5 | 30. Open-Air Konzert

Kevin Kenner, Klavier, JSO Tobias Rokahr - Georgengarten Herrenhausen

30. Open-Air-Jubiläumskonzert

Einmal jährlich strömen zahlreiche Musikliebhaber in den Georgengarten nach Herrenhausen, um ein klassisches Konzert, veranstaltet von der Chopin-Gesellschaft Hannover, zu erleben. In diesem Jahr wurde diese beliebte Konzertreihe 30 Jahre jung. Die Veranstalter können stolz auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken, schließlich waren jedes Jahr ausgewählte Solisten und seit 1989 das Junge Sinfonieorchester Hannover unter der Leitung seines Dirigenten Tobias Rokahr mit großartigen Konzertprogrammen dabei. 

Nach einleitenden Grußworten durch die Präsidentin der Chopin-Gesellschaft, dem Oberbürgermeister der Stadt Hannover und Dankesworten an langjährige Sponsoren genossen ca. 7.000 Besucher einen ungetrübten Nachmittag. Der Sommer, der schon in herbstliche Temperaturen überzugehen drohte, bäumte sich noch einmal auf und schickte wärmende Sonnenstrahlen. Beste Bedingungen also, das Musikprogramm mit den beliebtesten Werken der Literatur auf sich wirken zu lassen. 

Zu Beginn gab es Auszüge aus der 2. Jazz-Suite von Dmitri Schostakowitsch. Mit viel Elan gestaltete Rokahr diese temperamentvolle, feurige Musik und forderte sein Orchester zu beachtlicher Leistung heraus, die mit jubelndem Applaus belohnt wurde. 

Mit der Sopranistin Magdalena Hinz und dem Tenor Konstantin Lee hatte die Chopin-Gesellschaft eine großartige Wahl getroffen. Arien und Duette u.a. von Puccini und Verdi standen auf dem Programm und wurden von den Solisten gesanglich und darstellerisch vortrefflich präsentiert. Mit der Arie der Julietta „Je veux vivre“ aus Charles Gounods „Romeo und Julia“ überzeugte Magdalena Hinz mit ihrem lupenreinen Sopran. Der sympathische Koreaner Konstantin Lee sang sich mit der Arie „Dein ist mein ganzes Herz“ aus „Land des Lächelns“ von Franz Lehar in die Herzen der Zuhörer. Beide Solisten wurden mit großem Beifall bedacht.

Der 1963 in Kalifornien geborene und heute in Europa lebende Pianist Kevin Kenner war 1990, während seines Studiums an der Musikhochschule Hannover, Preisträger des Wettbewerbs der Chopin-Gesellschaft. Im selben Jahr gewann er auch den renommierten Warschauer Chopin-Wettbewerb. Mit dem grandiosen Klavierkonzert Nr. 1 in e-Moll kehrte dieser hervorragende Pianist nun zum Jubiläumskonzert nach Hannover zurück und präsentierte sich als exzellenter Chopininterpret. Schlicht und mit tiefem Ernst gestaltete er den lyrischen Eingangssatz, gesanglich die liedhaften Themen des Mittelsatzes und rasant und voll Spielfreude das Rondo des Finalsatzes. Das begeisterte Publikum ließ sich nach jedem Satz zu frenetischem Applaus hinreißen und kam noch in den Genuss eines zarten, wunderschön gestalteten Nocturnes des polnischen Komponisten Ignaz Paderewsky.

Das Versprechen der Präsidentin, dass die Konzertreihe weitergeht, dürfte allen Freunden der klassischen Konzerte unter freiem Himmel sehr willkommen sein. Also, im nächsten Jahr gibt es ein Wiedersehen auf der Wilhelm-Busch-Wiese.

Okka Mallek
Hannover, 26.08.2018 

Die Künstler


Das Junge Sinfonieorchester Hannover

gilt seit seiner Gründung 1961 durch Prof. Barbara Koerppen und Prof. Heinz Hennig als fester Bestandteil des Hannoverschen Kulturlebens. Es hat über 80 Mitglieder im Alter zwischen 14 und 40 Jahren und besteht aus Schülern, aus Studenten aller Fachrichtungen, sowie aus jungen Berufstätigen. Durch das Zusammenspiel der erfahrenen älteren Mitglieder mit instrumental bereits gut ausgebildeten, aber im Orchesterspiel noch ungeübten jüngeren Mitgliedern hat sich ein Klangkörper entwickelt, dessen Niveau inzwischen weit über Hannovers Stadtgrenzen hinaus bekannt ist.

Der große Wert des Orchesters liegt in der Gelegenheit, möglichst viele junge Instrumentalisten die Orchestergemeinschaft bei Reisen, Konzerten und Probenfreizeiten erleben lassen zu können. Seit 1989 gibt das JSO jährlich im Spätsommer im Georgengarten Hannover ein Open-Air-Konzert, das jedes Mal ca. 5000 Zuhörer anlockt. Bei den von der Chopin-Gesellschaft organisierten Konzerten wird vor allem jungen, hochbegabten Solisten eine Auftrittsmöglichkeit mit Orchester gegeben.


