6 | Klavierabend


Alexei Zuev spielt romantische Klaviermusik 

Text: Okka Mallek 
Hannover, 24.09.2011

Der Pianist Alexei Zuev hatte schweres musikalisches Gepäck mitgebracht, als er auf Einladung der Chopin-Gesellschaft einen Konzertabend mit romantischer Klaviermusik in der Empfangshalle der Concordia Versicherung gab. Verhoben hat sich der junge Russe damit aber keineswegs, denn seine enorme technische und musikalische  Bandbreite erlauben ihm eine solch gigantische Programmauswahl. Der erste Konzertteil war ausschließlich Frédéric Chopin gewidmet. Mit der Introduktion und dem Rondo in Es-Dur, der Ballade Op. 7 sowie der f-Moll Fantasie und dem Scherzo Op. 54  konnte der Künstler sich warm spielen für die Großtat des zweiten Konzertteils, in dem die Dante-Sonate von Franz Liszt und das Konzert ohne Orchester Op. 14 von Robert Schumann folgten.

Mit sparsamen Spielbewegungen und geschmeidigem, durchweg etwas verhaltenem Ton interpretierte Zuev die Werke Chopins. Ähnlich kammermusikalisch und improvisiert anmutend könnte man sich, nach Überlieferung von Zeitzeugen, auch das Spiel Chopins vorstellen. Sehr introvertiert und nicht immer die komplette dynamische Möglichkeit ausreizend, aber mit makelloser Technik und überzeugender Phrasierung und Agogik gelang es Zuev, das Publikum zu begeistern. 

Das notwendige vorwärts drängende Temperament sparte der Künstler sich für den zweiten Teil auf. Liszts Dante-Sonate mit ihrer enormen technischen Herausforderung gilt als eines der schwierigsten Klavierwerke. Zuev meisterte dieses grandiose programmatische Werk, dem Dante Alighieris episches Gedicht „die göttliche Komödie“ zugrunde liegt, überzeugend und schlüssig. Dramatisch veranschaulichte Zuev die höllische Vision der literarischen Vorgabe und gestaltete dieses Meisterwerk zu einem musikalischen Erlebnis.

Schumanns große Sonate in f-Moll, in ihrer endgültigen Fassung als Konzert ohne Orchester veröffentlicht, verdient ihren Namen zu Recht. Der orchestral angelegte erste Satz mit seiner polyphonen Satzstruktur ist von der klassischen Sonatenhauptsatzform weit entfernt. Zuev vertiefte sich mit großem Ernst in dieses tiefgründige viersätzige Werk. Selbst das Scherzo des zweiten Satzes in Des-Dur ist eher düster als scherzhaft und der Variationssatz, dem ein Andantino von Clara Wieck zugrunde liegt sowie der vierte Satz, ein Prestissimo possible mit markanten Synkopierungen und chromatischen Wendungen, verlangen ein hohes Maß an Konzentration. Zuev gelang es, die Stimmung dieses auf den ersten Blick eher unzugängliche Werk dem Hörer nahe zu bringen.

Alexey Zuev

im Jahr 1982 in St. Petersburg geboren, begann mit dem Klavierspiel als Siebenjähriger. Ausbildungszentren waren die Musikschule von St. Petersburg, das dortige Vorkonservatorium und eine spezielle Fachschule für Hochbegabte. Die raschen Fortschritte führten bereits 1999 dazu, dass Zuev den zweiten Preis beim Internationalen Prokofiew-Wettbewerb in seiner Heimatstadt erhielt (ein erster Preis wurde nicht vergeben). – Im April 2002 wurde Zuev der „Educational Award“ beim Londoner Klavierwettbewerb zugesprochen, im September 2004 gewann er die Kissinger Klavierolympiade in Bad Kissingen, und im Juni 2008 ging er mit Rang 5 aus dem Internationalen Svjatoslav-Richter-Wettbewerb in Moskau hervor. 2009 schliesslich gewann er beim Zürcher Concours Géza Anda den 2. Preis.

Alexey Zuev nahm auch an verschiedenen Meisterkursen teil, so etwa an der Internationalen Sommerakademie in Salzburg (2001), an den von Wilhelm Kempff gegründeten Beethoven-Meisterkursen in Positano oder auch beim „Music Camp“ in Toblach. Im Mai 2001 und im Juni 2005 wurden Zuev Stipendien der Bösendorfer-Klavierfabrik verliehen, und im Oktober 2003 wurde er Stipendiat des Herbert-von-Karajan-Zentrums Wien. Seit 2000 ist Alexey Zuev Student von Alexei Lubimov an der Universität für Musik und darstellende Kunst Mozarteum Salzburg.

Verschiedene Konzertreisen haben den Künstler bereits durch Europa geführt. Im Herbst 2009 trat er beim Warschauer Chopin-Festival auf und geplant sind Konzerte mit den Grazer Symphonikern, dem Vojvodina Symphony Orchestra und eine Deutschland-Tournee mit der Mährischen Philharmonie sowie Rezitale in Moskau, Hannover und in der Salle Molière von Lyon. Das Repertoire ist weit gespannt und führt von Bach über die Wiener Klassik und die Romantik bis zur klassischen Moderne mit gelegentlichen Ausflügen in die zeitgenössische Musik.

Programm

Frédéric ChopinIntroduktion und Rondo op. 16
Ballade op. 47
Fantasie op. 49
Scherzo op. 54
Franz LisztDante-Sonate
Robert SchumannKonzert ohne Orchester f-moll
op.14 für Klavier