2 | Klavier­konzert mit Orchester

Junges Sinfonieorchester Hannover, Tobias Rokahr; Emanuel Roch, Klavier

Wie eine Schulaula zur großen Bühne wird.

Peitschender Regen und gewaltige Sturmböen überraschten wohl jeden Konzertbesucher auf dem Weg zur Schillerschule Hannover an diesem trüben Februarsonntag. Eine schlichte Schulaula war das Ziel zahlreicher Liebhaber klassischer Musik, die der Einladung der Chopin-Gesellschaft Hannover gefolgt sind und sich auf den Weg gemacht haben.

Eine schlichte Aula, eine mit schwarzen Vorhängen drapierte Bühne und ein großer, alter Schulflügel. Nein, keine Hochglanzpolitur, aber ein gut erhaltener und sorgfältig restaurierter Steinway. Auf dieser Bühne haben sicher schon manche Pennäler Theateraufführungen, Schulkonzerte und Abiturentlassungen erlebt. Die typische Aura eines Gymnasiums nahm den Raum ein – bis Emanuel Roch, preisgekrönter und hoch begabter Pianist diese Bühne in ein Podium mit internationalem Flair verwandelte. Vergessen waren Wind und Wetter und Schulatmosphäre.

Allein ein Blick auf das Programm ließ Vorfreude und gespannte Erwartung aufkommen. Das Klavierkonzert Nr. 1 von Tschaikowsky, die Waldsteinsonate von Beethoven, La Valse von Ravel und Chopins Ballade Nr. 1 sind ausnahmslos Werke für echte Könner. Dass Emanuel Roch zu den vielversprechenden jungen Pianisten gehört, daran konnte nicht gezweifelt werden. Vor einem Jahr wurde er mit dem 1. Preis des internationalen Klavierwettbewerbs der Chopin-Gesellschaft Hannover ausgezeichnet. Zahlreiche weitere Preise und Konzertverpflichtungen ebnen bereits den Weg dieses Künstlers. Nun startete Emanuel Roch seinen Klavierabend mit dem Klavierkonzert b-Moll von Tschaikowsky. Begleitet wurde er von dem Jungen Sinfonieorchester Hannover, das unter der Leitung seines Dirigenten, Tobias Rokahr, immer wieder zu erstaunlichen Leistungen angespornt wird. Gelegentlich fällt auf, dass es sich um ein semiprofessionelles Orchester handelt, wenn zum Beispiel solistische Einsätze einzelner Instrumentengruppen nicht immer auf den Punkt genau kommen. Es gibt aber so viele Tuttieinsätze in diesem gewaltigen Konzert, dass der Gesamteindruck überzeugt. Was macht dieses Werk überhaupt zum meistgespielten Klavierkonzert? Ist es die Energie, die Klangdichte oder sind es die Akkordbrechungen des Anfangsmotivs über 7½ Oktaven? Wenn Emanuel Roch Tschaikowsky spielt, ist es darüber hinaus noch eine klangliche Wärme und eine Tiefgründigkeit, die sein Spiel kennzeichnet. Das kommt auch seinem Verständnis für die Waldseinsonate von Ludwig van Beethoven zu Gute. Sein interpretatorisches Konzept überzeugt auch hier. Die orchestrale Fülle des ersten Satzes dieser Grande Sonate, gepaart mit anspruchsvoller Virtuosität, die Überleitung in das schlichte und zarte Anfangsthema des Rondos – in jedem Detail sind Linien und Strukturen hörbar. Kompromisslos und konsequent gestaltet Emanuel Roch auch „La Valse“, dieses extrem schwierige Stück von Ravel. Hier gibt es keine wienerische Walzerseligkeit, sondern vielmehr eine bizarre Überhöhung, die in einen gigantischen Walzertaumel mündet. Diesen Spannungszustand hat Emanuel Roch virtuos herauskristallisiert.

Wie zur Beruhigung wirkte danach Chopins Ballade g-Moll mit ihrem wiegenden 6/8tel Takt des Anfangsthemas und der Fülle an Kantilenen. Auch hier war nicht zu überhören, dass Emanuel Roch an Details gefeilt und fein geschliffen hat.

Ein elegisches Wiegenlied aus eigener Feder des Interpreten war ein gelungener Abschluss und ein Dank für viel Beifall.

Okka Mallek
Hannover, 24.02.2020


Die Künstler

Emanuel Roch, Klavier

Der 1998 in Witten geborene Emanuel Roch wuchs in Nordrhein-Westfalen und Thüringen auf und studiert seit Herbst 2017 an der Hochschule für Musik München in der Klasse von Prof. Antti Siirala.

Er begann das Klavierspiel 2007 bei Tanja Schubert, wurde weiterhin seit 2012 von Prof. Gigory Gruzman (HfM Weimar) ausgebildet und wechselte noch im gleichen Jahr an das Landesgymnasium für Musik Dresden zu Hartmut Sauer. Bald folgten die ersten Auftritte, u.a. mit den Thüringer Symphonikern. 2014 debütierte er mit dem Jugendsinfonieorchester Dresden und Franz Liszts 1. Klavierkonzert, 2017 spielte er mit demselben den ersten Satz des Schumann Klavierkonzertes. 2014 wechselte er am Landesgymnasium in die Klasse von Prof. Florian Uhlig…

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Das Junge Sinfonieorchester

Das Junge Sinfonieorchester Hannover gilt seit seiner Gründung 1961 durch Prof. Barbara Koerppen und Prof. Heinz Hennig als fester Bestandteil des Hannoverschen Kulturlebens. Es hat über 80 Mitglieder im Alter zwischen 14 und 40 Jahren …

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Tobias Rokahr, Dirigent

Tobias Rokahr, geboren 1972, studierte an der Hochschule für Musik und Theater Hannover Schulmusik, Germanistik, Musiktheorie und Gehörbildung sowie an der Hochschule für Musik Detmold Dirigieren bei Prof. K.-H. Bloemeke.…

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Programm

Peter Iljitsch Tschaikowski Klavierkonzert Nr. 1 b‑Moll op. 23 
L. v. BeethovenKlaviersonate Nr. 21 op. 53 „Waldstein“ 
Maurice RavelLa Valse
Frédéric ChopinBallade No.1 g‑Moll op. 23

Konzertausschnitt


Pressestimmen

Im Walzerrausch
Emanuel Roch bei der Chopin-Gesellschaft

2019 hat Emanuel Roch den ersten Preis sowie den Publikumspreis beim internationalen Klavierwettbewerb der hannoverschen Chopin-Gesellschaft gewonnen. Grund genug, den 1998 geborenen Pianisten wieder einzuladen. Roch zeigte in der Aula der Kleefelder Schillerschule sein Können…

HAZ vom 26. Februar 2020 – von Christian Schütte