Tobias Rokahr, 

geboren 1972, studierte an der Hochschule für Musik und Theater Hannover Schulmusik, Germanistik, Musiktheorie und Gehörbildung sowie an der Hochschule für Musik Detmold Dirigieren bei Prof. K.-H. Bloemeke. Er war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes und besuchte Meisterkurse für Dirigenten, u.a. bei Sir Colin Davis. Im Jahr 1997 übernahm er die Leitung des Jungen Sinfonieorchesters Hannover.

Von 2003 bis 2009 war Tobias Rokahr Juniorprofessor für Musiktheorie und Gehörbildung an der Hochschule für Musik Mainz. 2004 verlieh ihm die Johannes Gutenberg-Universität Mainz den „Preis für exzellente Lehre“. Vom Sommersemester 2009 bis Sommersemester 2013 lehrt Rokahr als Professor für Gehörbildung und Tonsatz an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig. Zum 1. Oktober 2013 hat Tobias Rokahr den Ruf auf die Professur für Musiktheorie an der HMTMH angenommen.

Im Jahr 1997 übernahm er die Leitung des Jungen Sinfonieorchesters Hannover. Im alljährlichen großen Open Air Konzert der Chopin Gesellschaft Hannover konzertiert er mit Preisträgern der großen internationalen Wettbewerbe, so z. B. Frank Braley, Eugene Mursky oder Gwyneth Chen. 

Die Solisten 


Kevin Kenner, Klavier

Mit drei großen internationalen Wettbewerbserfolgen wurde das Jahr 1990 zum Meilenstein in der Karriere von Kevin Kenner: der Gewinn des Warschauer Chopin-Wettbewerbs (verbunden mit dem Publikumspreis und einem Sonderpreis), des Terence Judd Awards in London und der Bronze-Medaille beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb machten seinen Namen und seine pianistische Meisterschaft schlagartig berühmt. Bereits vorher hatte er Preise bei den renommierten Wettbewerben Van Cliburn (Texas, 1989) und Gina Bachauer (Salt Lake City, 1988) gewonnen.

Kenners künstlerische Leistungen bringen ihm weltweites Kritikerlob. Die Chicago Tribune bezeichnete ihn als „one of the finest American pianists to come along in years“, der Londoner Independent feierte eines seiner Rezitale als „…the best performance I have ever heard in the concert hall of all four of Chopin’s Ballades“. Die Financial Times beschrieb Kenner als einen „player of grace, subtle variety and strength, with a mature grasp of dramatic structure and proportion“. Und die Washington Post erklärte ihn kürzlich zu einem Künstler, „whose intellect, imagination and pianism speak powerfully and eloquently.“ Der Dirigent Stanislaw Skrowaczewski, der auch Aufnahmen mit Pianisten wie Artur Rubinstein gemacht hat, bescheinigte Kenners Chopin-Interpretationen „to be the most sensitive and beautiful he remembered.“

Bereits in jungen Jahren erhielt der gebürtige Kalifornier Unterricht bei dem Pianisten Krzysztof Brzuza, der ihn als Teenager zu Ludwik Stefanski nach Polen schickte. Sein Aufenthalt dort fiel in eine bedeutende historische Epoche und verlief parallel zu den Anfängen der Solidarnosc-Bewegung, Streiks, Protesten und strengen Lebensmittel-Rationierungen. Dies hinterließ bleibende Eindrücke und eine lebenslange Liebe des Pianisten zu Polen. Nach dem Tod seines polnischen Lehrers setzte er seine Studien für fünf Jahre bei dem legendären Leon Fleisher am Peabody Conservatory in Baltimore fort. Schließlich beendete er seine Ausbildung bei Karl-Heinz Kämmerling in Hannover und verlegte seinen ständigen Wohnsitz endgültig nach Europa. Heute lebt Kevin Kenner überwiegend in Krakau. 

Kenner konzertiert als Solist mit Weltklasse-Orchestern wie dem Hallé Orchestra, dem BBC Symphony Orchestra, den Berliner Sinfonikern, den Warschauer Philharmonikern, den Tschechischen Philharmonikern, der Belgischen Radio und Fernseh-Philharmonie, dem NHK Symphony of Japan und in den USA mit den führenden Orchestern von San Francisco, San Diego, Salt Lake City, Baltimore u.v.a. Dabei arbeitet er mit renommierten Dirigenten wie Sir Charles Groves, Andrew Davis, Hans Vonk, Stanislaw Skrowaczewski, Jerzy Maksymiuk, Kazimierz Kord, Jiri Belohlavek und Antoni Wit.

Als Kammermusiker ist Kevin Kenner Partner der Streichquartette Belcea, Tokyo, Endellion, Vogler und Panocha, um nur einige zu nennen. Mit dem polnischen Ensemble Piazzoforte geht er auf Konzertreisen und spielt CDs mit besonderen Arrangements von Werken von Piazzolla, Chopin und Bach ein. Und mit der renommierten koreanischen Geigerin Kyung-wha Chung spielt er weltweit Sonatenabende. Inzwischen ist Kenner auch selbst als Juror führender Klavierwettbewerbe weltweit tätig. So schloss sich 2010 der Kreis, als er in eben dieser Funktion am Internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau teilnahm.

