4 | Matinée­konzert mit Picknick

Nicht nur ein Froschkonzert in ländlicher Idylle --- Matinéekonzert mit Picknick im Rittergut Eckerde mit Varvara

Nicht nur ein Froschkonzert in ländlicher Idylle

Drei wichtige Voraussetzungen waren erfüllt, als die Chopin-Gesellschaft Hannover ihr diesjähriges Konzert mit anschließendem Picknick veranstaltete. Erstens gab es hervorragende Musik, zweitens hochsommerliches Wetter und drittens ein köstliches und sehr vielfältiges Buffet. Das Rittergut Eckerde, kaum eine halbe Autostunde von Hannover entfernt, bot zudem den idealen Rahmen für einen gelingenden Tag. Die herrliche Parkanlage des Gutes mit altem, Schatten spendenden Baumbestand und einem Froschteich, aus dem ein fröhliches und lautstarkes Froschkonzert ertönte, hatten einen ganz besonderen Reiz.

Doch zunächst wurden in der Konzertscheune des Anwesens Klavierwerke von Franz Schubert, Franz Liszt und Maurice Ravel in bemerkenswerter und hochkarätiger Form dargeboten. Die Pianistin Varvara Nepomnyahchaya war eingeladen, ein etwa zweistündiges Konzertprogramm zu gestalten. Eine Künstlerin mit ganz besonderer Strahlkraft, welche die Herzen des Publikums schnell eroberte. Leidenschaft, Präzision und eine klangliche Tiefe sind das Markenzeichen dieser fabelhaften und sensiblen Pianistin. Genau diese Attribute sind es auch, die Schuberts Spätwerke zum Leuchten bringen. Das Allegretto c-Moll D 915 und die Drei Klavierstücke D 946 schrieb Schubert in den letzten zwei Jahren seines kurzen Lebens. Varvara hat eindrucksvoll die Melancholie, die diese Musik so unverwechselbar macht, hervorgehoben. Den Reichtum an Harmonien, die schlichte Schönheit und die klanglichen Nuancen hat sie mit einem subtilen Gespür für die Feinheiten herausgearbeitet.

Als Weltbürger und Grandseigneur war Franz Liszt das Gegenteil des als scheu und melancholisch geltenden Schubert. Liszts Verehrung für den so früh verstorbenen Kollegen drückt sich in zahlreichen Transkriptionen der Schubertschen Lieder aus. Die 1860 erschienenen vier Lieder nach Texten von Johann Wolfgang von Goethe geben davon ein beeindruckendes Zeugnis. Varvara gestaltete diese wundervollen Preziosen im Geiste beider großer Komponisten. Ihre präzise Fingertechnik und ihr tiefes Verständnis für die Musik machten ihre Interpretationen zu einem unverwechselbaren Erlebnis.

Wer liebt ihn nicht, den Walzerklang? Ob als Gesellschaftstanz oder als Vortragsstück. Kaum ein Komponist ließ sich nicht inspirieren vom Walzertakt. Maurice Ravel hat in seinen Valses nobles et sentimentales gleich acht Walzer als Suite geschrieben. Als Inspirationsquelle diente Franz Schubert, der mit seinen Valses nobles und Valses sentimentales bereits 90 Jahre vorher Maßstäbe für diese Gattung setzte. Die noblen und edlen Valses von Ravel bestechen durch ihre Transparenz und zeichnen sich durch orchestrale Klangfülle aus. Varvara meisterte dieses extrem schwierige Werk grandios und sehr schlüssig. Eine interpretatorische Höchstleistung!

Mit einem impressionistischen Feuerwerk, dem hoch virtuosen La Valse von Ravel setzte Varvara der Matinee noch einen weiteren Glanzpunkt auf. In diesem gigantischen Werk werden Elemente des Wiener Walzers mit impressionistischen Stilmitteln vereint. Walzerseligkeit steigert sich zu einem wilden Tanz mit verzerrten Rhythmen und Dissonanzen. Glissandi, Sprünge, Läufe und rasende Tempi fordern ein hohes Maß an pianistischer Fertigkeit. Hier konnte Varvara brillieren und alle Register ihres Könnens ziehen. Das begeisterte Publikum ließ sich zu frenetischem Applaus hinreißen und als Dank dafür gab es noch Schuberts berühmte Forelle in einer Bearbeitung von Franz Liszt.

Es war ein Sonntag, an den sich sicher jeder gern erinnert.

Okka Mallek
Hannover, 11.06.2023


Die Künstlerin

Varvara Nepomnyashchaya

wurde 1983 in Moskau geboren und zunächst elf Jahre lang an der Gnessin-Spezialschule für Musik bei Lidija Grigorieva ausgebildet, ehe sie die Klavierklasse von Mikhail Voskresensky am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium absolvierte. 2011 holte sie sich den letzten Schliff bei Evgeni Koroliov an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater, wo sie seit einigen Monaten selbst als Lehrbeauftragte unterrichtet.

Als Preisträgerin ging Varvara seit 2006 aus dem Bach- Wettbewerb in Leipzig, aus dem Nagoya International Music Competition, aus dem Bremer Klavierwettbewerb und der Konkurrenz des Prager Frühlings hervor. Im Juni 2012 gewann sie dann den Ersten Preis und den Mozart-Preis beim renommierten Zürcher Concours Géza Anda; ausserdem erhielt sie für ihre Interpretation von Beethovens Drittem Klavierkonzert, das sie im Zusammenspiel mit dem Tonhalle-Orchester Zürich unter David Zinman spielte, auch den Géza Anda-Publikumspreis. …

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Programm

Franz Schubert Allegretto c-Moll, D 915
Drei Klavierstücke, D 946
Franz ListzVier Lieder von Franz Schubert, S.375
Maurice Ravel Valses nobles et sentimentales
La Valse