger kam er zum Studieren nach Hannover. An der Musikhochschule waren dort zunächst Karl-Heinz Kämmerling und nach dessen Tod Bernd Goetzke seine Lehrer.

Bei ihnen mag Youn das außergewöhnlich konzentrierte Spiel gelernt haben, das nun seiner Version der Mozart-Sonate zugute kommt. Vom ersten Akkord an macht Youn klar, dass diese Musik einfach, aber nicht einfältig ist. Als seine „schweren Sonaten“ hat Mozart selbst die Stücke bezeichnet, die er im Jahr der Es-Dur-Sonate komponiert hat. In ihnen zeigt sich erstmals vollkommen klar der typische Mozart-Ton, der mit wenigen Noten und ohne oberflächlichen Effekt erstaunliche Emotionen ausdrücken kann. Doch gerade die Präzision der musikalischen Sprache macht die Stücke anfällig. Eine nachlässige Phrasierung‚ ein schlecht ausbalancierter Akkord können hier viel zunichte machen.

Youn jedoch entgeht allen Versuchungen, bei besonders schönen Stellen das Tempo zu dehnen oder über vermeintlich Unwichtiges hinwegzueilen. Bei ihm haben alle Phrasen Luft und Ziel, dazu kommt eine wunderbare Anschlagtechnik, die den Klang bei allen Differenzierungsmöglichkeiten immer brillant erscheinen lässt und durchaus ein wenig an den großen Mozart-Pianisten Friedrich Gulda erinnert.

Als entdeckenswerter Pianist ist Youn eine Idealbesetzung auch für die Chopin Gesellschaft Hannover, deren diesjährige Saison der Koreaner mit einem Konzert am 24. Januar um 19 Uhr bei Solvay (Freundallee 9a) natürlich auch mit Werken von Mozart eröffnet. In acht Veranstaltungen übt sich die Gesellschaft darin, die Stars von morgen zu präsentieren, was tatsächlich mit erstaunlicher Regelmäßigkeit gelingt.

In diesem Jahr steht dabei in einem Konzert erstmals nicht ein einzelner Pianist, sondern ein Pädagoge im Mittelpunkt. Am 18. Oktober präsentiert Youns ehemaliger Lehrer Bernd Goetzke seine aktuelle Klavierklasse. „Von fremden Ländern und Menschen“ ist der Abend mit einem Stücktitel von Robert Schumann überschrieben, der hier wörtlich zu verstehen ist: Die jungen Pianisten kommen aus sechs verschiedenen Ländern und spielen Werke von Komponisten ihrer Heimat.

David Theodor Schmidt, Jahrgang 1982, ist wohl der in Deutschland bereits arrivierteste Künstler im diesjährigen Programm. Sein Konzert am 29. November mit Werken polnischer Komponisten wird einen Tag später zugunsten der HAZ-Weihnachtshilfe wiederholt. Die Chinesin Boyang Shi, die am 9. Mai auftritt, ist zumindest an ihrem Studienort Hannover schon bekannt: Sie hat im vergangenen Jahr den 14. Internationalen Klavierwettbewerb der Chopin Gesellschaft gewonnen. Auch das Jubiläum der 300-jährigen Personalunion zwischen Hannover und England wird im Programm bedacht: Am 16. März spielt der junge Engländer Benjamin Grosvenor im britischen Konsulat, und das Open-Air-Konzert im Georgengarten am 7. September steht unter britischen Vorzeichen. Weitere Konzerte geben der vielfach ausgezeichnete Franzose Francois Dumont (16. Februar) und der amerikanische ARD-Preisträger Ben Kim (6. Juli).