6 | Klavier­abend mit Antti Siirala

Zwischenlandung in Hannover – eine pianistische Punktlandung mit Antti Siirala in der Orangerie in Herrenhausen

Zwischenlandung in Hannover – eine pianistische Punktlandung mit Antti Siirala 

Als Alexander Gadjiew im vergangenen Jahr auf Einladung der Chopin-Gesellschaft Hannover einen Klavierabend in der Christuskirche gab, war die Begeisterung für den jungen italienisch-slowenischen Pianisten groß. Nun sollte ein weiterer Abend mit ihm in der Orangerie Herrenhausen folgen. Doch Gadjiev war krank. Eine Grippe setzte ihn außer Gefecht und der Vorstand der Chopin-Gesellschaft sah sich gezwungen, einen passenden Ersatz zu finden. Das Netzwerk funktionierte offenbar zügig, denn mit dem finnischen Pianisten Antti Siirala wurde der Abend ein wahrhaftes Klangerlebnis.

Siirala war auf dem Flug von München nach Helsinki (in beiden Städten hat er eine Klavierprofessur) in Hannover gelandet, um für den erkrankten Kollegen einzuspringen. Im Gepäck hatte er einige der bedeutendsten und schönsten Klavierwerke der Klassik und Romantik.

Mit den Variationen f-Moll von Joseph Haydn bewies der Künstler gleich zu Beginn eine Vorliebe für ausgefeilte Detailarbeit. Beide Themen des als Doppelvariation angelegten Werkes standen sich kontrastierend gegenüber, eines in Dur, eines in Moll. Mit technischer Versiertheit und farbiger Spielfreude agierte Siirala als einfühlsamer Klangorganisator und sinnhafter Vermittler dieses ungewöhnlichen, seiner Entstehungszeit vorausschauenden Werkes. 

Nur wenige Jahre später komponierte Ludwig van Beethoven seine drei Sonaten Op. 10. Sie gehören zur ersten Gruppe der insgesamt 32 Sonaten, die Beethoven schrieb. Mit Elan und vitaler Energie gestaltete Siirala die dritte Sonate dieser Trilogie. Ein viersätzige Werk, angefüllt mit originellen Einfällen und Kontrasten. Da perlten brillant und lebhaft die durchgehenden Achtelläufe im ersten Satz, bestach das choralartige Anfangsthema des zweiten, langsamen Satzes durch ein warmes Tembre, und lebhaft gestaltete der Künstler das heitere Menuett, dem sich mit Kraft und Konzentration der schnelle, unerbittlich vorwärts preschende Finalsatz anschloss. Das Publikum goutierte diese Leistung mit frenetischem Applaus.

Die vier Klavierstücke Op. 119 von Johannes Brahms sind Spätwerke, aus denen eine tiefe Melancholie und verhaltene Leidenschaft spricht. Besonders die drei Intermezzi wirken wie ein zärtliches Klanggewebe, dem sich trotzend und mit orchestraler Fülle die Rhapsodie in Es-Dur anschließt. Siirala entfaltete diesen beeindruckenden Klavierzyklus zu einem großen Epos mit ungeahntem Klangzauber. 

Stürmisch drängend und orchestral angelegt ist Schumanns Konzert ohne Orchester in f-Moll Op. 14. Ursprünglich als Sonate geplant, entstand dieses Werk in der Zeit der Trennung von seiner geliebten Clara, der er im zweiten Satz, einem Variationssatz, ein eindrucksvolles Denkmal setzt. Drängende Chromatik, ruhelose Motorik und Synkopierungen beherrschen das pianistisch sehr anspruchsvolle Werk. Antti Siirala rezitierte den Notentext ungeheuer plastisch und bravourös. 

Als Zugabe gab es noch ein Intermezzo von Brahms, bevor der Künstler in den frühen Morgenstunden des folgenden Tages seine Reise nach Finnland fortsetzte.

Es war ein beeindruckendes Konzerterlebnis, das die Chopin-Gesellschaft in Kooperation mit ihrem langjährigen Förderer, der KPMG, veranstaltete.

Okka Mallek
Hannover, 07.10.2023


Der Künstler

© Tibor Bozi

Antti Siirala

Der finnische Pianist, Gewinner zahlreicher erster Preise, u.a. beim Leeds, London und Dublin Wettbewerb, hat sich als einer der besten Pianisten seiner Generation etabliert. Seine reiche Palette an Klangfarben, seine differenzierte und klangvolle Phrasierung und seine musikalische Intelligenz werden besonders hervorgehoben. Antti Siirala hat mit namhaften Dirigenten wie Herbert Blomstedt, Esa-Pekka Salonen, François-Xavier Roth oder Sakari Oramo und mit internationalen Spitzenorchestern konzertiert. Er widmet sich auch der Kammermusik mit Jan Vogler, Lawrence Power, Sharon Kam, Carolin Widmann und Tanja Tetzlaff. Zuletzt gab Antti Siirala sein Debüt bei der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken unter der Leitung von Pietari Inkinen, bei der Belgrader Philharmonie und dem Litauischen Kammerorchester (und wurde überall sofort wieder eingeladen). Weitere Dirigenten, die regelmäßig mit Antti zusammenarbeiten, sind Eva Ollikainen und Pietari Inkinen.

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Programm

Joseph HaydnVariationen f-moll Hob. XVII:6
Ludwig van BeethovenSonate D-Dur op 10/3
Johannes BrahmsVier Klavierstücke Op.119
Robert SchumannKonzert ohne Orchester (die Fassung von der 3. Sonate von 1836)

Ausschnitt aus der Zugabe