Kevin Kenners CD-Einspielungen werden weltweit vertrieben und umfassen viele CDs mit Werken Chopins, aber auch Schumann, Ravel, Beethoven und Piazzolla. Seine Einspielung mit dem Ensemble Piazzoforte erhielt 2006 in Polen den ‚Fryderyk‘ in der Rubrik Kammermusik als beste CD des Jahres (vergleichbar dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik). Einen weiteren ‚Fryderyk‘ erhielt er 2012 für seine CD mit Werken Ignaz Paderewskis. Kenner hat sich auch als Spezialist für historische Aufführungspraxis einen Namen gemacht. Seine Einspielung von Solo-Werken Chopins auf einem historischen Pleyel von 1848 erhielt vom französischen Magazin ‚Diapason‘ fünf Sterne und das Prädikat ‚Superb‘.

Höhepunkte der letzten Jahre sind Auftritte mit Franz Brüggen und dem Orchester des 18. Jahrhunderts (2011), Aufnahmen mit dem Ensemble XIX, ein Chopin-Rezital auf einem 1826’er Graf-Fortepiano für die berühmte Cité de la Musique Paris, Konzerte und Aufnahmen aus Anlass des 150. Geburtstages von Ignaz Paderewski sowie Konzertreisen durch Japan, China, Korea, die USA, Mexiko, Kanada, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen. Derzeit setzt Kevin Kenner seine künstlerische Zusammenarbeit mit der großen koreanischen Geigerin Kyung-wha Chung fort, die auf weitere internationale Podien führen wird.


Magdalena Hinz, Sopranist

Die junge Sopranistin Magdalena Hinz ist Preisträgerin der „Walter und Charlotte Hamelstiftung“ sowie der „Kammeroper Schloss Rheinsberg 2017“. Beim Festival „Internationales Musikfestival Heidelberger Frühling 2017“ war sie Stipendiatin der Liedakademie unter Thomas Hampson und Graham Johnson. Ihr erstes Gastengagement führten sie an das Theater Osnabrück, wo sie in der Spielzeit 2016/17 die Rolle der Braut „Quiteria“ in „Don Quichotte“ von G.Ph. Telemann übernahm. Es folgten Liederabende, unter anderem am Staatstheater Darmstadt sowie beim Festival „k l a n g werk LIED“ unter der Schirmherrschaft von Irvin Gage in Freiburg im Breisgau und Konzertaufführungen mit F. Mendelssohns „Paulus“ und dem „Oratorio de Noël“ von C. Saint-Saëns. Derzeit studiert Magdalena Hinz im Rahmen des Masterstudienganges Oper an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover bei Gudrun Pelker und Martin Brauß. Meisterkurse bei Christine Schäfer, Krisztina Laki, Peter Berne und Edith Mathis ergänzten ihre Ausbildung.


Konstatin Lee, Tenor

Der Tenor Konstantin Lee studierte an der Seoul National University (Bachelor 2011, Master 2014) und an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg (Konzertexamen 2017). 

2016 gab er sein europäisches Debüt am Theater Freiburg als Ferrando in Cosi fan tutte. 2017 hat er an Wiener Volksoper als Rosillon in Die lustige Witwe und am Theater Solingen als Sou-Chong in Das Land des Lächelns gastiert. Im Februar 2018 wird er am Teatro La Fenice, Venedig als Rosillon in Die lustige Witwe interpretieren.

Schon an der Universität und im Opernhaus in Seoul interpretierte er große Rollen (u.a. Alfredo in La Traviata, Rodolfo in La Bohème, Nemorino in L’elisir d’amore). 2017 gewann er den 1.Preis beim SWR Junge Opera Stars und den 1.Preis beim Wettbewerb Anneliese Rothenberger und repräsentierte er Südkorea beim BBC Cardiff Singer of the World. 2013 gewann er den 1. Preis beim Wettbewerb Neue Stimmen, außerdem beim Wettbewerb in Viña del Mar (Chile) sowie beim Gesangswettbewerb in Seoul, Korea.

Er besuchte Meisterklassen u.a bei Edda Moser, Renato Bruson, Cheryl Studer, Helmut Deutsch und Kiri te Kanawa.


Programm 

D. SchostakowitschAuszüge aus der Jazz-Suite 
  
G. Puccini Che gelida manina (La Bohème)
F. LehàrDein ist mein ganzes Herz (Land des Lächenls)
G. Donizetti Una furtive lagrima (L’elisir d’amore)
A. Dvořák „Lied an den Mond“, Arie der Rusalka, aus: „Rusalka“ 
Ch. GounodJe veux vivre (Romeo et Juliette)
G. Verdi„Sul fil d’un soffio etesio“, Arie der Nanetta, aus: „Falstaff“ 
G. PucciniO soave fanciulla (La Bohème)
G. Verdi„Parigi o cara“, Duo Violetta und Alfredo, aus „La Traviata“ 
  
Frédéric ChopinKlavierkonzert Nr. 1 in e-Moll op. 11