Schneller als das Auge
Ein Konzert mit den Gewinnern des Wettbewerbs der Chopin-Gesellschaft Hannover
Ein einzelner Schweißtropfen funkelt an Emanuel Rochs Nasenspitze, als er das Ende der berühmten, von Ferruccio Busoni für Klavier bearbeiteten Chaconne in d-Moll von Johann Sebastian Bach erreicht. Der Tropfen allein bezeugt, wie viel Kraft das anspruchsvolle, meisterhaft gespielte Programm den jungen deutschen Pianisten wohl gekostet hat.
Denn der 21-jährige Roch strahlt während des gesamten Vortrags eine große innere Ruhe aus. In seinem Spiel liegt eine solche Selbstverständlichkeit, dass es fast scheint, als bediene sich die Musik seiner Hände und nicht umgekehrt. Bei den Préludes aus Frederic Chopins op. 28 schöpft er mit seinem weichen Anschlag die pastellene Palette dieser vielgestaltigen Musik gekonnt aus. Franz Liszts Etüde „Mazeppa“ über den Todesritt eines untreuen Pagen spielt er so rasend schnell und virtuos, dass das Auge seinen Fingern nicht mehr folgen kann.
Es steht wohl außer Frage: Vom ersten Preisträger und Publikumsgewinner des diesjährigen Internationalen Klavierwettbewerbs der Chopin-Gesellschaft Hannover wird die Musikwelt noch so einiges hören.
Entscheidung per Stichwahl
Weil sie dieselbe Punktzahl erlangt hatten, so erzählt die Präsidentin der Chopin-Gesellschaft, Sookie Schober, konnte die Wettbewerbsjury nur durch eine Stichwahl zwischen Emanuel Roch und seinem Konkurrenten Lukasz Byrdy den Sieger küren. Der 24-jährige Pole musste sich letztlich mit dem zweiten Platz zufriedengeben.
Wie meisterhaft auch er das Instrument beherrscht, stellt er im ersten Teil des Preisträgerkonzerts im VHV-Gebäude unter Beweis. Ihm liegen die dynamischen Gegensätze, die etwa die G-Dur-Sonate op. 31 von Ludwig van Beethoven fordert. Er kokettiert regelrecht mit den Wechseln vom Pianissimo zum Forte, von Dur nach Moll. Wunderbar lautmalerisch gestaltet Byrdy auch die Préludes von Claude Debussy, bei denen er jede Sekundreibung auskostet und am Ende das musikalische Feuerwerk des „Feux d‘artifice“ über die gesamte Tastatur eruptieren lässt.
Der Internationale Klavierwettbewerb der Chopin-Gesellschaft Hannover findet alle zwei Jahre statt. Die drei Preisträger erhalten zwei Jahre lang ein monatliches Stipendium.
Von Juliane Moghimi